Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer leitenden Unterrichtsschwester
Leitsatz (amtlich)
- Klageänderungen sind in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise ist auch noch in der Revisionsinstanz der Übergang von der Leistungsklage zur Feststellungsklage dann möglich, wenn es keines neuen Tatsachenvortrages mehr bedarf und das rechtliche Interesse nach § 256 Abs. 1 ZPO sich aus dem vom Landesarbeitsgericht beurteilten Streitstoff ergibt.
- Die Leitung einer Krankenpflegeschule durch eine leitende Unterrichtsschwester ist ein Arbeitsvorgang.
- Für alle zu dieser Leitungsaufgabe gehörigen Tätigkeiten gelten ausschließlich die besonderen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Krankenpflegepersonal aus der Anlage 1b der Vergütungsordnung zum BAT. Die Bestimmungen des Allgemeinen Teils der Vergütungsordnung kommen nach dem auch hier geltenden Spezialitätsprinzip nicht zur Anwendung.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; BAT Anlage 1b VergGr. Kr. X; ZPO § 561; GG Art. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 28.02.1985; Aktenzeichen 9 Sa 631/84) |
ArbG Kassel (Urteil vom 20.03.1984; Aktenzeichen 5 Ca 2/84) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 1985 – 9 Sa 631/84 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist ausgebildete Krankenschwester. Nach erfolgreicher Weiterbildung zur Unterrichtsschwester steht sie seit dem 1. Oktober 1978 als Leiterin der Krankenpflegeschule/Kinderkrankenpflegeschule der Städtischen Kliniken K… (vormals Städtisches Ausbildungsinstitut für Krankenpflege genannt) in den Diensten der Beklagten. Die Parteien haben einzelvertraglich die Geltung des BAT und der diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge vereinbart. Die Klägerin bezieht Vergütung nach VergGr. Kr X der Anlage 1b zum BAT für Angestellte im Pflegedienst.
Der Krankenpflegeschule organisatorisch angegliedert ist die unter Leitung von Professor Dr. R… stehende Hebammenschule. Neben eigener achtstündiger wöchentlicher Lehrverpflichtung obliegt der Klägerin als Vorgesetzter von 13 – 14 hauptberuflich angestellten Unterrichtskräften die verantwortliche Leitung der Krankenpflegeschule auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen sowie nach Maßgabe der betrieblichen Anweisung für die Krankenpflegeschule/Kinderkrankenpflegeschule der Städtischen Kliniken K…. An der Krankenpflegeschule, die 180 Ausbildungsplätze in der Krankenpflege und 45 Ausbildungsplätze in der Kinderkrankenpflege umfaßt, werden durchschnittlich 265 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Hinzu kommen 20 Schüler der angegliederten Hebammenschule. Im einzelnen gehören zu den Aufgaben der Klägerin:
Differenzierung der globalen Feststellungen des Krankenpflegegesetzes und des hessischen Lernzielkataloges,
Anweisungen über die Schwerpunkte des jeweiligen Stoffgebietes an die haupt- und nebenberuflichen Unterrichtskräfte,
Auswahl der Lehrkräfte nach fachlichen und pädagogischen Kriterien,
Kontrolle und Überwachung des Unterrichts sowie der sonstigen Tätigkeiten der Lehrkräfte,
didaktisch-methodische Beratung der Lehrkräfte,
Weiterbildung und Information der Lehrkräfte,
Durchführung von Lehrer-, Klassen- und Schulkonferenzen,
Erstellen eines theoretischen und praktischen Ausbildungsplanes, wobei die theoretische und praktische Ausbildung planmäßig aufeinander abgestimmt sein müssen,
sachliche und pädagogische Vorbereitung der Prüfungen,
Durchführung und Nachbereitung von Zwischen- und Abschlußprüfungen im theoretischen und praktischen Ausbildungsbereich,
Organisation der Prüfungen einschließlich Auswahl geeigneter Patienten und Planung des gesamten Prüfungsablaufes,
Kontrolle, inwieweit die Prüfungsvoraussetzungen gegeben sind,
Protokollierung der Prüfungen,
Notengebung und Beurteilung der Prüfungsergebnisse,
Folgegespräche mit Schülern und Prüfern,
Beratung der Schüler und Lehrkräfte bei pädagogischen und persönlichen Schwierigkeiten,
Erstellung von Dokumentationssystemen für den theoretischen und praktischen Unterricht,
Ausstellen von Ausbildungsnachweisen,
Erstellen von Beurteilungen,
Entwurf von Beurteilungskriterien und Beurteilungsbögen für die praktische Ausbildung,
Sichten und Austeilen von Lehrplänen,
Ausüben der Mentorentätigkeit für Hochschulpraktikanten,
Beurteilen und Beaufsichtigen der Lehrproben,
Vertretung der Schule nach innen und außen,
Organisieren von Studienfahrten und sonstigen Veranstaltungen,
erweiterte Verantwortung aus dem Umstand, daß 50 % der Krankenpflegeschüler das Abitur mitbringen sowie
Vorgesetztenfunktionen bei sonstigen Mitarbeitern der Schule.
Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an sie ab 1. September 1983 Vergütung nach VergGr. Ia BAT zu zahlen. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Tätigkeit entspreche der eines Schulleiters im Bereiche der öffentlichen Schulen und sei daher auch demgemäß zu vergüten. Die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für den Pflegedienst seien dafür nicht anwendbar. Sie würden ihrer Aufgabenstellung nur teilweise und jedenfalls unzureichend gerecht. Ausmaß und Bedeutung ihrer Tätigkeit seien von den Tarifvertragsparteien in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise verkannt worden. Unberücksichtigt bleibe dabei insbesondere ihre große Verantwortung für die Auswahl der Lehrkräfte nach fachlichen und pädagogischen Kriterien, für die Kontrolle und Überwachung des Unterrichts, für didaktischmethodische Beratungen, die Weiterbildung und Information der Lehrkräfte sowie das Prüfungswesen im weitesten Sinne. Demgemäß hat die Klägerin beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab 1. September 1983 Vergütung nach VergGr. Ia BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die Klägerin werde tarifgerecht vergütet. Ihre Tätigkeit unterfalle den Merkmalen für den Pflegedienst und nicht denjenigen des Allgemeinen Teils der Vergütungsordnung. Das ergebe sich aus dem auch innerhalb der Vergütungsordnung des BAT geltenden Spezialitätsprinzip. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die Ausgestaltung der Ausbildungsverhältnisse in der Krankenpflege überwiegend betrieblich-praktisch sei. Demgemäß seien auch die Krankenpflegeschulen in den allgemeinen Klinikbetrieb und nicht das öffentliche Schulwesen eingebunden. Personelle und wirtschaftliche Angelegenheiten der Krankenpflegeschule seien ohnehin Sache des Verwaltungsdirektors der Städtischen Kliniken. Die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Kr X BAT Fallgruppe 3 umfaßten auch alle Aufgaben der Klägerin. Von einer Tariflücke oder einem Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz könne nicht die Rede sein.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin im Wege der Klageänderung mit einem entsprechenden Leistungsantrag nur noch den Differenzbetrag zwischen ihrer tatsächlichen und der Vergütung nach VergGr. Ia BAT für die Monate September bis Dezember 1983 in Höhe von monatlich 1.661,33 DM verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
In der Revisionsinstanz hat die Klägerin ihren in der ersten Instanz gestellten Feststellungsantrag wiederholt und auf den Anspruchszeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 1983 beschränkt. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Mit zutreffender Begründung hat das Landesarbeitsgericht entschieden, daß es für das Klagebegehren keine Rechtsgrundlage gibt.
