Entscheidungsstichwort (Thema)
Feste Altersgrenze und Höchstbegrenzung der Versorgung
Normenkette
BetrAVG §§ 1-2; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 29.08.1985; Aktenzeichen 7 Sa 149/85) |
ArbG München (Urteil vom 14.12.1984; Aktenzeichen 27 Ca 14071/82) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. August 1985 – 7 Sa 149/85 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Betriebsrente.
Die Klägerin, geboren am 13. Dezember 1921, war vom 1. Juli 1967 bis zum 30. Juni 1982 mit einer Unterbrechung von 14 Monaten bei der B. GmbH & Co. KG (BLV) beschäftigt. Sie bezieht seit dem 1. Juli 1982 ein vorzeitiges Altersruhegeld aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe von 546,10 DM monatlich sowie von der Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von 362,45 DM monatlich.
Grundlage der Betriebsrentenzahlung sind die „Richtlinien für Leistungen der Unterstützungskasse der C. und BLV GmbH vom 16. Dezember 1969”. Darin ist bestimmt:
§ 1
Die Unterstützungskasse gewährt gem. § 2 der Satzung den Betriebsangehörigen und den ehem. Betriebsangehörigen sowie deren Hinterbliebenen freiwillig Beihilfen. Diese Beihilfen sind:
1. Laufende Versorgungsbeihilfen.
a) Altersrenten von der Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bei Frauen von der Vollendung des 60. Lebensjahres an,
b) – d) …
§ 2
Die Gewährung einer Altersrente ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Vollendung des 35. Lebensjahres,
- mindestens 10-jährige Tätigkeit bei einer der Firmen: C., BLV und aller ihr angeschlossenen Tochter- und Schwestergesellschaften (einschl. Regiebetrieb),
- Ausscheiden aus dem Dienst unmittelbar mit 65 bzw. 60 Jahren (§ 1 Ziff. 1 a),
- das Einkommen des Antragstellers aus Sozialversicherungsrenten und sonstigen Rentenbezügen darf 75 % der Bruttobezüge des letzten Jahres nicht übersteigen, …
§ 3
1. Die Altersrente setzt sich aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammen. Der Grundbetrag beträgt DM 50,– im Monat.
2. Nach Vollendung des 65. Lebensjahres werden keine Dienstjahre mehr angerechnet.
3. Die Altersrente wird erstmals für den Monat gezahlt, der auf das Ausscheiden aus dem Dienst der Firma folgt, letztmalig für den Sterbemonat. Der Steigerungsbetrag ist von der Höhe der versteuerten Bezüge der letzten 5 Jahre (z.Zt. 42 1/2 Wochenstunden) und der Dauer des rentenfähigen Dienstalters abhängig.
Der Steigerungsbetrag in Prozenten der erwähnten Durchschnittsbezüge beträgt nach
10 Dienstjahren |
20 % |
für jedes weitere angefangene Dienstjahr |
1 1/2 % |
bis zum Höchstbetrag von |
DM 500,– bei bis zu 20 Dienstj. |
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DM 750,– bei bis zu 30 Dienstj. |
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DM 1.000,– über 30 Dienstjahre, |
Die nach § 3 Nr. 1 und Nr. 3 Abs. 1 dieser Richtlinien errechnete Betriebsrente der Klägerin übersteigt selbst nach zeitanteiliger Kürzung den für sie geltenden Höchstbetrag von 500,– DM monatlich. Die Differenz zwischen gezahlter Betriebsrente und Höchstbetrag hat die Klägerin mit der Klage geltend gemacht.
