Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Weihnachtszuwendung. Erziehungsurlaub
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Januar 1995 – 10 Sa 755/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Weihnachtszuwendung für das Jahr 1993.
Die Klägerin war seit dem 18. April 1984 im Friseurbetrieb des Beklagten beschäftigt, zunächst als Auszubildende, dann als Friseuse.
Auf das Arbeitsverhältnis fand im Klagezeitraum der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über Weihnachtszuwendungen an Arbeitnehmer/innen im Friseurhandwerk im Lande Nordrhein-Westfalen (gültig ab 1. Januar 1993) vom 17. Dezember 1992 (im folgenden: TV-Weihnachtszuwendung) Anwendung.
Dieser Tarifvertrag lautet, soweit vorliegend von Interesse:
„§ 2
Anspruchsvoraussetzung
(1) Der/Die Arbeitnehmer/in erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er/sie
- am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und
- nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
(2) Der/Die Arbeitnehmer/in, dessen/deren Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. November endet, erhält eine Zuwendung, wenn er/sie seit dem 1. Juli ununterbrochen in einem Betrieb des Unternehmens oder des Betreibers beschäftigt war und wenn er/sie wegen
- Erreichens der Altersgrenze,
- Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit,
- einer Körperbeschädigung, die ihn/sie zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unfähig macht oder
einer in Ausübung oder in Folge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung, die seine/ihre Arbeitskraft für längere Zeit wesentlich herabsetzt,
ausgeschieden ist oder
wegen Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes nach § 1248 Abs. 1 RVO, § 25 Abs. 1 AVG oder § 48 Abs. 1 Nr. 1 RKG
gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.
…
(4) Wenn das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr mindestens 5 Monate bestanden hat und vor dem 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres aufgrund einseitiger Erklärung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin wegen Erziehungsurlaubes ruht, erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin in diesem Kalenderjahr eine Zuwendung gemäß § 3.
§ 3
Höhe der Zuwendung
(1) |
Die Zuwendung beträgt |
für das Jahr 1993 |
40 v. H. |
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für das Jahr 1994 |
45 v. H. |
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ab dem Jahr 1995 |
50 v. H. |
des Tariflohnes für den Monat November, der dem/der Arbeitnehmer/in zugestanden hätte, wenn er/sie während des gesamten Monats November gearbeitet hätte.
(2) Der/Die Arbeitnehmer/in, der/die am Stichtag 1. Dezember einem Betrieb des Unternehmers oder Betreibers noch keine fünf Monate angehört, erhält für jeden vollen Monat der Beschäftigung 1/12 der Zuwendung nach Absatz 1.”
Dieser Tarifvertrag hatte den vorhergehenden Tarifvertrag über Weihnachtszuwendungen vom 23. Mai 1990 (gültig ab 1. August 1990) insoweit abgeändert, als an Stelle der dortigen Protokollerklärung zu § 2:
„Die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub aufgrund einseitiger Erklärung des Arbeitnehmers schließt den Anspruch auf Zahlung der Zuwendung in diesem Zeitraum nicht aus.”
der jetzige Absatz 4 in § 2 des TV-Weihnachtszuwendung eingefügt wurde.
Nach der Geburt ihres Kindes und dem Ablauf der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz nahm die Klägerin ab dem 14. Mai 1993 Erziehungsurlaub in Anspruch.
Mit Schreiben vom 12. Januar 1994 verlangte sie vom Beklagten die Zahlung der tariflichen Weihnachtszuwendung in Höhe von 40 % ihres Tariflohnes. Dies lehnte der Beklagte ab, worauf die Klägerin Klage zum Arbeitsgericht erhob.
Sie hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 900,00 DM brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, der Klägerin stehe deshalb kein Anspruch auf die geforderte Weihnachtszuwendung zu, weil sie im Jahre 1993 nicht mindestens fünf Monate tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht habe. Dies setze § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung für einen Weihnachtszuwendungsanspruch eines in Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmers voraus.
Es sei Absicht der Tarifvertragsparteien gewesen, den bisherigen ungeschmälerten Anspruch von Arbeitnehmern im Erziehungsurlaub auf eine Weihnachtszuwendung zu begrenzen. Nach der Neuregelung durch § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung sollten Arbeitnehmer, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, eine Weihnachtszuwendung nur dann erhalten, wenn ihr Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr mindestens fünf Monate nicht auf Grund des Erziehungsurlaubes geruht habe. Sollte dies im Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung nicht klar zum Ausdruck kommen, so liege insoweit ein Redaktionsversehen vor.