In der Revisionsinstanz ist die Klägerin bezüglich des in der Berufungsinstanz allein noch streitbefangenen Anspruchszeitraumes vom 1. September bis 31. Dezember 1983 von der Leistungsklage zur Feststellungsklage übergegangen. Allgemein ist das verfahrensrechtlich nicht möglich, sondern stellt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung dar (vgl. das Urteil des Senats vom 8. September 1971 – 4 AZR 405/70 – AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT mit weiteren Nachweisen). Gleichwohl ist aus besonderen Gründen der konkreten Fallgestaltung vorliegend dieser Wechsel der Klageart in der Revisionsinstanz zulässig. Ausnahmsweise halten nämlich die obersten Bundesgerichte in Übereinstimmung mit der Rechtslehre auch in der Revisionsinstanz den Übergang von der Leistungsklage zur Feststellungsklage dann für verfahrensrechtlich möglich und zulässig, wenn einmal zur Begründung des Feststellungsantrages der Vortrag neuer Tatsachen nicht mehr notwendig ist und sich außerdem schon aus dem bisherigen Streitstoff, d.h. aus dem berufungsgerichtlichen Urteil bzw. dem Sitzungsprotokoll, das Rechtsschutzinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ergibt (vgl. das Urteil des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Mai 1967 – 3 AZR 295/66 – AP Nr. 20 zu § 133 f GewO, die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 4. Mai 1961 – III ZR 222/59 – LM Nr. 27 zu § 561 ZPO und 9. November 1965 – V ZR 84/63 – DB 1966, 978 sowie Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 19. Aufl., § 561 II 1c).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zu dem von der Klägerin in der Revisionsinstanz vorgenommenen Wechsel von der Leistungsklage zur Feststellungsklage bedarf es keines weiteren und ergänzenden Tatsachenvortrages. Aus dem vom Berufungsgericht gewürdigten Streitstoff ergibt sich zugleich auch das rechtliche Interesse für den Feststellungsantrag der Klägerin nach § 256 Abs. 1 ZPO. Insoweit handelt es sich nämlich um eine in der öffentlichen Verwaltung allgemein übliche und anerkannte Eingruppierungsfeststellungsklage, die den gesamten “Status” des Angestellten mitumfaßt. Entscheidend ist schließlich, daß die Klägerin den in der Revisionsinstanz gestellten Feststellungsantrag bereits beim Arbeitsgericht gestellt und dieses (für den unveränderten Sachverhalt) das Rechtsschutzinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bejaht hatte.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Parteien einzelvertraglich die Geltung des BAT und der diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge vereinbart. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllende Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von der Klägerin für sich beanspruchten VergGr. Ia BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsachlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (vgl. die Urteile des Senats vom 29. Januar 1986 – 4 AZR 465/84 –, 19. März 1986 – 4 AZR 642/84 – und 16. April 1986 – 4 AZR 595/84 –, alle zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen im Anschluß an die ständige Senatsrechtsprechung).
Zwar befassen sich beide Vorinstanzen mit der Frage der Arbeitsvorgänge der Klägerin nicht. Das ist jedoch unschädlich. Der Senat hat nämlich in Eingruppierungsprozessen die rechtliche Möglichkeit, die Arbeitsvorgänge eines Angestellten selbst zu bestimmen (vgl. die Urteile des Senats vom 29. Januar 1986 – 4 AZR 465/84 – und 16. April 1986 – 4 AZR 595/84 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen im Anschluß an die ständige Senatsrechtsprechung). Dazu liegen vorliegend auch die erforderlichen Tatsachenfeststellungen durch die Vorinstanzen vor. Danach wird die Klägerin zum weitaus größten Teil ihrer Gesamtarbeitszeit als Leiterin der Krankenpflegeschule/Kinderkrankenpflegeschule bei den Städtischen Kliniken in K… beschäftigt, während sie daneben selbst noch wöchentlich acht Stunden unterrichtet. Die Leitung der Krankenpflegeschule/Kinderkrankenpflegeschule ist die Innehabung und Ausübung einer leitenden Funktion. Schon deswegen bilden alle dazu gehörigen Einzelaufgaben der Klägerin einen Arbeitsvorgang. Sie dienen nämlich durchweg dem einheitlichen Arbeitsergebnis der Schulleitung, wobei alle entsprechenden Zusammenhangstätigkeiten der Klägerin einzurechnen sind und die Verwaltungsübung, d.h. die Aufgabenverteilung zwischen der Klägerin und sonstigen Bediensteten, feststeht. Im Hinblick auf das einheitliche Arbeitsergebnis und die Funktion der Klägerin können ihre diversen Leitungsaufgaben nicht weiter nach tatsächlichen Gesichtspunkten aufgeteilt werden. Sie sind auch tarifrechtlich einheitlich zu bewerten (vgl. das Urteil des Senats vom 23. Januar 1985 – 4 AZR 14/84 – AP Nr. 99 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen).
Mit dem Landesarbeitsgericht ist von den Merkmalen der VergGr. Kr X BAT Fallgruppe 3 aus dem Teil 1b der Vergütungsordnung auszugehen, wonach zu vergüten sind
Krankenschwestern/Krankenpfleger/Kinderkrankenschwestern als leitende Unterrichtsschwestern/Unterrichtspfleger an Krankenpflegeschulen oder Kinderkrankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe mit durchschnittlich mindestens 180 Lehrgangsteilnehmern,
wozu die selbst mit Tarifcharakter ausgestattete Protokollnotiz Nr. 16 gilt, worin bestimmt wird:
Leitende Unterrichtsschwestern/Unterrichtspfleger sind Unterrichtsschwestern/Unterrichtspfleger, denen neben den sonstigen Leitungsaufgaben auch die Verantwortung für die Auswahl der Bewerber, für die Aufstellung des Stundenplanes, für die Einteilung der Lehrkräfte im theoretischen Unterricht, für die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in der praktischen Ausbildung und für die Vorbereitung der Prüfung nach §§ 13, 14h Krankenpflegegesetz übertragen ist.
Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß die Leitungstätigkeit der Klägerin, die den weitaus größten Teil ihrer Gesamtarbeitszeit ausmacht, unter die zuvor dargestellten tariflichen Tätigkeitsmerkmale fällt, so daß die Klägerin schon deswegen die mit der Klage begehrte Vergütung nicht verlangen kann. Zwar sprechen die Tarifvertragsparteien darin nicht von “Schulleitern”, wie sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit bezeichnet, sondern von “leitenden Unterrichtsschwestern” bzw. “leitenden Unterrichtspflegern”. Das ist jedoch unschädlich. Mit der Kennzeichnung als “leitende Unterrichtsschwestern” bzw. “leitende Unterrichtspfleger” wollen die Tarifvertragsparteien nämlich nur der bestehenden Praxis Rechnung tragen, wobei sie berücksichtigen, daß Krankenpflegeschulen üblicherweise dem allgemeinen Klinikbetrieb angegliedert sind, demgemäß nicht von Lehrkräften im schulrechtlichen Sinne, sondern von Unterrichtsschwestern oder Unterrichtspflegern geleitet werden, die je nach Größe der Krankenpflegeschule auch selbst Unterricht erteilen, und schon nach § 7 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes alter Fassung Krankenpflegeschulen auch von einer “leitenden Schwester” geleitet werden können.
Die Klägerin ist mit dem Landesarbeitsgericht als “leitende Unterrichtsschwester” in diesem tariflichen Sinne anzusehen. Das folgert das Landesarbeitsgericht zutreffend aus der Protokollnotiz Nr. 16, worin der Begriff der “leitenden Krankenschwester” von den Tarifvertragsparteien selbst definiert wird. Zahlreiche Aufgaben, die die Klägerin im Rahmen der Schulleitung verrichtet, wie die Aufstellung des Stundenplanes, die Einteilung der Lehrkräfte, die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in der praktischen Ausbildung sowie die Prüfungsvorbereitung, werden in der Protokollnotiz Nr. 16 ausdrücklich erwähnt, womit die Tarifvertragsparteien klarstellen, daß sie von den Merkmalen der VergGr. Kr X BAT Fallgruppe 3 erfaßt werden. Dasselbe gilt aber auch für die sonstigen von der Klägerin in ihrem Prozeßvorbringen genannten Leitungsaufgaben wie die Planung der theoretischen und praktischen Ausbildung, die Auswahl, Betreuung und Kontrolle der Lehrkräfte, die Beratung von Schülern, Lehrkräften und sonstigen Mitarbeitern sowie die Erstellung der Beurteilungen. Das ergibt sich schon daraus, daß die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 16 nicht nur konkrete Leitungsaufgaben nennen, sondern diese Tarifnorm ausdrücklich auch auf die “sonstigen Leitungsaufgaben” erstrecken. Damit tragen die Tarifvertragsparteien zugleich dem Umstand Rechnung, daß sich die Leitungsaufgaben, etwa aufgrund veränderter Rechtslage, pädagogischer Erkenntnisse oder fortschreitender Entwicklung in bestimmten Lehrfächern, wandeln und verändern können. Damit nimmt das Landesarbeitsgericht richtig an, daß alle Leitungsaufgaben der Klägerin der VergGr. Kr X BAT Fallgruppe 3 unterfallen. Dabei schließt es mit Recht die entsprechenden Leitungsaufgaben der Klägerin im Rahmen der Hebammenschule mit ein, da diese der Schul- und Krankenhausorganisation nach der Krankenpflegeschule/Kinderkrankenpflegeschule angegliedert ist.
Gelten damit aber aus den dargelegten Gründen für die Klägerin die speziellen tariflichen Tätigkeitsmerkmale aus dem Teil 1b der Vergütungsordnung, so scheiden zu ihren Gunsten die allgemeinen Merkmale aus dem Teil I der Vergütungsordnung schon wegen des insoweit geltenden Spezialitätsprinzips aus, wie sich im einzelnen aus Nr. 1 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen ergibt. Daraus folgt zugleich, daß bezüglich des Personenkreises, zu dem die Klägerin gehört, weder eine bewußte noch eine unbewußte Tariflücke vorliegt.
