Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutterschaftsurlaub. Kürzung von tarifvertraglichen Sonderzahlungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine jährliche tarifvertragliche Sonderzahlung darf wegen der Fehlzeiten in der Mutterschutzfrist nicht anteilig gekürzt werden (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, vergleiche BAG 13.10.1982, 5 AZR 370/80 = BAGE 40, 221 = AP Nr 114 zu § 611 BGB Gratifikation).
2. Dagegen sind tarifvertragliche Regelungen zulässig, die zu einer Verringerung einer Jahressonderzahlung durch Zeiten des Mutterschaftsurlaubs führen.
Insoweit ist darauf abzustellen, ob die Leistung des Arbeitgebers ganz oder teilweise Entgeltcharakter hat oder ob etwa die Betriebstreue belohnt werden soll, die durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während des Mutterschaftsurlaubs nicht berührt wird.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 2, 2 und 5 des Tarifvertrages über betriebliche Sonderzahlungen (13. Monatseinkommen) für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie vom 17.10.1983 (Baden-Württemberg).
Normenkette
TVG § 1; MuSchG §§ 14, 8b, 8c, 8d, 8a, 13 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.07.1985; Aktenzeichen 13 Sa 128/84) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 19.06.1985; Aktenzeichen 11 Ca 51/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie sich die Zeit des Mutterschaftsurlaubs auf die Berechnung einer tarifvertraglichen Sonderzahlung (13. Monatseinkommen) auswirkt.
Die Klägerin ist seit September 1974 als Arbeiterin bei dem Beklagten beschäftigt. Sie war im Jahre 1982 schwanger. In der Zeit vom 8. Dezember 1982 bis zum 25. März 1983 befand sie sich in der Schutzfrist vor und nach der Geburt und anschließend bis zum 31. Juli 1983 im Mutterschaftsurlaub. Danach hat sie weitergearbeitet.
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft Holz und Kunststoff, die Beklagte Mitglied des Verbandes der Württembergischen Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung.
Die Klägerin stützt ihre Klageforderung auf den "Tarifvertrag über tarifliche Sonderzahlungen (13. Monatseinkommen)" vom 17. Oktober 1983, an den die Parteien durch Organisationszugehörigkeit gebunden sind und der auszugsweise wie folgt lautet:
"...
§ 2
1. Für Arbeitnehmer nach § 1, die jeweils am 01. De-
zember eines Jahres in einem Arbeitsverhältnis
stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb oder
Unternehmen ununterbrochen mehr als zwölf volle
Kalendermonate angehören, betragen die betrieb-
lichen Sonderzahlungen
ab dem Kalenderjahr 1983:
nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit 42 %
nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit 52 %
nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit 60 %
eines nach dem Durchschnitt der abgerechneten Lohn-
bzw. Gehaltszahlungszeiträume, die voll in das lau-
fende Kalenderjahr fallen, berechneten Monatsein-
kommens.
...
5. Krankheitszeiten, für die der Arbeitgeber wegen
Überschreitung des 6-Wochen-Zeitraumes keine
Lohn-, bzw. Gehaltsfortzahlung mehr geleistet
hat, werden bei Arbeitnehmern mit einer Be-
triebszugehörigkeit von mindestens 36 Monaten
aus dem Berechnungszeitraum des Monatseinkommens
ausgenommen.
6. Der letzte abgerechnete Lohn- und Gehaltszeitraum
ist nur dann in die Berechnung des durchschnitt-
lichen Monatseinkommens einzubeziehen, wenn zwi-
schen dem Zahltag und dem Auszahlungstag der
Sonderzahlung ausreichend Zeit für die Berechnung
der Sonderzahlung gegeben ist.
§ 3
1. Das monatliche Durchschnittseinkommen ist aus dem
im Berechnungszeitraum für tatsächlich geleistete
Arbeit erzielten Verdienst einschließlich Urlaubs-
entgelt und Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung im
Krankheitsfall sowie bei Kuren und Schonungszeiten
zu errechnen, jedoch ohne zusätzliches Urlaubsgeld,
vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers, Aus-
lösungen, Reisespesen, Zuschüsse des Arbeitgebers
zum Kranken- und Mutterschaftsgeld sowie zum Kurz-
arbeitergeld, zur Kranken-, Renten- und befreienden
Lebensversicherung, anrechenbare Leistungen gemäß
§ 6 und sonstige, nicht zu den eingangs aufgeführten
Leistungen gehörige Zahlungen, insbesondere aller
freiwilligen sozialen Leistungen.
