Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Saugdrucktankwagenfahrer
Orientierungssatz
Eingruppierung von Saugdrucktankwagenfahrer mit erfolgreich abgeschlossener Berufskraftfahrerausbildung nach Lohngruppe VI des Bezirkszusatztarifvertrages für Nordrhein-Westfalen zum BMT-G; Beweislast bei Bewährungsaufstieg; Darlegungspflicht.
Normenkette
BMT-G § 20; BMT-G 2 § 20
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.10.1988; Aktenzeichen 8 Sa 421/88) |
ArbG Solingen (Entscheidung vom 19.01.1988; Aktenzeichen 2 Ca 2008/87) |
Tatbestand
Der am 4. Juli 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 13. April 1970 als Kraftfahrer beschäftigt. Die Parteien haben in § 2 des Arbeitsvertrages vom 12. Mai 1970 einzelvertraglich die Geltung des BMT-G II, der dazu zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages für Nordrhein-Westfalen zum BMT-G II (BZT-G/NRW) sowie der diese ändernden und ergänzenden Tarifverträge vereinbart. Der Kläger bezieht Lohn nach Lohngr. V des Lohngruppenverzeichnisses zu § 4 BZT-G/NRW. Er hat am 5. Juni 1982 eine auf Anraten der Beklagten absolvierte Ausbildung nach der Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung erfolgreich abgeschlossen, wird als Fahrer eines Saugdrucktankwagens im Rahmen der Kanalunterhaltung eingesetzt und bedient ein sich wöchentlich wiederholendes Revier. Der explosionsgeschützte Saugdrucktankwagen, mit dem auch gelegentlich Gefahrguttransporte durchgeführt werden, darf nur mit einer Prüfbescheinigung nach § 6 der Gefahrgutordnung Straße (GGVS) gefahren werden; diese Prüfbescheinigung besitzt der Kläger. Der Kläger hat durchgehend seit seiner Tätigkeit für die Beklagte, also auch sechs Jahre vor dem 5. Juni 1988, die Tätigkeit als Berufskraftfahrer überwiegend ausgeübt. Die Beklagte hatte keinerlei Grund für irgendwelche Klagen; der Kläger wurde sogar belobigt.
Mit der am 23. November 1987 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn ab 1. Januar 1986 Lohn nach der Lohngr. V Abschnitt c) Ziff. 7 a BZT-G/NRW zu zahlen. Dazu hat der Kläger vorgetragen, für eine Eingruppierung in Lohngr. V Abschnitt c) Ziff. 7 a sei ausreichend, daß er die Ausbildung als Berufskraftfahrer absolviert habe bzw. die dort erworbenen Kenntnisse vorhalte. Im übrigen wende er diese Kenntnisse auch an. Im Gegensatz zu Abschnitt d) der Lohngr. V eröffne ihm eine Tätigkeit nach Abschnitt c) dieser Lohngruppe nach sechsjähriger Bewährung den Bewährungsaufstieg in Lohngr. VI.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, dem Kläger Vergütung nach der Lohngr. V
Abschnitt c) Ziff. 7 a nach dem Bundesmantel-
tarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Ver-
waltungen und Betriebe (BMT-G II) in Verbindung
mit dem Bezirkszusatztarifvertrag zum BMT-G für
den Bereich des kommunalen Arbeitgeberverbandes
Nordrhein-Westfalen (BZT-G/NRW) ab 1. Januar
1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für das Klagebegehren reiche es nicht aus, daß der Kläger die Ausbildung als Berufskraftfahrer absolviert habe. Eine Eingruppierung erfolge, wie sich aus § 4 Satz 1 BZT-G/NRW ergebe, nämlich nach der überwiegenden Tätigkeit. Da der Kläger die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse nicht überwiegend für seine Tätigkeit benötige, scheitere sein Klagebegehren bereits daran. Wäre es bedeutungslos, in welchem Umfang die qualifizierten Ausbildungskenntnisse benötigt werden, so zerstöre man die tarifvertragliche Eingruppierungssystematik. Auch der geringste Anteil einer verwendbaren Ausbildung führte dann zur entsprechenden Eingruppierung. Eine sachgerechte Unterscheidung zwischen den Kraftfahrern der Lohngr. IV Abschnitt c) Ziff. 6, der Lohngr. V Abschnitt b) Ziff. 4 und denen der Lohngr. V Abschnitt c) Ziff. 7 und Ziff. 7 a sei dann nicht mehr möglich. Da Ausbildungskenntnisse aus der Berufsausbildungsverordnung im Zweifel bei jedem Kraftfahrer in geringem Anteil anfielen, würde dies zu dem unzutreffenden Ergebnis führen, daß jeder Arbeiter nach Ablegung der Prüfung eine höhere Eingruppierung verlangen könne.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Klageantrag mit Einwilligung der Beklagten geändert und beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 2. Juni 1988 nach der Lohngr. VI des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Behörden zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht hat nach Einholung einer Tarifauskunft das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren nach Maßgabe des in der Berufungsinstanz gestellten Antrages weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Der Revision war stattzugeben. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem Kläger ab 2. Juni 1988 Vergütung nach Lohngr. VI des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Behörden gemäß dem Bezirkszusatztarifvertrag für Nordrhein-Westfalen zu.
Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zunächst darauf hingewiesen, daß die Klage des Klägers in erster Instanz noch unzulässig gewesen ist, da der Kläger auf zukünftige Teilnahme am Bewährungsaufstieg nicht klagen kann und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts die Bewährungszeit noch nicht abgelaufen war. Aus diesem Grunde war auch das arbeitsgerichtliche Urteil aufzuheben. Der in der Berufungsinstanz gestellte Feststellungsantrag ist als üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag zulässig und auch begründet.
Auszugehen ist für die Eingruppierung des Klägers von § 20 BMT-G II, der bestimmt:
"Der Lohn wird nach
a) der Arbeitsleistung, der Art und den
besonderen Umständen der Arbeit,
b) dem Dienstalter,
c) dem Lebensalter,
gebildet.
Welche dieser Lohngrundlagen zugrunde gelegt
werden, wird besonders vereinbart."
Diese besonderen Lohngrundlagen sind geregelt im Rahmentarifvertrag zu § 20 BMT-G II und den hierzu ergangenen Bezirkszusatztarifverträgen, im vorliegenden Fall dem Bezirkszusatztarifvertrag zum BMT-G/NRW, der in der Fassung des 49. Änderungstarifvertrages vom 1. Dezember 1987 gilt. Dort wird in § 4 Abs. 1 bestimmt:
"Der Arbeiter ist in die Lohngruppe des Lohn-
gruppenverzeichnisses im Anhang 2 eingruppiert,
deren Tätigkeitsmerkmalen die von ihm nicht nur
vorübergehend auszuübende überwiegende Tätigkeit
entspricht.
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabs. 1
abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses.
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung
eine Voraussetzung in der Person des Arbeiters
bestimmt, muß auch diese Anforderung entsprechend
erfüllt sein.
Die Lohngruppe ist im Arbeitsvertrag anzugeben.
Ändert sich die Eingruppierung des Arbeiters,
erhält er den Lohn der neuen Lohngruppe vom Beginn
des Monats an, in dem die geänderte Eingruppierung
wirksam wird."
Zu dieser tariflichen Vorschrift sind Protokollnotizen vereinbart worden, denen tariflicher Charakter zukommt und in deren Ziff. 1 u. a. folgendes bestimmt ist:
"Das Erfordernis der Bewährung ist erfüllt, wenn
sich der Arbeiter während der vorgeschriebenen
Bewährungszeit den in der ihm übertragenen Tätig-
keit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt
hat. Auf die vorgeschriebene Bewährungszeit werden
die Zeiten angerechnet, während deren der Arbeiter
in gleicher Berufstätigkeit in einer höheren Lohn-
gruppe eingruppiert war."
Anspruch auf Vergütung nach Lohngr. VI kann der Kläger ausweislich von Abschnitt d) dieser Lohngruppe nur erhalten als
"Arbeiter der Lohngr. V Abschnitt a) Nr. 1
und Abschnitte b) und c) nach sechsjähriger
Bewährung in dieser Lohngruppe."
Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts. Zutreffend war er nämlich seit Ablegen der Prüfung als Berufskraftfahrer am 5. Juni 1982 in Abschnitt c) der Lohngr. V des Lohngruppenverzeichnisses und nicht, wie die Beklagte meint, in Abschnitt d) der Lohngr. V eingruppiert, die insoweit lauten:
"Abschnitt c)
Arbeiter mit Spezialtätigkeit, die ihre besondere
Fähigkeit durch ein Prüfungszeugnis, das den Zeug-
nissen gemäß Abschnitt a) gleichwertig ist, nach-
gewiesen haben:
.....
7.a) Kraftwagenfahrer mit erfolgreich abgeschlos-
sener Ausbildung nach der Berufskraftfahrer-
Ausbildungsordnung,
.....
Abschnitt d)
Arbeiter mit Spezialtätigkeit, die ihre besondere
Fähigkeit durch ein Prüfungszeugnis, das den Zeug-
nissen gemäß Abschnitt a) gleichwertig ist, nach-
gewiesen haben:
.....
3. Kraftwagenfahrer nach Ablegung einer beson-
deren Prüfung."
Zu Abschnitt d) Ziff. 3 ist folgende Protokollerklärung vereinbart worden:
"Die besondere Prüfung für Kraftwagenfahrer hat
sich auf eine fachgerechte Erledigung einer prak-
tischen Aufgabe zum Nachweis der Kenntnisse der
Zusammenhänge des Funktionsablaufs des Fahrzeugs
und auf die Durchführung kleinerer Reparaturen
(Pannenhilfe) zu erstrecken.
Die Prüfung kann frühestens nach einer einjährigen
Kraftwagenfahrertätigkeit im Betrieb abgelegt
werden.
Eine in anderen Betrieben ausgeübte, durch Zeug-
nisse nachgewiesene Kraftwagenfahrertätigkeit
kann ganz oder teilweise angerechnet werden.
Die Prüfung ist vor der Kommission abzulegen, die
für die Abnahme der Werkprüfungen zuständig ist
(siehe Protokollerklärung Nr. 1 zu Lohngr. IV).
Auf die Ablegung der Prüfung kann bei Kraftwagen-
fahrern verzichtet werden, die Inhaber einer
Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und zur
Führung von Kraftfahrzeugen i. S. von § 15 d
Abs. 1 Ziff. 1 und 3 StVZO berechtigt sind."
TEXTDer Kläger ist als Fahrer eines Saugdrucktankwagens als Kraftwagenfahrer tätig. Ursprünglich hatte er im Jahre 1975 nur die Prüfung nach der Protokollnotiz zu Abschnitt d) Ziff. 3 abgelegt und somit die Tätigkeitsmerkmale der Ziff. 3 dieses Abschnittes der Lohngr. V erfüllt, aus der er am Bewährungsaufstieg nach Lohngr. VI nicht teilnimmt. Der Kläger hat dann aber die Ausbildung als Berufskraftfahrer erfolgreich abgeschlossen und erfüllt damit als Kraftwagenfahrer auch die Voraussetzungen der Ziff. 7 a) des Abschnitts c) der Lohngr. V. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten setzt dieses Tätigkeitsmerkmal nicht voraus, daß die Tätigkeit überwiegend der Berufskraftfahrerausbildung im Gegensatz zur Ablegung einer besonderen Prüfung nach der Protokollnotiz entsprechen müsse. Vielmehr wird nach diesen Tätigkeitsmerkmalen nur verlangt, daß der Kläger überwiegend als Kraftwagenfahrer tätig ist und dazu die Berufskraftfahrerausbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Damit unterscheiden sich die Tätigkeitsmerkmale von Abschnitt c) Ziff. 7 a und Abschnitt d) Ziff. 3 nur durch die unterschiedliche Ausbildung und Prüfung. Das wird dadurch bestätigt, daß in beiden Abschnitten die allgemeinen Voraussetzungen für Arbeiter mit Spezialtätigkeit wörtlich völlig übereinstimmen. Als solche Spezialtätigkeit wird dann nach dem Tarifvertrag der Kraftwagenfahrer in beiden Fällen angesehen und erhält Vergütung nach Abschnitt c) Ziff. 7 a, wenn er die Berufskraftfahrerausbildung erfolgreich abgeschlossen hat und Vergütung nach Abschnitt d) Ziff. 3, wenn er nur die verwaltungseigene Prüfung abgelegt