Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Betriebs mehrerer Unternehmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein einheitlicher Betrieb mehrerer Unternehmen kann auch dann vorliegen, wenn sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalls ergibt, daß die Beteiligten Unternehmen konkludent eine rechtliche Vereinbarung über die einheitliche Leitung getroffen haben (Bestätigung der Senatsrechtsprechung vom 7. August 1986 - 6 ABR 57/85 = DB 1987, 176 = BB 1987, 193 = ZIP 1987, 183).
2.Der Schluß auf eine konkludente rechtliche Vereinbarung mehrerer Unternehmen zur Führung eines gemeinsamen Betriebes kann bereits dann gezogen werden, wenn die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten von einem Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden, nicht aber auch die unternehmerischen Funktionen im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Normenkette
BetrVG §§ 1, 18 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.02.1985; Aktenzeichen 10 TaBV 11/84) |
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 30.03.1984; Aktenzeichen 10 BV 2/84 H) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob drei Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb führen oder ob sie ihren unternehmerischen Zweck in verschiedenen Betrieben verfolgen.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind Kommanditgesellschaften. Sie gehören der Unternehmensgruppe S an. Diese ist im Inland an den drei Standorten B, M und H ansässig. In H bestand seit 1961 eine Zweigniederlassung der damaligen S oHG, B.
Die Gesellschaft wurde 1964 in eine Kommanditgesellschaft und 1974 in eine GmbH & Co. KG (Beteiligte zu 2) umgewandelt. Komplementärin war die allein zu diesem Zweck gegründete S Verwaltungs-GmbH in B. Sie war zugleich Komplementärin der J. -GmbH & Co. KG M, der L S GmbH & Co. KG und L GmbH & Co., beide in B. Unter den Komplementären der Kommanditgesellschaft und den Geschäftsführern der Verwaltungs-GmbH besteht Personenidentität.
Der H Betrieb der S GmbH & Co. KG hatte in der Vergangenheit zwei Betriebsstätten, nämlich das Verlagsgebäude in der T straße und das 1977 von B übergesiedelte Auslieferungszentrum in H. Die etwa 400 Mitarbeiter dieser Betriebsstätten wählten 1981 einen neunköpfigen Betriebsrat.
Die Gesellschafter in den genannten Gesellschaften der S-Gruppe gründeten zum Jahresbeginn 1984 drei weitere Personengesellschaften in der Form der GmbH & Co. KG, nämlich die S GmbH & Co. Produktionsgesellschaft in B, die S GmbH & Co. Auslieferungsgesellschaft in H (Beteiligte zu 3) und die S GmbH & Co. EDV-Dienstleistungsgesellschaft in B mit Außenstelle in H (Beteiligte zu 4). Der Auslieferungsgesellschaft obliegen die Aufgaben, die zuvor die S GmbH & Co. KG im Rahmen des Auslieferungszentrums in H erledigte, nämlich Lagerung und Versand aller Erzeugnisse der S gruppe im Inland und für die Verlagshäuser in New York, Tokio und Wien, soweit es den Weltmarkt betrifft. Die 59 Mitarbeiter des Auslieferungszentrums wurden in die neue Gesellschaft übernommen. Die äußeren Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter änderten sich durch die Unternehmensaufspaltung nicht. Sie arbeiteten in denselben Räumen wie vorher und nutzten dieselben Sozialeinrichtungen. Die neue EDV-Dienstleistungsgesellschaft übernahm für alle Gesellschaften der S Gruppe die Datenverarbeitung. Weiter ist geplant, Dienstleistungen für Dritte auf diesem Gebiet zu übernehmen. In der H Außenstelle wurden fünf Mitarbeiter von der S GmbH & Co. KG übernommen, deren äußere Bedingungen sich ebenfalls nicht änderten. Sie erhalten allerdings ihre arbeitstechnischen Weisungen nunmehr aus B. Dort werden sie auch in Personalfragen betreut. Die Personalangelegenheiten bei den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2) und 3) werden von zwei Prokuristen bearbeitet, die Arbeitsverträge nur mit der Beteiligten zu 2) haben. Zusätzlich ist ihnen für beide Gesellschaften Prokura eingeräumt worden. Diese beiden Prokuristen waren bei der zuvor allein bestehenden Beteiligten zu 2) auch für diese Angelegenheiten zuständig.
