Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungszeit im öffentlichen Dienst
Normenkette
BAT-O § 19; Einigungsvertrag Art. 13, 38
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 25. September 1998 – 4 Sa 289/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt die Anrechnung von Zeiten ihrer früheren Tätigkeit als Beschäftigungszeit.
Die Klägerin war vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Januar 1992 im Institut für Halbleiterphysik beschäftigt. Das Institut war eine Einrichtung der Akademie der Wissenschaften der DDR. Das Land Brandenburg führte das Institut nach Art. 38 Abs. 2 Einigungsvertrag (EV) bis zum 31. Dezember 1991 fort. Mit Wirkung vom 1. Januar 1992 wurde die „Institut für Halbleiterphysik GmbH” gegründet. Alleinige Gesellschafterin der GmbH ist das Land Brandenburg.
Die Klägerin ist seit dem 16. November 1992 bei der Beklagten als Bürosachbearbeiterin in der Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) beschäftigt. Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 22. Mai 1997 die Zeiten der Tätigkeit der Klägerin im Institut für Halbleiterphysik nicht als Beschäftigungszeit für die Ermittlung des Zeitpunkts der Jubiläumszuwendung an.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse die Zeiten vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Januar 1992 als Beschäftigungszeit anrechnen. Dies folge aus Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. b der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O für Zeiten vor dem 1. Januar 1991 (fortan: Übergangsvorschriften).
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Dienstjahre der Klägerin vom 1. Januar 1980 bis 31. Januar 1992 im Institut für Halbleiterphysik bei der Ermittlung der Jubiläumszeiten gem. § 19 Übergangsvorschrift Nr. 3 i.V.m. § 39 BAT-O anzurechnen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, weil das Land Brandenburg die Aufgaben des Instituts für Halbleiterphysik nicht übernommen habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
1. Die Klage ist zulässig. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 14. Dezember 1995 – 8 AZR 380/94 – AP BAT-O § 19 Nr. 2, zu II 1 der Gründe; 15. Mai 1997 – 6 AZR 40/96 – BAGE 86, 1; 11. Dezember 1997 – 6 AZR 281/96 – AP BAT-O § 19 Nr. 14) bejaht. Insbesondere hat es zutreffend zugunsten der Klägerin darauf abgestellt, daß die Beklagte die Frage der Anrechnung bereits jetzt für klärungsbedürftig hält, obwohl ein Anspruch der Klägerin auf Jubiläumszuwendung frühestens am 1. Januar 2005 entsteht.
2. Die Klage ist aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Anrechnung ihrer früheren Tätigkeit bei dem Institut für Halbleiterphysik als Beschäftigungszeit nach Nr. 3 der Übergangsvorschriften. Nach dieser Tarifbestimmung werden für die Anwendung des die Jubiläumszuwendungen regelnden § 39 BAT-O auch die nicht unter die Nummern 1 und 2 der Übergangsvorschriften fallenden Zeiten der Tätigkeit bei zentralen oder örtlichen Staatsorganen und ihrer nachgeordneten Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen oder Betrieben, deren Aufgabe bzw. Aufgabenbereiche derselben ein unter den BAT-O fallender Arbeitgeber ganz oder überwiegend übernommen hat, nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 BAT-O als Beschäftigungszeit berücksichtigt. Dies verhilft der Klägerin jedoch nicht zum Erfolg, denn das Land Brandenburg hatte als früherer Arbeitgeber der Klägerin die Aufgaben des Instituts nicht übernommen.
a) Das ehemalige Institut als Einrichtung der Akademie der Wissenschaften der DDR ist durch die Wiedervereinigung als Arbeitgeber weggefallen.
b) Das Institut wurde nicht nach Art. 13 EV überführt. Die Überführung erforderte nicht nur eine vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Tätigkeit. Wurde die Tätigkeit – wie hier – nur vorläufig mit dem Ziel der Auflösung fortgeführt, lag darin keine Überführung i.S.v. Art. 13 EV (BAG 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – BAGE 72, 176; 14. Dezember 1995 – 6 AZR 1042/94 – AP BAT-O § 19 Nr. 6).
