Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Jahresleistung - betriebsbedingte Kündigung
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats:
"Kein Anspruch auf anteilige Jahresleistung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag aufgrund betriebsbedingter Kündigung."
2. Auslegung der §§ 3, 4 des Tarifvertrages über Jahresleistung für die chemische Industrie vom 09.03.1995 in der Fassung vom 19.12.1996.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. August 1998 - 3 Sa 11/98
- wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger eine anteilige tarifliche Jahresleistung für das Jahr 1997 zu zahlen.
Der Kläger war vom 13. November 1990 bis zum 30. Juni 1997 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Im Anstellungsvertrag vereinbarten die Parteien, daß der Kläger den tariflichen Bestimmungen entsprechend eine mit Bezügen für den Monat März des kommenden Jahres auszuzahlende tarifliche Jahresleistung (13. Monatseinkommen) erhalte. Der Tarifvertrag über eine Jahresleistung für die chemische Industrie vom 9. März 1995 in der Fassung vom 19. Dezember 1996 (TV-Jahresleistung) enthält folgende Bestimmung:
"§ 3
Der Anspruch auf Jahresleistung setzt voraus, daß sich der
Anspruchsberechtigte am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres
in ungekündigter Stellung befindet; vom Arbeitgeber ausgesprochene
betriebsbedingte Kündigungen oder vertragliche Befristungen aus
betriebsbedingten Gründen berühren den Anspruch nicht.
Arbeitnehmer, die nach dem 30. September des laufenden
Kalenderjahres eingetreten sind, haben keinen Anspruch."
Im Februar 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 1997. Ein folgender Kündigungsrechtsstreit endete mit Abschluß eines Prozeßvergleichs am 19. März 1997, wonach das Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 26. Februar 1997 aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 30. Juni 1997 beendet wurde.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe für das Jahr 1997 eine Jahresleistung nach den Vorschriften des Tarifvertrages über Jahresleistung für die Chemische Industrie vom 9. März 1995 in der Fassung vom 19. Dezember 1996 (TV-Jahresleistung) in Höhe der Hälfte der vollen Jahresleistung zu. Dies ergebe sich aus § 3 Abs. 1 und § 4 Ziffer 4 Abs. 1 TV-Jahresleistung. Gemäß § 3 Abs. 1 2. Halbsatz bestehe ein Anspruch auf eine anteilige Jahresleistung unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Kalenderjahres auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung vor diesem Stichtag geendet habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.612,50 DM brutto nebst 4 %
Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 14.
Juli 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte anteilige tarifliche Jahresleistung. Nach § 3 TV-Jahresleistung sei grundsätzlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Kalenderjahres erforderlich, so daß im Austrittsjahr grundsätzlich kein Anspruch auf eine (anteilige) Jahresleistung bestehe. Dies gelte auch, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung vor dem 31. Dezember des Jahres beendet worden sei. § 3 Abs. 1 2. Halbsatz normiere keine Ausnahme von dem Erfordernis des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses am Stichtag, sondern begründe lediglich eine Ausnahme vom Erfordernis eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses.