Der antragstellende Betriebsrat hat gemeint, die Aufspaltung des einen Unternehmens in drei Unternehmen habe auf der Betriebsebene keine Änderungen zur Folge. In H bestehe nach wie vor ein Betrieb. Alle drei Unternehmen verfolgten den gleichen Zweck, nämlich die Produktion und Verteilung wissenschaftlicher Literatur. Sie seien wirtschaftlich als Einheit anzusehen. Die Beteiligten zu 3) und 4) als Auslieferungs- bzw. EDV-Gesellschaft seien ohne die Beteiligte zu 2) nicht denkbar. Es sei in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß mehrere Unternehmen gemeinsam einen Betrieb unterhalten könnten, wenn dieser einheitlich geführt werde und dies entsprechend sichergestellt sei. So verhalte es sich bei den Beteiligten zu 2) bis 4), weil diese unter einheitlicher Leitung geblieben seien. Es bestehe eine einheitliche Organisation. Das ergebe sich bereits daraus, daß Komplementärin aller drei Gesellschaften die S-Verwaltungs GmbH sei und damit dem Betriebsrat ein zu einer einheitlichen Willensbildung fähiger Arbeitgeber gegenübertrete. Gerade im personellen Bereich seien nach wie vor die gleichen Personen für alle relevanten Entscheidungen zuständig. Die Beteiligten zu 2) bis 4) hätten sich auch zu einer einheitlichen Unternehmensleitung rechtlich verbunden.
Der Beteiligte zu 1) hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beteiligten zu 2),
3) und 4) zusammen einen Betrieb haben.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er sei unzulässig, weil vom Gericht lediglich ein Rechtsgutachten verlangt werde. Auch sei die Form des Feststellungsverfahrens nicht statthaft. Der Antrag sei im übrigen unbegründet. Die Beteiligten zu 2) bis 4) seien seit dem 1. Januar 1984 selbständige Unternehmen und verfolgten unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke. Daraus sei auf das Vorliegen dreier Betriebe zu schließen. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, daß die Komplementärin aller drei Gesellschaften die gleiche sei. Die Entschließungsfreiheit der Beteiligten zu 2) bis 4) sei durch diese Tatsache nicht eingeschränkt. Jeder einzelnen Gesellschaft gehörten eine Anzahl verschiedener Prokuristen an. Diese träfen die mitbestimmungsrechtlich relevanten Entscheidungen auf der Ebene des einzelnen Betriebes. Eine rechtliche Vereinbarung über eine gemeinsame Leitung bestehe nicht.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller weiter sein erstinstanzliches Ziel, während die Beteiligten zu 2) bis 4) die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragen.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschwerdebeschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
I. 1. Der Antragsteller hat mit dem Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart gewählt (§§ 2 a, 80 ArbGG; § 18 Abs. 2 BetrVG). Er will eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 18 Abs. 2 BetrVG geklärt haben. Zwar ist nach dieser Bestimmung lediglich die Zweifelsfrage im Beschlußverfahren zu klären, ob ein Nebenbetrieb oder ein Betriebsteil selbständig oder dem Hauptbetrieb zuzuordnen ist. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 15, 235 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG; BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 7. August 1986 - 6 ABR 57/85 -, DB 1987, 176 = BB 1987, 193 = ZIP 1987, 183), über den Wortlaut des Gesetzes hinaus § 18 Abs. 2 BetrVG nach dessen Sinn und Zweck im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ebenfalls bei der Lösung der Frage anzuwenden, ob zwei selbständige Betriebe vorliegen oder nicht.
2. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) bis 4) besteht für den Antrag ein Rechtsschutzinteresse, auch in der Form der Feststellung.
a) Das allgemeine Rechtsschutzinteresse folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 18 Abs. 2 BetrVG. Dort ist ausdrücklich bestimmt, daß in Zweifelsfragen der genannten Art eine gerichtliche Entscheidung beantragt werden kann. Nach zutreffender herrschender Meinung (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 18 Rz 19; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 18 Rz 18; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 18 Rz 25; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 18 Rz 11) kann diese Entscheidung jederzeit begehrt werden, nicht nur im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl, wie die systematische Stellung im Gesetz vermuten läßt. Denn die Entscheidung hat nicht nur Auswirkungen auf die Wahl des Betriebsrats, sondern ist generell für die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsordnung von Bedeutung. So hängen z.B. von der Größe des Betriebs Beteiligungsrechte des Betriebsrats ab, § 95 Abs. 2, §§ 99, 111 BetrVG. Das gilt gleichermaßen für die Streitigkeiten bei entsprechender Anwendung des § 18 Abs. 2 BetrVG. Mit der Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG tritt zwar keine unmittelbare Wirkung ein. Sie ist allerdings für die am Verfahren Beteiligten bindend unter den Voraussetzungen, unter denen sie ergangen ist. Insofern entfaltet die Entscheidung Rechtskraftwirkung (BAGE 30, 12 = AP, aaO; BAGE 35, 1 = AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979; Dietz/Richardi, aaO, § 18 Rz 25). Wenn sie daneben Elemente eines Rechtsgutachtens enthält, so ist das unschädlich, weil der Gesetzgeber diese Art der Entscheidung den Gerichten für Arbeitssachen ausdrücklich aufgegeben hat.
b) Der Antragsteller hat auch ein Interesse an einer F e s t s t e l l u n g. Zwar spricht § 18 Abs. 2 BetrVG nur von einer Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen. Damit ist jedoch die Form der Feststellung gemeint. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und das Schrifttum gehen davon auch aus (BAGE 14, 82; BAGE 15, 235; BAG Beschlüsse vom 5. Juni 1964 - 1 ABR 11/63 - und vom 24. September 1968 - 1 ABR 4/68 - AP Nr. 5, 6, 7 und 9 zu § 3 BetrVG; BAGE 30, 12, 18 = AP, aaO, zu II 1 c der Gründe; BAG Beschluß vom 25. November 1980 - 6 ABR 62/79 - AP Nr. 3 zu § 18 BetrVG 1972; BAGE 40, 163 und 41, 403 = AP Nr. 3 und 4 zu § 4 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, aaO, § 18 Rz 19; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 1 Rz 26 a; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 18 Rz 17). Daran hält der Senat fest. Die Aufgabe, mit dem Verfahren weitreichende Folgen für die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsordnung zu klären, ist mit einem notwendigerweise auf ein Teilgebiet beschränkten Leistungsantrag nicht zu erreichen. Das Feststellungsinteresse folgt weiter aus § 256 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) bis 4) geht es bei der Feststellung, ob der Antragsteller auch zukünftig als Organ der Betriebsverfassung Ansprechpartner für alle in H tätigen Mitarbeiter ist oder nicht, um das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Beteiligten zu 2) bis 4) bildeten rechtlich voneinander getrennte Unternehmen. Zu diesen Unternehmen gehöre als "Untergliederung" je ein Betrieb. Dabei werde entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, daß es sich beim Betrieb um eine von einem Arbeitgeber hergestellte organisatorische