Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung nach dem Entgeltrahmen-Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg. Durchführung des Reklamationsverfahrens. Zuständigkeit der paritätischen Kommission

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Betrieb, der dem Geltungsbereich des Entgeltrahmen-Tarifvertrages (ERA-TV) für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16.9.2003 unterfällt, hat ein Betriebsrat jedenfalls dann gemäß § 10 iVm. § 7.3.1 ff. ERA-TV einen tarifvertraglich begründeten Anspruch auf Durchführung des Reklamationsverfahrens, wenn er selbst die mitgeteilte Entgeltgruppe nach § 10.1 ERA-TV reklamiert hat. Aufgrund dieses Durchführungsanspruchs des Betriebsrats ist der Arbeitgeber verpflichtet, im Rahmen des Reklamationsverfahrens nach § 7.3.1 ERA-TV die Beschreibung der Arbeitsaufgaben, die Bewertungsbegründungen und die Reklamationsscheine der Arbeitnehmer als „entsprechende Unterlagen (§ 6.4)” an die Paritätische Kommission herauszugeben.

2. Eine nach § 10 iVm. § 7.3.1 ERA-TV gebildete Paritätische Kommission im Reklamationsverfahren ist berechtigt, die Übereinstimmung der Beschreibung der Arbeitsaufgabe mit der tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe zu überprüfen.

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 16.08.2011; Aktenzeichen 1 ABR 30/10)

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 21.04.2010; Aktenzeichen 2 TaBV 3/09)

 

Tenor

1. Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, der bei ihr gebildeten Paritätischen Kommission gem. § 6.4 ERA-TV vom 16. September 2003 die Beschreibungen der Arbeitsaufgaben und die Bewertungsbegründungen für diejenigen Arbeitsplätze, auf denen am 27.11.2007 die Arbeitnehmer

– T. [und 39 weitere namentlich benannte Arbeitnehmer]

eingesetzt waren, sowie die „Reklamationsscheine” dieser Arbeitnehmer zu übergeben.

2. Es wird festgestellt, dass die Prüfungskompetenz der nach den Regelungen des ERA-TV bei der Antragsgegnerin gebildeten Paritätischen Kommission sich auch auf die Prüfung der Übereinstimmung der Beschreibung der Arbeitsaufgabe an den Arbeitsplätzen, auf denen die in Ziff. 1 genannten Arbeitnehmer beschäftigt sind, mit der jeweils tatsächlich ausgeführten Arbeitsaufgabe erstreckt.

3. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übergabe von Unterlagen an die Paritätische Kommission nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg (im Folgenden: ERA-TV) vom 16. September 2003, die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die von ihr entsandten Mitglieder der Paritätischen Kommission zur Prüfung und Entscheidung von Reklamationen unter allen Gesichtspunkten anzuweisen, und die Reichweite der Prüfungskompetenz der Paritätischen Kommission.

Beteiligte zu 2 ist die Arbeitgeberin, die als Zuliefererin der Automobilindustrie 327 Mitarbeiter beschäftigt und Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. ist. Beteiligter zu 1 ist der bei ihr eingerichtete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin unterliegt kraft ihres Sitzes in Ulm den Tarifregelungen der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Bezirk Nordwürttemberg/Nordbaden.

Die Tarifvertragsparteien IG Metall und SÜDWESTMETALL e.V. haben im Einführungstarifvertrag zum Entgeltrahmentarifvertrag vom 16. September 2003 (im Folgenden: ETV ERA) und durch Konkretisierung in späteren Tarifrunden die Einführungsphase des ERA-TV für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 29. Februar 2008 festgelegt. Im Anschluss an diese Einführungsphase gilt der Entgeltrahmentarifvertrag verbindlich für alle Betriebe.

Die Arbeitgeberin hat auf Grundlage des ETV ERA vom 16. September 2003 in ihrem Betrieb mittlerweile zum 1. Januar 2008 den Entgeltrahmentarifvertrag eingeführt, dessen maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4

Grundsätze der Grundentgeltermittlung

4.1 Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe.

4.2 Die Arbeitsaufgabe wird durch die Arbeitsorganisation bestimmt. Sie wird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle übertragenen Teilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berücksichtigt.

§ 5

Einstufung der Arbeitsaufgabe

5.1 Gegenstand der Bewertung

5.1.1 Gegenstand der Bewertung und Einstufung sind die Anforderungen der entsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation übertragenen Arbeitsaufgabe.

5.1.2 Bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe sind alle Teilaufgaben zu berücksichtigen, soweit sie die Arbeitsaufgabe in ihrer Wertigkeit prägen.

5.2 Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe

§ 6

System der Bewertung und Einstufung

§ 7

Paritätische Kommission

7.1 In den Betrieben wird eine paritätisch besetzte Einstufungs- bzw. Reklamationskommission (im Folgenden: Paritätische Kommission) gebildet (siehe auch § 8).

7.1.1 Die Paritätische Kommission besteht aus je drei Vertretern des Arbeitgebers einerseits sowie der Beschäftigten andererseits. Mindestens ein Vertreter der Beschäftig...

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