§ 5
Die Auszahlung erfolgt zwischen dem 20. November
und 10. Dezember, sofern durch Betriebsverein-
barung nicht anderes geregelt.
..."
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß die Klägerin nach einer Betriebszugehörigkeit von 36 Monaten im Jahr 1983 gemäß § 2 Ziff. 1 des Tarifvertrages Anspruch auf 60 % eines Monatseinkommens hat. Sie streiten jedoch darüber, ob sich durch die Mutterschutzfrist und den Mutterschaftsurlaub das Monatseinkommen als Berechnungsgrundlage hierfür mindert.
Die Klägerin will die Zeit der Mutterschutzfrist und des Mutterschaftsurlaubs nicht in den Berechnungszeitraum einbeziehen und den Verdienst nur durch die Anzahl der Monate teilen, in denen sie gearbeitet hat. Aus dem Wortlaut des § 2 Ziff. 1 des Tarifvertrages entnimmt sie, daß lediglich auf den abgerechneten Lohnzahlungszeitraum abzustellen sei. Da sie nach dem Mutterschaftsurlaub erst ab 1. August 1983 wieder gearbeitet habe, sei ihr Lohn in den Monaten August, September und Oktober in Höhe von unstreitig 5.876,50 DM nur durch diese drei Monate zu teilen, so daß sich ein durchschnittliches Monatseinkommen von 1.958,83 DM errechne und sie hiervon 60 % als Sonderzahlung (= 823,29 DM) beanspruchen könne. Die Klägerin hat daher einen dementsprechenden Klageantrag gestellt.
Die Beklagte hat ihren Antrag auf Klageabweisung damit begründet, daß nach § 2 des Tarifvertrages auch die Fehlzeiten in den Berechnungszeitraum einzubeziehen seien und der Lohn durch die Anzahl aller Kalendermonate im Abrechnungszeitraum geteilt werden müsse. Danach ergebe sich ein durchschnittliches Monatseinkommen von (5.876,50 DM : 10 Monate =) 587,-- DM, von dem die Klägerin 60 % (= 352,-- DM) verlangen könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klageforderung zuerkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil wie folgt abgeändert: Es hat im Berechnungszeitraum zu dem tatsächlichen Arbeitsverdienst ab 1. August 1983 den Lohn hinzugerechnet, den die Klägerin in der Mutterschutzfrist bis zum 25. März 1983 erzielt hätte, und hat nur die Zeit des Mutterschaftsurlaubs als anspruchsmindernd angesehen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin und verfolgt mit der zugelassenen Revision ihr ursprüngliches Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts wirkt sich die Schutzfrist im Anschluß an die Entbindung nicht anspruchsmindernd aus. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine jährliche Sonderzahlung wegen der Fehlzeiten in der Mutterschutzfrist nicht anteilig gekürzt werden darf (Urteil vom 13. Oktober 1982 - 5 AZR 370/80 - BAG 40, 221, 226 f. = AP Nr. 114 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 3 und 4 der Gründe). Hierzu hat die Vorinstanz ausgeführt: In der Schutzfrist hätte die Klägerin 5.477,80 DM verdient, wenn sie gearbeitet hätte. Dieser fiktive Verdienst ergebe mit dem Lohn aus der Zeit von August bis Oktober 1983 von 5.876,50 DM zusammen in dem Berechnungszeitraum von zehn Monaten 11.354,30 DM. Dieser Gesamtbetrag sei durch zehn Kalendermonate im Berechnungszeitraum zu teilen, so daß sich ein durchschnittliches Monatseinkommen von (11.354,30 DM : 10 =) 1.135,43 DM brutto errechne und die Klägerin 60 % hiervon (= 681,26 DM) beanspruchen könne. Da sie schon 352,-- DM brutto von der Beklagten erhalten habe, seien ihr nur noch 329,26 DM brutto zuzuerkennen.