Sie hat vorgetragen: Eine Kürzung ihrer Rente unter den Höchstbetrag komme nicht in Betracht. Bei vorzeitigem Ausscheiden sei die Klausel nur insoweit anzuwenden, wie die ratierlich gekürzte Rente die Obergrenze übersteige.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie ab 1. Juli 1982 einen weiteren monatlichen Betriebsrentenbetrag, jeweils fällig zum 1. eines jeden Monats, in Höhe von 137,55 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, § 3 Nr. 3 der Versorgungsrichtlinien stelle eine Berechnungsvorschrift dar, die eine ratierliche Kürzung unter den Höchstbetrag wegen vorzeitigen Ausscheidens nicht hindere. Soweit in den Richtlinien für Frauen die Vollendung des 60. Lebensjahres genannt sei, werde nicht eine feste Altersgrenze bestimmt, sondern lediglich die Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens eröffnet, allerdings mit der Folge, daß die Betriebsrente dann zeitanteilig zu kürzen sei. Ohne diese Kürzung würden Mitarbeiter mit längerer Dienstzeit benachteiligt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klägerin eine monatliche Betriebsrente von 500,– DM erdient hat, die nicht zeitanteilig zu kürzen ist.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach der Versorgungsregelung der Beklagten hätten Frauen schon beim Ausscheiden mit der Vollendung des 60. Lebensjahres einen Anspruch auf die bis dahin erdiente Altersrente. Die Klägerin habe sämtliche Voraussetzungen der Versorgungszusage erfüllt. Sie sei nach mehr als 10-jähriger Betriebszugehörigkeit und nach Vollendung des 60. Lebensjahres ausgeschieden. Die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen sei erkennbar gewollt und der bei Erlaß der Versorgungsrichtlinien geltenden Rechtslage in der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt worden. Der Höhe nach sei der Anspruch ebenfalls gerechtfertigt. Bei rund 14 Dienstjahren errechne sich ein Betrag von monatlich 581,02 DM, der auf den Höchstbetrag von 500,– DM monatlich zu kürzen sei.
Die Revision wiederholt die Auffassung, die Höchstbegrenzungsklausel sei eine reine Berechnungsvorschrift, die bei vorzeitigem Ausscheiden eine weitere ratierliche Kürzung zulasse. Zwar werde in den Richtlinien Frauen schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres die Möglichkeit eröffnet, die Betriebsrente zu erhalten, jedoch sei auch diesen die Möglichkeit geblieben, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu arbeiten. Daraus folge, daß nur bei einer Dienstzeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Vollrente beansprucht werden könne. Die Entscheidung des Berufungsgerichts führe zu dem nicht zu billigenden Ergebnis, daß Arbeitnehmer schon frühzeitig ihre künftigen Betriebsrenten berechnen und trotz geringerer Betriebstreue dieselbe Betriebsrente erwarten könnten wie länger arbeitende Mitarbeiter. Wenn Arbeitnehmer vor dem 60. bzw. 65. Lebensjahr ausschieden, sei die Rente ratierlich im Verhältnis der erreichten zur bis zum Lebensalter 65 erreichbaren Dienstzeit zu kürzen.
2. Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis zu folgen. Die Begründung der Revision überzeugt nicht.
a) In der Argumentation sowohl des Berufungsgerichts als auch der Parteien werden unterschiedliche Rechtsfragen nicht scharf voneinander getrennt. Die erste Frage geht dahin, was als feste Altersgrenze i. S. des § 2 Abs. 1 BetrAVG zu verstehen ist und welche Rechtsfolgen sich aus der Annahme einer festen Altersgrenze für die Rentenhöhe ergeben. Die andere Frage betrifft die Bedeutung von Höchstbegrenzungsklauseln, mit denen unterschiedliche Zwecke verfolgt werden können, etwa die Ermittlung einer erreichbaren Gesamtversorgung oder die Verhinderung einer Überversorgung (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 24. Juni 1986 – 3 AZR 630/84 – DB 1987, 691 = EzA § 6 BetrAVG Nr. 10 m.w.N.). Entscheidend für den vorliegenden Rechtsstreit ist allein die Frage, ob die Versorgungsrichtlinien der Beklagten eine vorgezogene feste Altersgrenze für Frauen vorsehen. Da dies der Fall ist, kann die Frage offenbleiben, wie sich die Höchstbegrenzungsklausel bei einer zeitanteiligen Rentenkürzung auswirkt.