Nach einer durch das Landesarbeitsgericht von den Tarifvertragsparteien des TV-Jahresleistung eingeholten Auskunft sind sowohl der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V., die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft der Ansicht, der Anspruch auf die anteilige Jahresleistung sei auch beim Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nur dann begründet, wenn das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des jeweiligen Jahres noch bestehe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte anteilige tarifliche Jahresleistung für 1997.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte anteilige Jahresleistung. § 3 TV-Jahresleistung sei dahingehend auszulegen, daß auch im Fall des Ausscheidens aufgrund einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung ein Anspruch auf eine Sonderzahlung nur dann gegeben sei, wenn das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des entsprechenden Kalenderjahres noch bestehe. Für eine betriebsbedingte Kündigung sei lediglich eine Ausnahme von dem Erfordernis des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses, nicht aber vom Stichtagserfordernis geschaffen worden. Zwar spreche der - nicht eindeutige - Wortlaut der Regelung eher für die vom Kläger vertretene Auffassung. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergäben sich jedoch hinreichend deutliche Anhaltspunkte für den von den Tarifvertragsparteien übereinstimmend mitgeteilten Regelungswillen, wonach auch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigung oder nach Ablauf einer betriebsbedingten Befristung ein Anspruch vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig sein solle. Nach § 3 Abs. 2 TV-Jahresleistung hätten diejenigen Arbeitnehmer, die nach dem 30. September des Kalenderjahres eingetreten seien, keinen Anspruch auf eine (anteilige) Sonderleistung. Der Anspruch hänge damit davon ab, daß das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate im Kalenderjahr bestanden habe. Ginge man nunmehr davon aus, daß ein Anspruch bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers nach einer kürzeren Vertragsdauer aufgrund des Ablaufs einer betriebsbedingten Befristung bestünde, läge eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. § 3 Abs. 1 TV-Jahresleistung sei daher verfassungskonform auszulegen.
B. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine anteilige tarifliche Jahresleistung für 1997, da er vor dem 31. Dezember 1997 aufgrund betriebsbedingter Kündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
1. Der kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anzuwendende TV-Jahresleistung lautet in § 4:
1. Die volle Jahresleistung beträgt 95 % eines tariflichen
Monatsentgelts (monatlicher Entgeltsatz gemäß dem jeweiligen
bezirklichen Entgelttarifvertrag für die Chemische Industrie)
und für Auszubildende 95 % einer tariflichen
Ausbildungsvergütung.
...
3. Im Eintrittsjahr erhält der Berechtigte für jeden vollen
Kalendermonat, in dem er für mindestens 12 Arbeitstage
Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung oder
Entgeltfortzahlung hat, ein Zwölftel der Jahresleistung,
sofern das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis vor dem 1.
Oktober begonnen hat.
4. In den nachfolgenden Kalenderjahren besteht ein Anspruch in
Höhe von einemZwölftel der Jahresleistung für jeden
Kalendermonat, in dem der Berechtigte für mindestens 12
Arbeitstage Anspruch auf Entgelt, Ausbildungsvergütung oder
Entgeltfortzahlung hat.
Durch längere Arbeitsunfähigkeit wird der Anspruch auf die
Jahresleistung nicht gemindert, wenn der Berechtigte im
laufenden Kalenderjahr mindestens einen Monat zusammenhängend
gearbeitet hat.
Im Kalenderjahr des Beginns oder der Rückkehr aus dem
Erziehungsurlaub besteht Anspruch auf die volle
Jahresleistung, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr
mindestens drei Monate zusammenhängend gearbeitet hat. ...
5. Berechtigte, die mit oder nach Erreichen der Altersgrenze
in der gesetzlichen Rentenversicherung, wegen
Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit aus dem Betrieb
ausscheiden, erhalten die ungekürzte Jahresleistung, wenn sie
im Austrittsjahr dem Betrieb länger als drei Monate angehört
haben.
Bei Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der
flexiblen Altersgrenze besteht Anspruch auf die ungekürzte
Jahresleistung, wenn der Berechtigte dem Betrieb beim
Ausscheiden acht Jahre und im laufenden Kalenderjahr länger
als drei Monate angehört hat.
6. Endet das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis durch Tod,
haben der Ehegatte, die Kinder oder die Eltern des
Berechtigten ... Anspruch auf die ungekürzte Jahresleistung,
wenn das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis im Todesjahr
mindestens drei Monate bestanden hat.
...
...
9. Sind die Voraussetzungen des § 3 nach der Auszahlung
fortgefallen oder scheidet der Berechtigte vor dem 1. April
des folgenden Kalenderjahres durch Vertragsbruch oder aus
einem von ihm verschuldeten Grunde, der den Arbeitgeber zur
außerordentlichen Kündigung berechtigt, aus dem Betrieb aus,
ist die Jahresleistung zurückzuzahlen.
..."
2. Der Kläger hat keinen Anspruch aus den §§ 3, 4 Ziff. 4 Abs. 1 TV-Jahresleistung. Entgegen seiner Auffassung ergibt die Auslegung des § 3 TV-Jahresleistung, daß das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres bestehen muß, auch wenn es durch betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung bzw. aufgrund einer betriebsbedingten Befristung zuvor geendet hat.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Die Tarifauslegung hat zwar zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, dabei sind aber über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mit berücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 mwN). Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhangs noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages zurückgegriffen werden. Eine Bindung der Gerichte an eine bestimmte Reihenfolge gibt es insoweit nicht. Ferner gilt es, die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 11. März 1998 - 10 AZR 673/96 - ZTR 1998, 374; 5. Februar 1995 - 10 AZR 639/96 - AP BAT § 33 a Nr. 14; 10. Mai 1995 - 4 AZR 74/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Medizinischer Dienst Nr. 2).
b) Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich, daß die Tarifvertragsparteien für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch betriebsbedingte Kündigung bzw. aufgrund des Ablaufs einer betriebsbedingten Befristung für die Anspruchsbegründung nicht auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Stichtag verzichten wollten. Die Auslegung ergibt vielmehr, daß durch die Regelung des § 3 Abs. 1 2. Halbsatz TV-Jahresleistung lediglich eine Ausnahme von dem Erfordernis des Bestehens eines am Stichtag ungekündigten Arbeitsverhältnisses geschaffen werden sollte.
aa) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß der Wortlaut des § 3 TV-Jahresleistung sowohl die Auslegung ermöglicht, wie der Kläger sie vornimmt, als auch diejenige, daß der 2. Halbsatz der Vorschrift sich nur auf das Merkmal "in ungekündigter Stellung" bezieht. Wenn es heißt, daß "vom Arbeitgeber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigungen oder ... Befristungen ..." den "Anspruch" nicht berühren, so kann sich dies auf den Anspruch beziehen, der im ersten Satzteil des § 3 Abs. 1 beschrieben ist. Danach könnten beide Anspruchshindernisse durch eine betriebsbedingte Kündigung oder Befristung beseitigt werden, nämlich sowohl ein Ausscheiden vor dem 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres als auch eine "gekündigte Stellung".
bb) Sowohl die Systematik als auch der tarifliche Gesamtzusammenhang sprechen jedoch für die Auslegung, wonach durch den 2. Halbsatz des § 3 Abs. 1 TV-Jahresleistung lediglich das Merkmal "in ungekündigter Stellung" näher erläutert wird.
Hätten die Tarifvertragsparteien bereits in § 3 Ausnahmen von der Stichtagsregelung bestimmen wollen, so hätte es nahe gelegen, auch die in § 4 Ziffer 5 und 6 geregelten Fälle in § 3 Abs. 1 2. Halbsatz aufzulisten oder in § 4 eine Ausnahmeregelung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigung bzw. aufgrund des Ablaufs einer betriebsbedingten Befristung zu normieren. Es ist nicht ersichtlich, warum Ausnahmen vom Erfordernis des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zum Teil in § 3 und zum Teil in § 4 geregelt werden sollten. Nach der Systematik ist vielmehr davon auszugehen, daß durch § 3 als Grundvoraussetzung für den Anspruch auf eine Jahresleistung das Bestehen eines (ungekündigten) Arbeitsverhältnisses am Stichtag festgelegt werden sollte, während § 4 Regelungen zur Höhe des Anspruchs sowie Sonderregelungen für bestimmte Fälle des Ausscheidens und des Ruhens des Anspruchs enthält. Nach dieser Systematik hätte es nahe gelegen, eine Abweichung vom Stichtagserfordernis in § 4 zu normieren.
Gegen diese Auslegung spricht auch nicht der Umstand, daß sich § 3 Abs. 1 Satz 2 nicht nur auf betriebsbedingte Arbeitgeberkündigungen, sondern auch auf Befristungen aus betriebsbedingten Gründen bezieht. Zu Unrecht folgert der Kläger aus der Senatsentscheidung vom 14. Dezember 1993 (- 10 AZR 661/92 - BAGE 75, 178) und der grundsätzlichen Annahme, daß Tarifvertragsparteien keine überflüssigen inhaltsleeren Regelungen treffen wollen, daß § 3 Abs. 1 2. Halbsatz TV-Jahresleistung eine weitere Bedeutung als nur die Erläuterung des Merkmals "in ungekündigter Stellung" haben müsse. In der genannten Entscheidung ist der Senat davon ausgegangen, daß eine Befristung des Arbeitsverhältnisses einer Kündigung nicht gleich stehe, wenn eine tarifvertragliche Regelung den Anspruch auf eine Jahressonderzuwendung davon abhängig mache, daß das Arbeitsverhältnis am Stichtag "ungekündigt" sei. Demgegenüber haben die Tarifvertragsparteien in § 3 Abs. 1 2. Halbsatz ausdrücklich geregelt, daß eine betriebsbedingte Kündigung mit einer betriebsbedingten Befristung gleichzubehandeln sei.
cc) Auch Sinn und Zweck der tariflichen Jahresleistung stützen das Auslegungsergebnis. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien eine Ausnahme vom Stichtagserfordernis für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigung bzw. bei Ablauf einer betriebsbedingten Befristung schaffen und damit für diese Fälle einen Anspruch ohne weitere Voraussetzungen begründen wollten.
Bei der tariflichen Jahresleistung gemäß §§ 2 ff. TV-Jahresleistung handelt es sich um eine Gratifikation, die neben der zusätzlichen Vergütung der erbrachten Arbeitsleistung auch der Belohnung der erbrachten und der Förderung künftiger Betriebstreue dient.
Der Zweck einer tariflichen Leistung ist im Wege der Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Er ergibt sich insbesondere aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen sowie den Ausschluß- und Kürzungstatbeständen, die die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums festgelegt haben (ständige Rechtsprechung, BAG 19. Februar 1998 - 6 AZR 460/96 - BAGE 88, 92 mwN; 11. Juni 1997 - 10 AZR 784/96 - AP BMT-G II § 24 Nr. 2). Eine Jahressonderzuwendung kann über die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung für geleistete Arbeit hinaus auch Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue und/oder Anreiz für zukünftige Betriebstreue sein (BAG 25. April 1991 - 6 AZR 532/89 - BAGE 68, 32 mwN). Eine Belohnung für in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue kommt regelmäßig dadurch zum Ausdruck, daß die Erfüllung einer bestimmten Wartezeit vorausgesetzt wird. Ein Anreiz und eine vorweggenommene Belohnung für zukünftige Betriebstreue werden in der Regel dadurch sichergestellt, daß der Arbeitnehmer am Ende des Bezugszeitraums in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden haben muß oder eine Rückzahlungsklausel für den Fall des Ausscheidens bis zu einem bestimmten Stichtag des Folgejahres vereinbart wird (vgl. BAG 24. Oktober 1990 - 6 AZR 156/89 - BAGE 66, 169; 8. März 1995 - 10 AZR 208/94 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, daß die Jahresleistung zunächst dazu dient, die im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich zu vergüten. Dies ergibt sich insbesondere aus § 4 Ziffer 4 TV-Jahresleistung, wonach ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel der Jahresleistung für jeden Kalendermonat besteht, in dem der Arbeitnehmer für mindestens 12 Arbeitstage Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung hat. Abgesehen von der Ausnahmeregelung in § 4 Ziffer 4 Abs. 3 besteht damit für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung.