Damit hat die Vorinstanz die Zeit des Mutterschaftsurlaubs im Rahmen der tariflichen Regelung als anspruchsmindernd angesehen. Die Angriffe der Revision hiergegen sind nicht begründet.
II. 1. Die Anspruchsvoraussetzungen für die von der Klägerin verlangte Sonderzahlung sind ausschließlich in dem Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen (13. Monatseinkommen) vom 17. Oktober 1983 geregelt (im folgenden TV-Sonderzahlungen genannt). Nach § 2 Ziff. 1 dieses Tarifvertrages ist von einem Monatseinkommen als Berechnungsgrundlage für die Sonderzahlung auszugehen. Das Monatseinkommen ist "nach dem Durchschnitt der abgerechneten Lohn- bzw. Gehaltszahlungszeiträume, die voll in das laufende Kalenderjahr fallen", zu ermitteln. Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend einen durchgehenden Berechnungszeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 1983 zugrunde gelegt. Das rechtfertigt sich aus der Auslegung des § 2 Ziff. 1 und Ziff. 6 in Verbindung mit § 5 des TV-Sonderzahlungen:
Tarifverträge sind wie Gesetze auszulegen; dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen und sodann der Sinn und Zweck der Tarifnorm zu ermitteln. Danach ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (BAG Urteil vom 30. September 1971 - 5 AZR 123/71 - AP Nr. 121 zu § 1 TVG Auslegung, zu 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Juli 1980 - 4 AZR 560/78 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt; BAG 40, 221, 224 = AP Nr. 114 zu § 611 BGB Gratifikation, zu I 1 a der Gründe).
Nach § 5 des TV-Sonderzahlungen erfolgt die Auszahlung in der Zeit zwischen dem 20. November und 10. Dezember des laufenden Jahres. Hierfür können folglich nur die vorhergehenden Monate als Abrechnungszeitraum maßgebend sein, endend mit dem Monat Oktober des laufenden Jahres. Dieser Zeitraum kann sich nur durch Abrechnungsschwierigkeiten verkürzen (§ 2 Ziff. 6 TV- Sonderzahlungen), wenn bis zum Auszahlungstag die Abrechnung nicht mehr zeitgerecht erfolgen kann. Bis zum Monat Oktober des laufenden Jahres sind nach § 2 Ziff. 1 TV-Sonderzahlungen "die voll in das laufende Kalenderjahr" fallenden Gehaltszahlungszeiträume zu berücksichtigen. Hieraus muß entnommen werden, daß der Berechnungszeitraum mit dem 1. Januar eines laufenden Jahres beginnt und sich durchgehend bis einschließlich Oktober des laufenden Jahres erstreckt. Hierfür spricht auch die Regelung in § 2 Ziff. 2 TV-Sonderzahlungen, wonach sich dieser Berechnungszeitraum nur für solche Arbeitnehmer verkürzt, die erst im laufenden Kalenderjahr in ein Beschäftigungsverhältnis eintreten.
In dem jährlichen Berechnungszeitraum ist sodann das durchschnittliche Monatseinkommen nach den "abgerechneten Lohn- bzw. Gehaltszahlungszeiträumen" zu berechnen. Diese Bestimmung wird durch § 3 Ziff. 1 TV-Sonderzahlungen ergänzt, wonach zur Ermittlung des monatlichen Durchschnittseinkommens nur der im Berechnungszeitraum "für tatsächlich geleistete Arbeit erzielte Verdienst" zu berücksichtigen ist. Wenn hiernach aber im Bezugszeitraum nur der tatsächlich erarbeitete Verdienst berücksichtigt wird, dann führt dies zwangsläufig dazu, daß Fehlzeiten und durch Kurzarbeit verringertes Entgelt sich bei einer solchen Bezugsmethode anspruchsmindernd auswirken (vgl. Dersch/Neumann, BUrlG, 6. Aufl., § 11 Rz 4). Diese Auslegung wird durch die tarifliche Regelung in § 2 Ziff. 5 TV-Sonderzahlungen bestätigt. Hier haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich bestimmt, welche Fehlzeiten den Anspruch auf die Sonderzahlung im jährlichen Berechnungszeitraum nicht verkürzen, nämlich Krankheitszeiten über sechs Wochen hinaus ohne Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlungsanspruch nach mindestens 36 Monaten Betriebszugehörigkeit. Daraus folgt aber umgekehrt, daß andere Fehlzeiten nicht aus dem Berechnungszeitraum herausgenommen werden dürfen. Dazu rechnet dann zwangsläufig auch der Mutterschaftsurlaub.