Einheit handele, in der er mit seinen Arbeitnehmern die von ihm verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zu erreichen suche. Die Beteiligten zu 2) bis 4) hätten keinen einheitlichen Betrieb gebildet, weil sie keine Vereinbarung über die gemeinsame Führung des Betriebs getroffen hätten. Diese sei erforderlich, weil sonst dem Betriebsrat kein zur einheitlichen Willensbildung fähiger Arbeitgeber gegenüberstehe. Der vom Arbeitsgericht vernommene Geschäftsführer der Komplementärin der Beteiligten zu 2) bis 4) habe dazu im wesentlichen ausgesagt, innerhalb der drei Unternehmen existiere keine Vereinbarung über eine einheitliche Unternehmensführung. Das würde auch dem Sinn der mit Wirkung vom 1. April 1984 getroffenen Maßnahme widersprechen. Mit der Unternehmensaufspaltung sei eine Stärkung der einzelnen Teile bezweckt worden. Die einzelnen Unternehmen sollten sowohl in wirtschaftlicher als auch in personeller Hinsicht eigenverantwortlich tätig sein. Es sei daher auch für die Zukunft nicht geplant, eine Vereinbarung über eine einheitliche Führung der Unternehmen zu treffen. Diese Aussage erscheine glaubwürdig, weil sie mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang stehe. Die tatsächliche Handhabung weise nämlich nicht darauf hin, daß sich die Beteiligten zu 2) bis 4) zur gemeinsamen Führung eines Betriebs rechtlich verbunden hätten. Von den Arbeitgeberfunktionen in mitbestimmungsrechtlich relevanten Bereichen nähmen bei den Beteiligten zu 2) und 3) nur in personellen und sozialen Angelegenheiten dieselben Personen Arbeitgeberfunktionen wahr. Hinsichtlich der unternehmerischen Funktionen seien dagegen unterschiedliche Führungskräfte vorhanden. Überhaupt keine Übereinstimmung weisen nach dem unstreitigen Sachverhalt der Leitungsapparat bei den Beteiligten zu 2) und 3) einerseits und der Beteiligten zu 4) andererseits auf. Der Hinweis des Beteiligten zu 1), den Arbeitnehmern der drei beteiligten Unternehmen trete ein einheitlicher Unternehmerwille gegenüber, da alle drei Unternehmen von der S Verwaltungs-GmbH geführt würden, und damit sei gewährleistet, daß der Belegschaft ein einheitlicher Arbeitgeber gegenüberstehe, sei nicht überzeugend. Wäre das ausschlaggebend, müßte der gestellte Antrag zurückgewiesen werden, weil die S Verwaltungs-GmbH nicht nur Komplementärin der Beteiligten zu 2) bis 4) sei, sondern auch noch bei anderen Gesellschaften. Es wäre dann davon auszugehen, daß diese einen gemeinsamen Betrieb hätten.
III. Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum wird der Betrieb definiert als die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BAGE 1, 175, 178 = AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG; BAGE 2, 91, 93 = AP Nr. 1 zu § 81 BetrVG; BAG Beschluß vom 24. September 1968 - 1 ABR 4/68 - AP Nr. 9 zu § 3 BetrVG; BAGE 40, 163, 165 = AP Nr. 6 zu § 4 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 7. August 1986 - 6 ABR 57/85 -, DB 1987, 176 = BB 1987, 193 = ZIP 1987, 183; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 1 Rz 13; Dietz/Richardi, aaO, § 1 Rz 52; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 1 Rz 2; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 4). Aus dem Erfordernis der organisatorischen Einheit folgt, daß ein Betrieb ohne weiteres nicht zu zwei oder mehreren Unternehmen gehören kann. Wohl aber können mehrere Unternehmen einen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bilden (Dietz/Richardi, aaO, § 1 Rz 81, 85). Dazu hat das Bundesarbeitsgericht in einer Reihe von Entscheidungen wiederholt betont, es sei für die Zusammenarbeit in einem Betrieb erforderlich, daß die beteiligten Unternehmen eine rechtliche Vereinbarung über die gemeinsame Führung eines einheitlichen Betriebs schließen, z.B. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden oder andere Rechtsformen der Zusammenarbeit vereinbaren (BAG Beschlüsse vom 5. April 1963 - 1 ABR 7/62 -, nicht veröffentlicht; vom 21. Oktober 1969 - 1 ABR 8/69 - AP Nr. 10 zu § 3 BetrVG; BAGE 27, 359 = AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG 1972; BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 25. November 1980 - 6 ABR 108/78 - AP Nr. 2 zu § 1 BetrVG 1972; BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972; zum Betriebsbegriff im Kündigungsschutzgesetz BAGE 4, 203 = AP Nr. 1 zu § 21 KSchG; BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969; BAG Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 452/84 - EzA § 1 KSchG 1969 Nr. 41 = NZA 1986, 600). Der Senat hat diese Rechtsprechung in seinem Beschluß vom 7. August 1986 (- 6 ABR 57/85 -, aaO) unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen im Schrifttum geltend gemachten Kritik auch für die Fälle der Unternehmensspaltung bestätigt. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Siebten und des Zweiten Senats (aaO) hat der erkennende Senat ausgeführt, die einheitliche Leitung müsse nicht ausdrücklich in vertraglichen Abmachungen der beteiligten Unternehmen geregelt sein. Das Vorliegen einer entsprechenden rechtlichen Vereinbarung könne auch aus tatsächlichen Umständen hergeleitet werden. Daran wird festgehalten. Der Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlaß, seine Ausführungen im vorgenannten Beschluß zu ergänzen.
Das Landesarbeitsgericht, das bei seiner Beurteilung zutreffend von diesem Betriebsbegriff ausgegangen ist, hat ihn aber mit seinen Ausführungen bei der Subsumtion der Tatsachen des Streitfalls wieder verlassen und damit § 1 BetrVG verletzt. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
2. Soweit das Landesarbeitsgericht die Aussage des Geschäftsführers G der Komplementär-GmbH der Beteiligten zu 2) bis 4) würdigt, hat es ebenso wie das Arbeitsgericht übersehen, daß dieser sich zur Frage der Vereinbarung der Beteiligten zu 2) bis 4) über die Führung eines gemeinsamen B e t r i e b s in H überhaupt nicht geäußert hat, sondern lediglich eine Vereinbarung über eine einheitliche U n t e r n e h m e n s führung geleugnet hat. Unterscheidet das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend zwischen Unternehmen und Betrieb, so verwendet es bei der Würdigung der Parteiaussage zur Feststellung einer ausdrücklichen Führungsvereinbarung beide Begriffe fehlerhaft synonym. Allein deswegen kann die Entscheidung keinen Bestand haben. Bei der erneuten Beurteilung des Streitfalls wird das Landesarbeitsgericht zu überlegen haben, ob es eine Sachaufklärung zu der von der Beteiligten zu 1) behaupteten ausdrücklichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen braucht. Diese kann dann entfallen, wenn die Umstände des Einzelfalls einen Schluß auf eine konkludente Vereinbarung zulassen.
3. Bei der Beurteilung der gesamten Umstände des Einzelfalls zur Frage, ob die Beteiligten zu 2) bis 4) wenigstens eine konkludente Vereinbarung über die gemeinsame Führung eines einheitlichen Betriebs getroffen haben, hat das Landesarbeitsgericht teilweise die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mißverstanden, teilweise gegen Denkgesetze verstoßen und schließlich nicht alle Umstände des Einzelfalls in einer umfassenden Würdigung beachtet, so daß es dem Senat verwehrt ist, die Sache selbst zu entscheiden.