Entgegen der Meinung der Revision haben sowohl nach dem Tarifwortlaut als auch nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang die Tarifvertragsparteien bei der Abfassung der Merkmale der VergGr. Kr X BAT Fallgruppe 3 dem Umstand Rechnung getragen, daß eine leitende Unterrichtsschwester regelmäßig sowohl die eigentlichen Leitungsaufgaben wahrnimmt als auch daneben selbst Unterricht erteilt, wobei erfahrungsgemäß das Ausmaß der eigenen Unterrichtstätigkeit mit zunehmender Größe der jeweiligen Krankenpflegeschule entsprechend abnimmt. Damit berücksichtigen die Tarifvertragsparteien zugleich die ihnen bekannte praktische Tarifübung in Vergangenheit und Gegenwart. § 22 BAT ist entgegen der Meinung der Klägerin für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungslos, zumal ohnehin alle Leitungsaufgaben der Klägerin einen großen Arbeitsvorgang bilden.
Entgegen den weiteren Ausführungen der Revision verstößt die anzuwendende Tarifnorm hinsichtlich des Personenkreises, zu dem die Klägerin gehört, auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Ein Verstoß gegen diesen Verfassungsgrundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumen, bei der Normierung tariflicher Vorschriften tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise hätten Berücksichtigung finden müssen (vgl. das Urteil des Senats vom 23. April 1986 – 4 AZR 128/85 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, sowie BAG 42, 231, 237 = AP Nr. 71 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des Senats).
Diese Voraussetzungen eines Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz sind vorliegend nicht erfüllt. Dabei übersieht die Klägerin bereits, daß die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen auf der einen und den Krankenpflegeschulen auf der anderen Seite jeweils von erheblichen Unterschieden gekennzeichnet sind. Während die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen den Schulgesetzen der Bundesländer unterliegen, unterfallen die Krankenpflegeschulen dem staatlichen Medizinalrecht. Auch die Ausbildungs- und Prüfungserfordernisse in beiden Schultypen weisen beträchtliche Unterschiede auf. Dasselbe gilt für die Ausbildung der jeweiligen Lehrkräfte und den praktischen Schulbetrieb, wobei besonders berücksichtigt werden muß, daß der spezielle Schulbetrieb der Krankenpflegeschulen nur die praktische Ausbildung der Lehrgangsteilnehmer begleitet und unterstützt. Demgemäß hat auch der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (mit Beschluß vom 27. Januar 1983 – GmS OGB 2/82 – NJW 1983, 2070) entschieden, die Ausbildungsverhältnisse der Krankenschwestern seien nicht schulisch, sondern arbeitsrechtlichbetrieblich ausgestaltet. Auch im Verhältnis der Klägerin zu sonstigen Unterrichtsschwestern, mögen sie nun selbst Leitungsaufgaben wahrnehmen oder nicht, kann entgegen den Andeutungen der Klägerin von einem Verstoß der Tarifvertragsparteien gegen Art. 3 GG nicht die Rede sein.
Schließlich übersieht die Revision, daß es den staatlichen Gerichten für Arbeitssachen versagt ist, tarifliche Normen auf ihre allgemeine Zweckmäßigkeit sowie auf ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB hin zu überprüfen (vgl. das Urteil des Senats vom 6. Februar 1985 – 4 AZR 275/83 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, mit weiteren Nachweisen).
Vielmehr ist es ausschließlich Angelegenheit der Tarifvertragsparteien, für die leitenden Unterrichtsschwestern bzw. Unterrichtspfleger besonders großer Krankenpflegeschulen bei entsprechendem Bedarf bzw. gewandelten Anforderungen neue und besondere tarifliche Tätigkeitsmerkmale einzuführen, wie sie für leitende Krankenschwestern in besonders großen Anstalten bzw. Pflegebereichen mit einer hohen Zahl von Pflegepersonen bereits bestehen (vgl. VergGr. Kr XI Fallgruppe 1 und VergGr. Kr XII BAT).
Die Kosten ihrer erfolglosen Revision trägt die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Feller, Peter Jansen, Lehmann
Fundstellen
Haufe-Index 872427 |
BAGE, 8 |