Andererseits war den Tarifvertragsparteien die Regelung des Mutterschaftsurlaubs bekannt. Dennoch haben sie sich nicht für eine Gleichstellung mit der Fehlzeitenregelung in § 2 Ziff. 5 des TV-Sonderzahlungen entschieden. Das haben sie ersichtlich auch nicht gewollt, denn sie haben in § 3 TV-Sonderzahlungen bestimmt, daß Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes nicht zu berücksichtigen sind, sondern nur Arbeitsverdienst. Im Mutterschaftsurlaub erhält die freigestellte Arbeitnehmerin aber keinen Arbeitsverdienst, sondern ein (vom Arbeitgeber nicht zu zahlendes) Mutterschaftsgeld (§ 13 Abs. 1 und Abs. 3 MuSchG).
Wenn schließlich in § 2 Ziff. 1 TV-Sonderzahlungen nur auf die "abgerechneten" Lohnzahlungszeiträume abgestellt wird, dann führt das nicht zur Ausklammerung der Fehlzeiten, sondern dient ersichtlich nur der Praktikabilität, weil dann unmittelbar aus der Abrechnung die Höhe des einzelnen Monatsverdienstes abgelesen werden kann. Soweit gesetzliche Regelungen zur Ermittlung des Durchschnittsverdienstes auf die schon abgerechneten Lohnzahlungszeiträume abstellen, wird eine solche Regelung ebenfalls als praktische Handhabung verstanden (vgl. Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 14 Rz 64; BAG Urteil vom 29. September 1971 - 3 AZR 164/71 - AP Nr. 28 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 4 c der Gründe).
2. Der Zielsetzung des Tarifvertrages - nämlich nur den tatsächlich im Berechnungszeitraum erarbeiteten Verdienst zu berücksichtigen - wird man gerade nicht gerecht, wenn man Fehlzeiten in diesen Zeitraum nicht miteinrechnet. Andernfalls würde ein Arbeitnehmer mit erheblichen Fehlzeiten ebenso gestellt wie ein Mitarbeiter, der das ganze Jahr über seine Arbeitsleistung erbracht hat. Zwar vermindern krankheitsbedingte Fehlzeiten die Sonderzahlung nicht, wie sich aus § 3 Ziff. 1 des TV-Sonderzahlungen unmittelbar entnehmen läßt, aber andererseits wirken sich Freistellungen im Mutterschaftsurlaub nach der Regelung dieses Tarifvertrages anspruchsmindernd aus.
Während es den Tarifvertragsparteien versagt ist, Zeiten der Mutterschutzfrist bei der Berechnung einer tariflichen Jahresleistung anspruchsmindernd zu berücksichtigen, gilt das nicht für Zeiten des Mutterschaftsurlaubs. Zwar dürfen sich weder die Mutterschutzfristen - das sind die Zeiten, in denen die Arbeitnehmerin wegen eines Beschäftigungsverbots im Sinne von § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG nicht arbeitet - noch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit dahin auswirken, daß eine jährlich zu zahlende Sonderleistung gekürzt wird (BAG Urteil vom 13. Oktober 1982 - 5 AZR 370/80 -, aaO). Das ist damit begründet worden, daß während der Krankheit und während der Mutterschutzfrist ein unabdingbarer Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls gegen den Arbeitgeber besteht, denn im Falle der Mutterschutzfrist hat der Arbeitgeber nämlich zum Ausgleich der Verdienstminderung während der Fehlzeit einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zu leisten (§ 14 MuSchG). Dieser Gesichtspunkt läßt sich aber nicht auf den Mutterschaftsurlaub übertragen, denn gerade hierfür hat der Arbeitgeber keine Leistung zu erbringen. Die Frau im Mutterschaftsurlaub ist durch den Bezug des Mutterschaftsgeldes nach § 13 Abs. 1 und 3 MuSchG sichergestellt ohne Zuschuß des Arbeitgebers gemäß § 14 des MuSchG. Wenn danach aber der Arbeitgeber von finanziellen Verpflichtungen während des Mutterschaftsurlaubs freigestellt werden sollte, dann sind hiermit tarifliche Regelungen vereinbar, die zur Verringerung einer Jahressonderleistung durch Zeiten des Mutterschaftsurlaubs führen. Der Mutterschaftsurlaub ist nämlich keine Fortsetzung der Schutzfrist, sondern völlig anders ausgestaltet. Wenn der Gesetzgeber die soziale Sicherung während der Schutzfristen im gleichen Umfang im Mutterschaftsurlaub hätte gewähren wollen, dann hätte er die Arbeitsverbotszeiten entsprechend verlängern können, so daß sich ein besonderer Mutterschaftsurlaub erübrigt hätte. Diesen Weg ist er aber bewußt nicht gegangen (vgl. Herschel in Anm. zu BAG Urteil vom 13. Oktober 1982 - 5 AZR 370/80 - AP Nr. 114 zu § 611 BGB Gratifikation, unter II 2).