c) Das Land Brandenburg hat die Aufgaben des Instituts nicht, auch nicht vorübergehend, übernommen. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifbestimmung.
aa) Das Institut bestand nach Art. 38 Abs. 2 EV bis zum 31. Dezember 1991 als Einrichtung des Landes Brandenburg fort. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 38 Abs. 1 und 2 EV handelt es sich hierbei um eine Übergangslösung, mit welcher die Begutachtung und Anpassung der Einrichtungen in eine gemeinsame Forschungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht werden sollte. Durch die Regelung in Art. 38 Abs. 2 Satz 3 EV, wonach die Forschungsinstitute zunächst bis zum 31. Dezember 1991 als solche der Länder fortbestanden, wurde den Ländern nur die Aufgabe der vorläufigen Fortführung der Forschungsinstitute übertragen, nicht dagegen deren Aufgaben. Die Entscheidung, ob und ggf. wie die Aufgaben der Forschungsinstitute fortgeführt werden sollten, war landesrechtlich zu treffen (Art. 38 Abs. 2 Satz 2 EV). Eine Übernahme der Aufgaben der Forschungsinstitute ist deshalb nur dort erfolgt, wo das Land sich in irgendeiner Weise die Aufgaben der Forschungsinstitute zu eigen gemacht hat, d.h. als Land eine entsprechende Forschung betrieben hat, oder, wo es hat erkennen lassen, daß es künftig eine solche Forschung betreiben möchte (vgl. Senatsurteil 14. Dezember 1995 – 6 AZR 1042/94 – a.a.O.).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Aufgaben des Instituts werden seit dem 1. Januar 1992 von der Institut für Halbleiterphysik GmbH erfüllt. Damit hat das Land Brandenburg nicht, auch nicht kurzfristig, die Aufgaben des Instituts i.S.v. Nr. 2 Buchst. b Übergangsvorschrift zu § 19 BAT-O übernommen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß das Land Brandenburg mit der Gründung einer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten GmbH deutlich gemacht habe, daß es als Land eine entsprechende Forschung nicht betreiben wolle. Mit der Übertragung oder Weiterführung von Forschungsaufgaben auf eine GmbH, die speziell zu diesem Zweck gegründet wurde, hat es vielmehr erkennen lassen, daß es die Forschung in diesem Bereich nicht als landeseigene Aufgabe betrachten und auch nicht als solche betreiben möchte.
bb) Dieses Ergebnis entspricht – auch insoweit ist dem Berufungsgericht zu folgen – dem Sinn und Zweck der Tarifbestimmung. Dieser besteht darin, diejenigen Arbeitnehmer von der Anrechnung auszunehmen, die längere Beschäftigungszeiten nicht hätten, wenn es die deutsche Teilung nicht oder bereits früher ein wiedervereinigtes Deutschland gegeben hätte (vgl. Senatsurteil 14. Dezember 1995 – 6 AZR 1042/94 – a.a.O.). Die Aufgabe der Forschung in dem Institut für Halbleiterphysik wäre dann schon vor 1990 Sache eines landesunabhängigen Forschungsinstituts gewesen. Der Klägerin könnte auch in diesem Fall die frühere Tätigkeit nicht als Beschäftigungszeit bei der Beklagten nach Nr. 3 der Übergangsvorschriften angerechnet werden.
cc) Die GmbH ist nach der Entscheidung des Berufungsgerichts keine Arbeitgeberin, die unter den BAT-O fällt. Insofern kommt es auch für die Frage, ob eine nach Nr. 3 der Übergangsvorschriften erhebliche Übernahme von Aufgaben durch das Land stattgefunden hat, nicht darauf an, daß das Land Brandenburg alleinige Gesellschafterin der GmbH ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Peter Stahlheber, Beus
Fundstellen