Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 3 des Tarifvertrages über Jahresleistung für die chemische Industrie vom 9. März 1995 in der Fassung vom 19. Dezember 1996 ist dahingehend auszulegen, daß auch im Falle einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung Voraussetzung für einen Anspruch auf Jahresleistung ist, daß das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des entsprechenden Jahres noch besteht.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 09.01.1998; Aktenzeichen 17 Ca 380/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 9. Januar 1998 – 17 Ca 380/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die anteilige tarifliche Jahresleistung für das Jahr 1997.

Zwischen den Parteien bestand vom 13. November 1990 bis zum 30. Juni 1997 ein Arbeitsverhältnis. Auf den schriftlichen Arbeitsvertrag wird verwiesen (Anlage K 1, Bl. 9 ff. d.A.).

Im Februar 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 1997 (Anlage K 2, Bl. 14 d.A.). In dem daraufhin vom Kläger anhängig gemachten Kündigungsschutzprozeß schlossen die Parteien am 19. März 1997 einen Prozeßvergleich (Anlage B 1, Bl. 19 d.A.), nach dem das Arbeitsverhältnis aufgrund der betriebsbedingten Kündigung der Beklagten zum 30. Juni 1997 endet.

Gemäß Ziff. 4 des Arbeitsvertrages hat der Kläger Anspruch auf eine tarifliche Jahresleistung (13. Monatsgehalt) entsprechend den tariflichen Bestimmungen, die mit den Märzbezügen des kommenden Jahres ausgezahlt wird Wegen des hiernach für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltenden Tarifvertrages über Jahresleistung für die chemische Industrie vom 9. März 1995 in der Fassung vom 19. Dezember 1996 (im folgenden abgekürzt; TV-Jahresleistung) wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. September 1997 (Bl. 33 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für das Jahr 1997 die Hälfte der tariflichen Jahresleistung zu. Dies ergebe sich aus § 3 Abs. 1 und § 4 Ziff. 4 Abs. 1 TV-Jahresleistung. Gemäß § 3 Abs. 1 zweiter Halbsatz des Tarifvertrages bestehe ein Anspruch auf anteilige Jahresleistung auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 31. Dezember des entsprechenden Jahres aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung endet.

Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 5.500,– DM ergebe sich der mit der Klage geltend gemachte Betrag.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.750,– DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 14. Juli 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Anspruch bestehe nicht Soweit § 3 Abs. 1 zweiter Halbsatz des Tarifvertrages bestimme, daß vom Arbeitgeber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigungen den Anspruch nicht berühren, führe dies nur dazu, daß der Anspruch auf die tarifliche Jahresleistung auch dann bestehe, wenn das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31. Dezember gekündigt ist. Voraussetzung sei aber weiterhin, daß das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres noch besteht. Da der Kläger bereits zum 30. Juni 1997 ausgeschieden sei, könnte er deshalb keine Jahresleistung beanspruchen.

Der Kläger hat mit einem am 24. November 1997 nach Schluß der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Rechtszug eingegangenen Schriftsatz die Klage in Höhe eines Bruttobetrages von 137,50 DM zurückgenommen. Eine Zustimmungserklärung der Beklagten zu dieser teilweisen Klagrücknahme ist nicht erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch sein am 9. Januar 1998 verkündetes Urteil abgewiesen. Das Urteil ist auf den entsprechenden Antrag der Parteien nach dem Gütetermin durch den Vorsitzenden allein ergangen.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Der anzuwendende Tarifvertrag über Jahresleistung sei entsprechend der Auffassung der Beklagten dahingehend auszulegen, daß sich der Anspruchsberechtigte am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres noch in einem Arbeitsverhältnis befinden muß. Gegebenenfalls bleibe der Anspruch erhalten, wenn die Kündigung betriebsbedingt ausgesprochen worden ist. Ist das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen zum 31. Dezember gekündigt worden, bestehe der Anspruch dagegen nicht. Diese Auslegung werde dadurch bestätigt, daß in § 4 des Tarifvertrages keine allgemeine Regelung für das Austrittsjahr enthalten ist. Vielmehr bleibe gemäß § 4 Ziff. 5 des Tarifvertrages der Anspruch im Austrittsjahr nur unter den dort genannten besonderen Voraussetzungen erhalten. Da der Anspruch nicht bestehe, sei nur am Rande auf § 4 Ziff. 1 des Tarifvertrages verwiesen. Danach sei Bezugsgröße das tarifliche Monatsentgelt. Die teilweise Klagrücknahme nach

Schluß der mündlichen Verhandlung sei nicht zu berücksichtigen. Das folge bereits aus § 54 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

Der Kläger hat gegen d...

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