a) Wenn der Senat ausgeführt hat, es sei insbesondere erforderlich, ein einheitlicher Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen müsse die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten sowie die unternehmerischen Funktionen im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten wahrnehmen (zuletzt Beschluß vom 7. August 1986 - 6 ABR 57/85 - aaO), so wollte er damit nicht fordern, daß Tatumstände aus allen drei Bereichen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung kumulativ festgestellt werden müssen, um den Schluß auf eine konkludente rechtliche Vereinbarung der beteiligten Unternehmen über die gemeinsame Führung eines einheitlichen Betriebes ziehen zu können. Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 23. September 1982 (BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972) zur Frage, ob innerhalb eines Unternehmens eine Hauptverwaltung allein oder nur mit der ihr räumlich verbundenen Produktionsstätte einen Betrieb bildet, ausgeführt, soweit im Betriebsverfassungsgesetz für die Bestimmung eines Betriebs auf die selbständige Leistung in mitbestimmungserheblichen Sachverhalten abgestellt werde, komme es vor allem auf die Selbständigkeit im Personal- und Sozialwesen, weniger auf Entscheidungsfindung in wirtschaftlichen Angelegenheiten an. Das gilt sinngemäß auch bei der hier streitigen Frage, ob ein Betrieb mehrerer Unternehmen vorliegt oder nicht. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben Leitung durchgeführt wird, so kann auch ohne Tatsachenfeststellungen zu den unternehmerischen Funktionen im wirtschaftlichen Bereich der Schluß auf eine konkludente Führungsvereinbarung möglich sein. Das gilt um so mehr, wenn für einen Betrieb unternehmerisches Handeln im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG bisher nicht erforderlich war. Ob so im Streitfall verfahren werden kann oder nicht, muß das Landesarbeitsgericht anhand der unstreitigen oder noch zu klärenden Tatsachen würdigen.
b) Zu Unrecht lehnt es das Landesarbeitsgericht ab, die personelle Verflechtung auf Gesellschafter- und Geschäftsführerebene bei den Beteiligten zu 2) bis 4) zu würdigen. Auch das ist ein Umstand des Einzelfalls, der zu berücksichtigen ist. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts für seine ablehnende Haltung ist nicht nachvollziehbar. Wenn es von den Beteiligten zu 2) bis 4) und der S GmbH & Co, Produktionsgesellschaft B und der S-GmbH & Co. B als fünf Unternehmen spricht, so scheint es übersehen zu haben, daß es nur ein Unternehmen S-GmbH & Co. KG mit Sitz in B und einer Zweigniederlassung in H gibt. Warum die Produktionsgesellschaft, deren arbeitstechnischer Zweck allein am Standort B erfüllt wird, an H Betrieb überhaupt beteiligt sein soll, ist nicht erkennbar. Dazu haben die Parteien weder Tatsachen vorgetragen noch eine Rechtsauffassung des Inhalts vertreten. Der Senat vermag auch nicht nachzuvollziehen, warum die Personenidentität in der Unternehmensgruppe nur dann für eine Führungsvereinbarung der in H teilweise ansässigen Unternehmen für diese Betriebsstätten gewürdigt werden sollte, wenn zum gemeinsamen Betrieb die in H nicht ansässigen Unternehmen J GmbH & Co. KG, M, die GmBH & Co. KG, B und die L GmbH & Co. Berlin hinzugerechnet werden könnten.
c) Das Landesarbeitsgericht hat es schließlich versäumt, die Fortsetzung der gemeinsamen räumlichen und technischen Nutzung der Betriebsstätte und damit einer einheitlichen Betriebsorganisation im Einzelfall festzustellen und zu würdigen (BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG). Das wird es ggf. nach Aufklärung der insoweit streitigen Tatsachenbehauptungen der Beteiligten nachzuholen haben. Der Senat vermag dazu keine weiteren Hinweise zu geben.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner
Wendlandt Dr. Hoffmann
Fundstellen
BB 1987, 2017 |
DB 1987, 1539-1539 (LT1-2) |
BetrR 1988, Nr 1, 11-12 (LT1-2) |
NZA 1987, 707-708 (LT1-2) |
ZIP 1987, 1281 |
ZIP 1987, 1281-1284 (LT1-2) |
AP § 1 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 6 |
AR-Blattei, Betrieb Entsch 13b (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 450 Nr 13b (LT1-2) |
EzA § 1 BetrVG 1972, Nr 5 (LT1-2) |