Demnach können die Tarifvertragsparteien Fehlzeiten infolge des Mutterschaftsurlaubs im Rahmen von Jahressonderleistungen grundsätzlich anspruchsmindernd berücksichtigen. Hiernach kommt es im Einzelfall darauf an, ob die Leistung des Arbeitgebers ganz oder teilweise Entgeltcharakter hat oder ob etwa die Betriebstreue belohnt werden soll, die durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während des Mutterschaftsurlaubs nicht berührt wird (Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., Vorbem. §§ 8 a bis 8 d Rz 30; Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Juni 1986, Anm. 6 c zu § 15 BErzGG).
III. Da die Tarifvertragsparteien zur Zeit über eine Neufassung des TV-Sonderzahlungen verhandeln, steht es ihnen frei, selbst für eine Klarstellung zu sorgen, wie sich der Erziehungsurlaub auf die Berechnung der Jahressondervergütung auswirken soll.
Am 1. Januar 1986 ist nämlich das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (BErzGG) vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2154) inkraft getreten. Der zweite Abschnitt dieses Gesetzes regelt den Erziehungsurlaub für Arbeitnehmer in den §§ 15 bis 21. Dieser Erziehungsurlaub löst den bisher in den §§ 8 a bis 8 d MuSchG geregelten Mutterschaftsurlaub ab. In diesem Rechtsstreit sind aber die Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub noch maßgebend, weil die gesetzliche Neuregelung für die vor dem 1. Januar 1986 geborenen Kinder nicht gilt (§ 39 Abs. 1 BErzGG).
IV. Die Auslegung des geltenden Tarifvertrages ergibt, wie schon dargelegt, daß Fehlzeiten infolge des Mutterschaftsurlaubs bei der Berechnung der Jahressonderleistung anspruchsmindernd wirken. Diese Regelung ist nicht unverhältnismäßig. Wird nicht mehr als ein dem Verhältnis der möglichen Gesamtarbeitszeit zu den Fehlzeiten entsprechender Teilbetrag nicht gewährt, so bestehen dagegen keine grundsätzlichen Bedenken im Rahmen der Zielsetzung des Tarifvertrages, nämlich nur den tatsächlich im Berechnungszeitraum erarbeiteten Verdienst zu berücksichtigen (vgl. Gröninger in Anm. zu BAG Urteil vom 13. Oktober 1982 - 5 AZR 401/80 - AR-Blattei Mutterschutz, Entsch. 64; ähnlich Buchner in Festschrift für Hilger/Stumpf, 1983, S. 61, 73 unter 4 b).
Dr. Gehring Dr. Olderog Schneider
Polcyn Dr. Kalb
Fundstellen
Haufe-Index 440313 |
BB 1987, 405 |
DB 1987, 795-796 (LT1-2) |
ARST 1987, 122-122 (LT1-2) |
JR 1987, 220 |
RdA 1987, 62 |
USK, 86135 (LT1-2) |
AP § 8a MuSchG 1968 (LT1-2), Nr 7 |
AR-Blattei, ES 1220 Nr 83 (LT1-2) |
AR-Blattei, Mutterschutz Entsch 83 (LT1-2) |