b) Der Senat hat sich wiederholt zu dem Begriff der festen Altersgrenze geäußert (BAGE 42, 414, 418 = Ap Nr. 15 zu § 7 BetrAVG, zu 4 b der Gründe; Urteil vom 12. November 1985 – 3 AZR 600/83 – zu I 1 der Gründe; Urteil vom 24. Juni 1986 – 3 AZR 645/84 – zu III 1 b der Gründe; die beiden letzten Urteile sind zur Veröffentlichung bestimmt). In § 2 Abs. 1 BetrAVG bezeichnet das Merkmal die Höchstdauer des Arbeitsverhältnisses, die für den Erwerb der Vollrente erreicht werden muß. Es hat damit die Funktion eines Berechnungsfaktors für die Bestimmung des erdienten Teils einer Versorgungsanwartschaft. Der Begriff der festen Altersgrenze ist von dem der „flexiblen Altersgrenze” zu unterscheiden, die es nach § 6 BetrAVG dem Arbeitnehmer ermöglicht, ohne Rücksicht auf die im Versorgungsvertrag vorgesehene feste Altersgrenze vorzeitig vom Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu verlangen. Vertraglich können diese gesetzlichen Begriffe nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abgeändert werden, etwa, wie die Beklagte vorträgt, als Bezeichnung des Zeitpunkts, in dem das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung oder Auflösungsvertrag automatisch enden soll. Deswegen hat der Senat in der Auseinandersetzung mit Blomeyer/Otto (BetrAVG, § 2 Rz 60) betont, in einer Versorgungsregelung bestimme eine Altersgrenze nur, wann die Vollrente erdient sein soll (Urteil vom 12. November 1985, aaO, zu I 1 der Gründe).
Kann die Rente bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Vollendung des 65. Lebensjahres aus Altersgründen in Anspruch genommen werden, ohne daß die Versorgungsordnung Abschläge für die vorzeitige Rentenzahlung vorsieht, so ist dieser Zeitpunkt als vorgezogene feste Altersgrenze anzusehen. Eine solche Regelung zeigt, daß das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu dem vorgezogenen Zeitpunkt erwartet wird. Auch wenn der Arbeitnehmer in diesem Fall als sog. „technischer Rentner” weiterarbeiten und sogar zusätzliche Steigerungsraten erdienen kann, ändert dies nichts daran, daß der genannte Zeitpunkt als regelmäßiges Ende des aktiven Arbeitslebens angesehen wird, in dem die Vollrente erdient ist (im Ergebnis wohl ebenso Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., § 2 Rz 36 ff.).
c) Hieran gemessen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, daß die vorliegend umstrittene Versorgungsregelung für Frauen eine vorgezogene feste Altersgrenze vorsieht. Die Bestimmungen in § 1 Nr. 1 a und § 2 c der Richtlinien vom 16. Dezember 1969 regeln nicht, welche Betriebsrente bei Inanspruchnahme der flexiblen Altersgrenze gewährt werden soll. Hier soll es den Frauen schon aufgrund der vertraglichen Versorgungsregelung ermöglicht werden, mit Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollrente zu erreichen, also bis zu 75 % der letzten Bruttobezüge oder denjenigen Betrag, der sich aus den Berechnungsvorschriften des § 3 der Richtlinien ergibt. Abschläge für die Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres sind nicht vorgesehen.
3. Die Klägerin hat am 13. Dezember 1981 das 60. Lebensjahr vollendet; sie hatte damit am 30. Juni 1982 eine Rente erdient, die nicht mehr zeitanteilig zu kürzen war. Da sie beim Ausscheiden eine Dienstzeit von 20 Jahren nicht überschritten hatte, ist ihre Rente auf den Höchstbetrag von 500,– DM monatlich zu begrenzen.
II. Die Erwägungen der Revision gehen dahin, daß eine solche Auslegung der Versorgungsrichtlinien zu sozialpolitisch nicht wünschenswerten Ergebnissen führe. Es ist zuzugeben, daß die Richtlinien mit den Höchstbegrenzungen bei 20, 30 und mehr Dienstjahren erhebliche Einschnitte vornehmen, die unterhalb der jeweiligen Höchstgrenze zu Nivellierungen der Betriebsrenten führen müssen. Die Dauer der Betriebstreue bleibt teilweise unberücksichtigt. Das ist jedoch von der Versorgungsordnung selbst so gewollt. Rechtsgrundsätze werden dadurch nicht verletzt.
Daß die hier umstrittene Versorgungsordnung gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoße, ist nicht behauptet worden. Ein solcher Verstoß ist auch nicht zu erkennen, da die Frauen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter arbeiten können. Ob männliche Versorgungsberechtigte diskriminiert werden, kann offen bleiben (vgl. dazu jetzt BVerfG Urteil vom 2.8. Januar 1987 – 1 BvR 455/82 – BB 1987, 619 f.), da sich darauf jedenfalls die versorgungspflichtige Beklagte gegenüber den weiblichen Arbeitnehmern nicht berufen kann (Urteil vom 12. November 1985, aaO, zu II der Gründe).
Unterschriften
Dr. Dieterich, Schaub, Griebeling, Dr. Schwarze, Grimm
Fundstellen