Das Arbeitsgericht hat eine Tarifauskunft der Tarifvertragsparteien u.a. zu der Frage eingeholt, welcher Sinn der in § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung geregelten Anspruchsvoraussetzung, das Arbeitsverhältnis müsse mindestens fünf Monate im Kalenderjahr bestanden haben, zukomme und ob von einem Redaktionsversehen auszugehen sei. Die tarifschließende Bezirksverwaltung NW II der ÖTV hat darauf u.a. mitgeteilt, unter Würdigung der Gesamtumstände sei ein Redaktionsversehen nicht auszuschließen, während der tarifschließende Innungsverband des Friseurhandwerks Westfalen-Lippe mitteilte, daß nach seiner Auffassung kein Redaktionsversehen vorliege.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht für das Jahr 1993 die geforderte Weihnachtszuwendung nach dem TV-Weihnachtszuwendung in Höhe von 900,00 DM brutto zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch der Klägerin mit der Begründung bejaht, sie erfülle die Voraussetzungen für eine Weihnachtszuwendung nach § 2 Abs. 1 TV-Weihnachtszuwendung. Ein Ausschluß dieses Anspruches gemäß § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung greife deshalb nicht ein, weil ihr Arbeitsverhältnis im Jahre 1993 im Tarifsinne „mindestens fünf Monate bestanden” habe. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut sei Voraussetzung für die Zahlung einer tariflichen Weihnachtszuwendung nur, daß das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr fünf Monate bestanden habe, nicht jedoch, daß die Klägerin fünf Monate lang eine Arbeitsleistung erbracht habe. Für eine anderweitige Auslegung des Tarifvertrages sei kein Raum. Insbesondere komme ein vom Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung abweichender Wille der Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag nicht zum Ausdruck. Auch ein Redaktionsversehen könne auf Grund der vom Arbeitsgericht eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
1. Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV-Weihnachtszuwendung für eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 40 % eines Tariflohnes, § 3 Abs. 1 TV-Weihnachtszuwendung, für das Jahr 1993 in der unstreitigen Höhe von 900,00 DM brutto.
Am 1. Dezember 1993 stand die Klägerin in einem – wenn auch auf Grund des Erziehungsurlaubes ruhenden – Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten, § 2 Abs. 1 Buchst. a) TV-Weihnachtszuwendung. Außerdem schied sie nicht bis einschließlich 31. März 1994 aus dem Arbeitsverhältnis aus, § 2 Abs. 1 Buchst. b) TV-Weihnachtszuwendung.
2. Die in § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung enthaltene Sonderregelung für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub zum Ruhen gekommen ist, führt für die Klägerin zu keinem Anspruchsausschluß.
a) Nach dieser Tarifnorm ist das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf Grund des Erziehungsurlaubes für den Weihnachtsgeldanspruch dann unschädlich, wenn das Arbeitsverhältnis „im laufenden Kalenderjahr mindestens fünf Monate bestanden hat.”
Der Meinung des Beklagten, die Tarifvertragsparteien hätten mit der Verwendung des Begriffes „bestanden hat” zum Ausdruck gebracht, Voraussetzung für eine Weihnachtszuwendung sei, daß der Erziehungsurlaub in Anspruch nehmende Arbeitnehmer vor dem 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres mindestens fünf Monate tatsächlich gearbeitet und somit nicht nur in einem ruhenden Arbeitsverhältnis gestanden habe, kann nicht gefolgt werden.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Wille der Erklärung, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den Tarifvorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (so zuletzt: BAG Urteil vom 28. Juni 1995 – 10 AZR 490/94 – n. v., m.w.N.).
