Leitsatz
Die Parteien hatten im September 2004 geheiratet und lebten seit März 2007 getrennt. Mit Endurteil des AG vom 12.1.2008 wurde ihre Ehe geschieden und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre gemeinsame, am 10.1.2005 geborene Tochter, auf die Kindesmutter übertragen. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens war ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit beider Eltern eingeholt worden sowie des Weiteren zur Glaubhaftigkeit der Inzestvorwürfe gegen den Kindesvater.
Der Kindesvater legte gegen das Endurteil des AG im Scheidungsverfahren Berufung ein, nahm diese in der Folgezeit jedoch wieder zurück.
Mit Antrag vom 5.4.2009 begehrte er die Übertragung der elterlichen Sorge. Die Kindesmutter ihrerseits nahm Bezug auf ihren bereits im Ehescheidungsverfahren gestellten Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. Das erstinstanzliche Gericht holte einen Bericht des Jugendamtes ein und führte am 26.8.2009 eine mündliche Verhandlung mit beiden Parteien durch. Am 28.8.2009 erging der Beschluss, mit dem der Kindesmutter die elterliche Sorge übertragen wurde.
Hiergegen legte der Kindesvater Beschwerde ein. Sein Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das AG im Hinblick auf mehrere gravierende Verfahrensverstöße.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG wies darauf hin, dass das AG offenbar selbst der Auffassung gewesen sei, dass eine endgültige Entscheidung über das Sorgerecht noch nicht möglich sei. Gleichwohl sei am 28.8.2008 eine endgültige Regelung des Sorgerechts durch Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt auf die Kindesmutter erfolgt.
Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip nach § 12 FGG vor, da der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.
Zwar habe das AG im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit beider Elternteile eingeholt, das zu dem Ergebnis gekommen sei, dass zur Erziehungsfähigkeit des Vaters ohne eine zusätzliche psychiatrische Aufklärung seines psychischen Gesundheitszustandes nicht abschließend Stellung bezogen werden könne. Diese psychiatrische Zusatzbegutachtung sei jedoch bislang nicht einmal in Auftrag gegeben worden.
Im Übrigen ständen Vorwürfe gegen den Kindesvater wegen angeblicher sexueller Übergriffe auf seine Stieftochter im Raum. Die diesbezüglichen Angaben des Kindes würden vom Jugendamt ausweislich seines Berichts vom 12.5.2009 als glaubwürdig eingeschätzt. Insoweit habe das Gericht das Ergebnis des Strafverfahrens abwarten wollen. Gleichwohl seien der Akte keine Bemühungen des AG zu entnehmen, irgendwelche Erkenntnisse über den aktuellen Stand des Ermittlungsverfahrens bzw. des Strafverfahrens zu erhalten.
Im Übrigen sei die Anhörung des fast fünfjährigen Kindes entgegen der Vorschrift des § 50b Abs. 1 FGG unterlassen worden. Die gerade im Hinblick auf die widerstreitenden Sorgerechtsanträge, die gegenseitigen erheblichen Vorwürfe der Eltern und auch die Beziehung des Kindes zu seinen Halbgeschwistern eine erhebliche Rolle spiele.
Hierbei sei es ohne Bedeutung, ob die Eltern auf eine Anhörung des Kindes verzichtet hätten.
Im Übrigen habe das AG keinen Verfahrenspfleger für das Kind bestellt, die im vorliegenden Fall nach § 50 FGG dringend geboten sei.
Schließlich enthalte der angefochtene Beschluss keine Begründung. Die Begründung müsse so ausführlich sein, dass sie die Berücksichtigung der wesentlichen Gesichtspunkte und der Argumente der Beteiligten erkennen lasse.
Indes enthalte der angefochtene Beschluss lediglich formelhafte Ausführungen. Eine auch nur ansatzweise Auseinandersetzung mit den eingeholten Gutachten, der Problematik der gegenseitigen Vorwürfe des Inzests bzw. der sexuellen Übergriffe sowie des psychischen Gesundheitszustandes des Kindesvaters fehle völlig.
Wegen dieser Verfahrensfehler könne der erstinstanzliche Beschluss keinen Bestand haben.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 08.10.2009, 26 UF 1569/09