Die Jahresleistung dient darüber hinaus auch der Belohnung der in der Vergangenheit erbrachten Betriebstreue. Dies ergibt sich daraus, daß ein Anspruch im Eintrittsjahr nur dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Oktober des Kalenderjahres begonnen und damit mehr als 3 Monate bestanden hat. Auch das Erfordernis des Bestehens des Arbeitsverhältnisses am Stichtag macht deutlich, daß in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue honoriert werden soll.
Schließlich soll auch ein Anreiz für eine zukünftige Betriebstreue gegeben werden, da das Arbeitsverhältnis am Stichtag ungekündigt bestehen muß und § 4 Ziffer 9 darüber hinaus eine Rückzahlungspflicht normiert, wenn der Arbeitnehmer bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres durch Vertragsbruch oder aus einem von ihm verschuldeten Grund, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, aus dem Betrieb ausscheidet.
Es sind keine Gründe ersichtlich, warum eine Leistung, die unter anderem die erbrachte Betriebstreue belohnen soll, im Fall einer betriebsbedingten Kündigung bzw. bei Ablauf einer betriebsbedingten Befristung auch dann gewährt werden soll, wenn diese Betriebstreue nicht erbracht wurde. Da bei einem beendeten Arbeitsverhältnis auch der Zweck des Anreizes für zukünftige Betriebstreue bzw. der Motivation zu engagierter Mitarbeit in der Zukunft entfällt, wäre die Jahresleistung insoweit lediglich Entgelt für geleistete Arbeit. Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien mit der Leistung in den genannten Ausnahmefällen einen anderen Zweck verfolgen wollten, sind nicht ersichtlich. Hierfür spricht auch der Vergleich mit den normierten Ausnahmetatbeständen. Soweit in § 4 Ziffer 5 und 6 Ausnahmeregelungen getroffen und auf das Stichtagserfordernis verzichtet wurde, handelt es sich ua. um Fälle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Bezugs einer Alters-, Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente, also um andere Sachverhalte. Bei der Regelung für den Fall des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der flexiblen Altersgrenze kommt ebenfalls zum Ausdruck, daß die erbrachte Betriebstreue belohnt werden soll, da insoweit eine Betriebszugehörigkeit von 8 Jahren als Anspruchsvoraussetzung normiert wurde.
Unter Berücksichtigung der Regelung des § 3 Abs. 2 iVm. § 4 Ziffer 3 TV-Jahresleistung, wonach ein Anspruch im Eintrittsjahr nur besteht, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Oktober des Jahres begonnen hat, würde die vom Kläger vertretene Auffassung dazu führen, daß ein vor dem 1. Oktober des Jahres für weniger als drei Monate befristet eingestellter Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine anteilige Jahresleistung erwerben würde, während ein nach dem 1. Oktober eingestellter Arbeitnehmer keinen Anspruch hätte. Auch daraus ergibt sich, daß eine andere Auslegung zu einem wenig sinnvollen Ergebnis führen würde, von dem nicht anzunehmen ist, daß die Tarifvertragsparteien es anstrebten.
Wenn der Kläger bemängelt, daß nicht einzusehen sei, daß im Eintrittsjahr eine Arbeitsleistung von drei Monaten bereits zu einem anteiligen Anspruch führe, während im Austrittsjahr sogar eine fast ganzjährige Arbeitsleistung keinen anteiligen Jahresleistungsanspruch nach sich ziehe, so zwingt dies ebenfalls nicht zu einer anderen Auslegung. Hierdurch wird lediglich deutlich, daß die Tarifvertragsparteien ein starkes Gewicht auf die Anreizfunktion für zukünftige Betriebstreue gelegt haben.
Schließlich wird das Ergebnis der Auslegung auch durch die übereinstimmende Auskunft der Tarifvertragsparteien bestätigt. Diese sind sich darüber einig, daß ein Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des Kalenderjahres bestehen müsse, damit ein Anspruch auf Zahlung der Jahresleistung grundsätzlich entstehen könne.
3. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Dr. Marquardt
zugleich für den wegen
Urlaubs an der Unterschrift
verhv. Baumgarten
Trümner
Fundstellen