hat. Das ergibt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages, aus dem zu entnehmen ist, daß die in Abschnitt c) ebenso wie in Abschnitt d) aufgeführten Arbeiter Spezialtätigkeiten im Sinne des Tarifvertrages verrichten. Besonders deutlich wird das etwa für Flughafenarbeiter in speziellen Tätigkeiten, für Kranführer mit besonderen Aufgaben oder für Maschinisten an großen und wichtigen Maschinen sowie für Monteure, Baggerführer und Flugzeugabfertiger, die besondere Arbeiten zu verrichten haben. Demgegenüber werden Kraftwagenfahrer nur nach der Ausbildung unterschieden. Daraus ist zu entnehmen, daß Kraftwagenfahrer mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Berufskraftfahrer am Bewährungsaufstieg teilnehmen, nicht dagegen Kraftwagenfahrer mit einer bloßen verwaltungseigenen Prüfung. Tätigkeiten sind in beiden Fällen nur die Arbeiten als Kraftwagenfahrer, wobei im vorliegenden Fall noch hinzukommt, daß der Kläger als Kraftwagenfahrer auch ein Sonderfahrzeug im Sinne der Berufskraftfahrerausbildung fährt, weil er Fahrer eines Saugdrucktankwagens ist. Die Tarifvertragsparteien honorieren damit die besondere spezielle Ausbildung durch Teilnahme am Bewährungsaufstieg, was rechtlich möglich ist und auch sonst Eingruppierungen im öffentlichen Dienst entspricht. So ist es ohne weiteres möglich, daß sowohl Fachschulingenieure wie Hochschulingenieure dieselbe Tätigkeit als entsprechende Tätigkeit verrichten und trotzdem unterschiedlich vergütet werden. Entsprechendes gilt hier. Arbeiter mit Spezialtätigkeiten als Kraftfahrer nehmen am Bewährungsaufstieg teil, wenn sie die Berufskraftfahrerausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, und können nicht am Bewährungsaufstieg teilnehmen, wenn sie nur eine verwaltungseigene Prüfung ablegten, die damit von den Tarifvertragsparteien nicht entsprechend hoch bewertet wird. Das ist auch durchaus sachgerecht, weil Berufskraftfahrer mit entsprechender Ausbildung vielseitiger eingesetzt werden können und zudem auch im Reparatur- und Wartungsdienst besser ausgebildet sind als Kraftwagenfahrer mit nur verwaltungseigener Prüfung.
Kommt es damit aber für die Eingruppierung des Klägers nur auf die überwiegend ausgeübte Tätigkeit als Kraftwagenfahrer mit der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung als Berufskraftfahrer an, nimmt der Kläger auch am Bewährungsaufstieg nach Lohngr. VI teil. Das Landesarbeitsgericht hat zwar von seinem Standpunkt aus zu Recht offengelassen, ob sich der Kläger auch bewährt hat. Der Kläger hat aber ausdrücklich vorgetragen, er habe sich bewährt, indem er sich den Anforderungen gewachsen gezeigt habe, seine Tätigkeit unbeanstandet ausübte und sogar belobigt worden sei. Demgegenüber müßte die Beklagte substantiiert bestreiten, daß sich der Arbeiter den Anforderungen nicht gewachsen gezeigt hat. Erst ein solches substantiiertes Bestreiten würde dazu führen, daß der Arbeiter wieder die Beweislast für seine Bewährung hätte (vgl. BAG Urteil vom 4. November 1969 - 4 AZR 550/68 - AP Nr. 7 zu § 23 a BAT). Ein solches Bestreiten der Beklagten liegt nicht vor. Sie hat vielmehr nur keine Veranlassung gesehen, Feststellungen zum Bewährungsaufstieg zu treffen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß der Kläger sich bewährt hat und war der Klage in der in der Berufungsinstanz gestellten Form stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZP0.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Koerner Dr. Apfel
Fundstellen