c) Der TV-Weihnachtszuwendung gebraucht in § 2 Abs. 4 den Begriff „das Arbeitsverhältnis hat bestanden”. Das „Bestehen eines Arbeitsverhältnisses” ist ein in der Rechtssprache gebräuchlicher Begriff; so wird er z.B. in § 1 Abs. 1 KSchG und in § 622 Abs. 2 BGB verwendet. Darunter wird allgemein der rechtliche Bestand eines Arbeitsverhältnisses, d.h. das Vorliegen arbeitsvertraglicher Beziehungen im Sinne des § 611 BGB zwischen den Parteien verstanden. Nicht hingegen wird mit dem Begriff „Bestehen eines Arbeitsverhältnisses” gemeint, daß auf Grund des rechtlichen Bestandes eines Arbeitsverhältnisses auch eine tatsächliche Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer erbracht worden sein muß. Vielmehr wirken sich tatsächliche Unterbrechungen der Beschäftigung (z.B. Krankheit, Urlaub) auf den „Bestand des Arbeitsverhältnisses” regelmäßig nicht aus (vgl. KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 622 BGB Rz 107; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 61; Eylert, LzK 830 KSchG – Geltungsbereich Rz 59).
Auch der Senat hat in seinen Urteilen vom 10. Mai 1995 (– 10 AZR 650/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) und vom 14. Juni 1995 (– 10 AZR 394/94 – n. v.) entschieden, daß sogar der in einem Tarifvertrag verwendete Begriff des „Tätigseins” in einem Unternehmen nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht nur die tatsächliche Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer, sondern auch generell den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu einem Unternehmen bezeichnet.
Das Ruhen eines Arbeitsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub durch den Arbeitnehmer führt ebenfalls nicht zu einer Unterbrechung des „Bestandes” eines Arbeitsverhältnisses, weil durch dieses Ruhen lediglich die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Vergütungs- und die Arbeitspflicht suspendiert sind, während die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis fortbestehen (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG). Damit „besteht” auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis weiter.
d) Verwenden Tarifvertragsparteien ohne weitere Erläuterung einen in der Rechtssprache gebräuchlichen Begriff, wie hier denjenigen des „Bestehens eines Arbeitsverhältnisses”, so kann davon ausgegangen werden, daß sie ihn im allgemein anerkannten Sinne verstanden wissen wollen (BAGE 62, 35, a.a.O.; BAG Urteil vom 9. August 1995 – 10 AZR 944/94 – n. v.).
Dies hat zur Folge, daß vom Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung ausgehend diese Tarifnorm zu keinem Anspruchsausschluß führt, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Jahre 1993 vor dem 1. Dezember dieses Jahres über fünf Monate „bestanden” hatte.
e) Dafür, daß die Tarifvertragsparteien mit der tariflichen Regelung einen vom Wortlaut abweichenden Zweck verfolgt haben, sind weder aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang noch aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung hinreichende Anhaltspunkte zu entnehmen.
Wie sich aus dem Rundschreiben des Innungsverbandes für das Nordrheinische Friseurhandwerk vom 21. Dezember 1992 und des Innungsverbandes des Friseurhandwerks Westfalen-Lippe vom selben Tage an die jeweiligen Mitgliedsinnungen ergibt, gehen diese als Tarifvertragsparteien davon aus, daß der mit Wirkung ab 1. Januar 1993 neu in den TV-Weihnachtszuwendung eingefügte § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung im Gegensatz zur auf Grund der Protokollerklärung zu § 2 des TV-Weihnachtszuwendung vom 23. Mai 1990 geltenden früheren Rechtslage dazu führt, daß ab 1993 eine Weihnachtszuwendung nur im ersten Jahr des Erziehungsurlaubs gezahlt werden muß und auch nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis in diesem Jahr mindestens fünf Monate bestanden hat.
Diese Erklärung kann so verstanden werden, daß die Arbeitgeber bei der Vereinbarung des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung von der Vorstellung ausgegangen sind, durch die dort verwendete Formulierung „das Arbeitsverhältnis mindestens fünf Monate bestanden hat” komme zum Ausdruck, für einen Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung sei Voraussetzung, daß das Arbeitsverhältnis im ersten Kalenderjahr, in dem Erziehungsurlaub genommen werde, mindestens fünf Monate nicht infolge des Erziehungsurlaubes geruht habe.
Neben dem entgegenstehenden eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung hat diese Vorstellung der Arbeitgeberseite im Gesamtzusammenhang des TV-Weihnachtszuwendung aber keinen Niederschlag gefunden. Selbst wenn auch die tarifschließende Gewerkschaft diese Vorstellung geteilt haben sollte, so ist sie dennoch für die tarifunterworfenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber objektiv aus dem Tarifvertrag nicht erkennbar und somit letztlich auch nicht beachtlich geworden (vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Je eindeutiger eine Tarifnorm nach ihrem Wortlaut ist, um so klarer muß sich nämlich ein von diesem Wortlaut abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien aus dem Gesamt Zusammenhang des Tarifvertrages ergeben. Tarifverträge enthalten nämlich Rechtsnormen. Die normunterworfenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen erkennen können, welchen Regelungsinhalt die Tarifnormen haben. Sie können nicht auf Auskünfte der Tarifvertragsparteien verwiesen werden. Sofern Normunterworfene nicht zu Objekten heruntergestuft werden sollen, müssen die Normen aus Wortlaut und Zusammenhang unter Berücksichtigung ihrer Geschichte verständlich sein (BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 224/93 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Kirchen).
f) Von einer dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung widersprechenden Regelungsabsicht der Tarifvertragsparteien kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil es etwa für diese Tarifnorm keine einleuchtenden Gründe gäbe.
Erkennbar sollte nach § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung die bisherige Protokollerklärung zu § 2 TV-Weihnachtszuwendung vom 23. Mai 1990 ersetzt werden. Nach dieser Protokollerklärung war die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub für den Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung völlig unschädlich.
Durch § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung wurde diese Regelung eingeschränkt. Voraussetzung für einen Anspruch ist nunmehr, daß das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der vor dem 1. Dezember des Kalenderjahres Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt, in diesem Jahr mindestens fünf Monate bestanden hat. Das heißt bei Arbeitnehmern, die diese Mindestzeit nicht aufweisen können, entfällt ein Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung vollständig. Arbeitnehmer, die ohne Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub dem Betrieb am 1. Dezember eines Kalenderjahres noch keine fünf Monate angehört haben, erhalten im Gegensatz dazu für jeden vollen Monat der Beschäftigung ein Zwölftel der Weihnachtszuwendung, § 3 Abs. 2 TV-Weihnachtszuwendung.
Diese Schlechterstellung von Arbeitnehmern, die vor dem 1. Dezember eines Kalenderjahres Erziehungsurlaub in Anspruch genommen haben, wird allerdings nur eine sehr beschränkte Zahl von Arbeitnehmern betreffen. Es kann sich bei diesen Arbeitnehmern nämlich nur um Väter handeln, die Erziehungsurlaub beanspruchen, oder um Erziehungsurlaub in Anspruch nehmende Mütter, die bereits in einem späten Stadium der Schwangerschaft in den Betrieb eingetreten sind. Dennoch kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es für diese tarifliche Regelung, welche in der Praxis nur ganz unerhebliche Auswirkungen hat, aus der Sicht der Tarifvertragsparteien keinerlei einleuchtende Gründe gegeben haben kann. So ist nicht auszuschließen, daß es sich bei einer solchen Regelung um ein geringfügiges Entgegenkommen der Gewerkschaftsseite bezüglich des Wunsches nach noch deutlicherer Einschränkung des Weihnachtszuwendungsanspruches im Falle der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub durch die Arbeitgeberseite gehandelt hat.
g) Ein Redaktionsversehen im eigentlichen Sinne liegt demnach nicht vor. Von einem solchen kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Tarifvertragsparteien über eine bestimmte Regelung inhaltlich einig gewesen sind und nur versehentlich dieser übereinstimmende Wille durch eine falsche oder unterlassene Formulierung im Tarifvertrag nicht zum Ausdruck gekommen ist. Voraussetzung für die Annahme eines Redaktionsversehens ist es aber, daß sich dieses „Versehen” zweifelsfrei - auch für die Tarifunterworfenen - aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages ergibt (vgl. oben II 2 e).
Dies ist aber vorliegend nicht der Fall.
3. Ob die von den tarifschließenden Innungsverbänden des Friseurhandwerks vertretene Rechtsansicht zutrifft, daß auf Grund des neugefaßten § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung, ab dem zweiten Kalenderjahr, in dem Erziehungsurlaub genommen wird, in keinem Fall eine Zuwendung mehr gezahlt werden muß, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Wegen des nicht eindeutigen Wortlauts der tariflichen Regelung wäre auch insoweit eine unzweideutige Formulierung des Tarifvertrages empfehlenswert.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen