Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanabfindung im Konkurs; Auslegung eines außergerichtlichen Abfindungsvergleichs; Vorschuß auf Sozialplanabfindung als Schadenersatz?; Schadenersatz; Konkursrecht
Orientierungssatz
Verpflichtet sich der Konkursverwalter in einem Vergleich “zusätzlich zu der Abfindung” aus einem Sozialplan iSv. § 3 Satz 1 SozPlKonkG zur Zahlung einer weiteren Abfindung, so ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, daß auch die Sozialplanabfindung zur Masseschuld erhoben werden soll.
Normenkette
SozPlKonkG § 3 S. 1, § 4 Sätze 1-2; EGInsO Art. 22; KO §§ 57, 59 Abs. 1 Nr. 1, § 61 Abs. 1 Nr. 1, § 170; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Beklagten und unter Zurückweisung der Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 31. Januar 2001 – 2 Sa 85/00 – aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 26. Januar 2000 – 5 Ca 5141/99 – zurückgewiesen hat.
- Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 26. Januar 2000 – 5 Ca 5141/99 – insgesamt abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus einem Sozialplan. Der Kläger war seit dem 1. Februar 1977 für die Gemeinschuldnerin als Vormann tätig. Er war zuletzt Vorsitzender des Betriebsrats. Am 3. Juli 1995 wurde zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Gemeinschuldnerin ein Sozialplan vereinbart. Am 9. August 1995 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte dem Kläger am 27. Oktober 1995 zum 31. Dezember 1996. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Nach dem Sozialplan hat der Kläger Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von DM 25.417,12. Die Sozialplanforderung ist im Konkursverfahren anerkannt, die Höhe der verfügbaren Masse ist noch nicht abschließend festgestellt.
Der Betrieb der Gemeinschuldnerin wurde von drei Prokuristen übernommen. Die Betriebsübernehmer wollten nicht alle Arbeitnehmer weiterbeschäftigen. Am 27. Februar 1996 fand eine Betriebsversammlung statt. Gerichtet an die Arbeitnehmer führte der Beklagte aus:
“Wenn Sie die Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht zurücknehmen, wird alles bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet. Die Lohndifferenz bis zum Ende der Kündigungsfrist wird bezahlt. Zusätzlich zu der Abfindung nach dem Sozialplan erhält der Arbeitnehmer eine weitere Abfindung.”
Der Kläger und andere Arbeitnehmer waren nicht bereit, ohne entsprechende schriftliche Erklärung des Beklagten die Klagen zurückzunehmen.
Am 30. Oktober 1996 schlossen die Parteien einen schriftlichen Vergleich mit folgendem Wortlaut:
- “1. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristgemäßer betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers und wird zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet.
- 2. Zusätzlich zu der Abfindung nach dem Sozialplan erhält der Arbeitnehmer eine weitere Abfindung in Höhe von DM 12.747,50 fällig mit dem heutigen Tage.
- 3. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die vor dem Arbeitsgericht Bremen anhängige Kündigungsschutzklage zurückzunehmen. Der Arbeitnehmer erklärt weiter, daß Ansprüche gegen die Firma T Gesellschaft GmbH nicht bestehen.”
Der Kläger erhielt mit der Unterzeichnung des Vergleiches einen von der Firma T ausgestellten Verrechnungsscheck über DM 12.747,50. Insgesamt hatten die Übernehmer des Betriebs der Gemeinschuldnerin einen Betrag von DM 200.000,00 aufgebracht, der zusätzlich an Abfindungen gezahlt wurde. Der Kläger nahm die Kündigungsschutzklage mit Schriftsatz vom 6. November 1996 zurück.
Mit der am 14. Oktober 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, gegenüber dem Beklagten die sich aus dem Sozialplan ergebende Abfindung geltend. In der Kammerverhandlung vom 3. Februar 1999 erklärten die Parteien zu Protokoll, das Verfahren solle dadurch erledigt werden, daß zunächst eine Abschlagszahlung durch den Beklagten erfolgt; der Rechtsstreit solle terminlos vertagt werden. Mit Schriftsatz vom 26. August 1999 beantragte der Kläger, erneut Termin zur streitigen Verhandlung anzuberaumen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sich in dem Vergleich vom 30. Oktober 1996 verpflichtet, neben der weiteren Abfindung auch die Sozialplanforderung als Masseschuld vorrangig zu bedienen. Vor dem Hintergrund der Erklärungen des Beklagten in der Betriebsversammlung vom 27. Februar 1996 sowie der Gesamtumstände im Hinblick auf den Übergang des Betriebes sei der Vergleich vom 30. Oktober 1996 so auszulegen, daß sowohl die Zahlung der Sozialplanabfindung wie auch der zusätzlichen Abfindung die Gegenleistung für die Rücknahme der Kündigungsschutzklage darstellt. Das Wort “erhält” in Ziffer 2 des Vergleiches beziehe sich auf beide Abfindungen und bedeute, daß dem Kläger beide Beträge nach dem Willen der Parteien zufließen sollten. Auch die Fälligkeitsregelung im schriftlichen Vergleich differenziere nicht zwischen der Sozialplanabfindung und der zusätzlichen Abfindung, sondern beziehe sich auf beide Zahlungen. Ohne unbedingten Anspruch auf die Sozialplanabfindung sei die Vereinbarung nicht ausgewogen, da er, der Kläger den Kündigungsschutzprozeß mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte. Der Beklagte habe aus dem Verkauf eines Schiffes DM 4,8 Mio. erlöst, so daß er auch in der Lage gewesen sei, die zusätzlichen Zahlungen zu leisten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 25.417,12 brutto zzgl. 4 % Zinsen seit dem 7. November 1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, es sei vereinbart worden, daß nur der zusätzliche von den Übernehmern aufgebrachte Betrag von DM 200.000,00 gegen Rücknahme der Kündigungsschutzklagen gezahlt werde. Die gleichzeitige Auszahlung des Sozialplananspruchs sei nicht zugesagt worden. Dessen Höhe sei noch offen, weil das Volumen der verfügbaren Masse noch nicht feststehe und bei einem Gesamtvolumen des Sozialplanes von DM 2,5 Mio. der Anspruch nach § 4 Satz 2 SozPlKonkG ggfls. zu beschränken sei. Die Masse sei unzulänglich. Dies ergebe sich aus der am 30. Juni 2000 erfolgten öffentlichen Bekanntgabe der Massearmut sowie den Sachstandsberichten an das Konkursgericht. Die Massearmut resultiere daraus, daß die Masse auf Rückzahlung von DM 1,1 Mio. auf Grund einer Überzahlung aus der Verwertung eines Schiffes vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch genommen werde und weitere Mitarbeiter Sozialplanforderungen schriftlich angemeldet hätten. Auf Grund der Massearmut habe der Kläger auch bei unterstelltem Anspruch gegen die Masse keinen Zahlungsanspruch, solange die Quote nach § 60 Abs. 1 KO nicht feststehe. Vorauszahlungen seien nicht möglich, weil die nach § 170 KO erforderliche Ermächtigung des Konkursgerichts nicht vorliege und auch nicht beantragt worden sei. § 170 KO sei auf die vom Kläger geltend gemachte Masseforderung auch nicht anzuwenden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts der Klage nur in Höhe eines Abschlages von 50 % auf die Sozialplanforderung als Schadensersatzanspruch gegen die Masse stattgegeben. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Revision für beide Parteien zugelassen. Der Kläger verteidigt mit seiner Revision die Auslegung des Arbeitsgerichts und begehrt Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Beklagte begehrt mit seiner Revision die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist im Gegensatz zur Revision des Klägers begründet. Der konkursrechtliche Rang der Sozialplanforderung wurde durch den Vergleich vom 30. Oktober 1996 nicht verändert. Auch ein Vorschuß- bzw. Schadenersatzanspruch des Klägers als Masseschuld besteht nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat der Vereinbarung vom 30. Oktober 1996 einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der Sozialplanabfindung als Masseschuld nicht entnommen. Daß der Kläger den Vergleich in der Meinung abgeschlossen habe, die Sozialplanabfindung sofort zu erhalten, führe nicht dazu, daß die Vereinbarung entsprechend auszulegen sei. Dem Wortlaut sei eine diesbezügliche Zusage des Beklagten nicht zu entnehmen. Auch auf der Betriebsversammlung vom 27. Februar 1996 habe der Konkursverwalter keine darüber hinausgehende Zusage gemacht. Das behauptete Versprechen des Beklagten, es werde vorrangig ausgezahlt, beinhalte keine Zusage, die Sozialplanabfindung als Masseschuld zu behandeln.
Aus dem Gang des Gerichtsverfahrens ergebe sich aber ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Betrages, den der Konkursverwalter als Abschlag auf die zu erwartende Konkursforderung nach pflichtgemäßer Prüfung nach § 170 KO hätte zahlen können. Der Erklärung der Parteien zu Protokoll des Arbeitsgerichts am 3. Februar 1999, das Verfahren solle dadurch erledigt werden, daß zunächst eine Abschlagszahlung auf die Sozialplanforderung durch den Beklagten erfolge, sei dessen Verpflichtung zu entnehmen, die Möglichkeit einer Abschlagszahlung zu prüfen und entsprechend dem Ergebnis der Prüfung die Voraussetzungen für die Auszahlung zu schaffen. Der Konkursverwalter sei den Arbeitnehmern gegenüber auch in seiner Rolle als Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, daß der Zweck der Abfindung, soziale Nachteile der Kündigung auszugleichen, nicht vereitelt werde. Er müsse deshalb die Möglichkeit der Abschlagszahlung prüfen und nach pflichtgemäßer Prüfung Zahlungen vornehmen. Der Beklagte sei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Damit bestehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Masse. Aus dem zeitnah zum Termin vom 3. Februar 1999 erstellten Sachstandsbericht an das Konkursgericht vom 24. März 1999 ergebe sich eine verfügbare Masse von DM 1.729.080,84 und keine konkreten Hinweise auf größere Masseschulden. Daß ein möglicherweise erheblich ungünstigerer tatsächlicher Stand der Masse nicht ausreichend dargelegt worden sei, gehe zu Lasten des Beklagten. Auch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit hindere die Verurteilung nicht, da der Beklagte die Massearmut nicht wie erforderlich im einzelnen belegt habe. Aus dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg werde die Masse nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen; zu einem größeren Teil richte sich die Klage gegen den Konkursverwalter persönlich. Die Hälfte der Forderung könne deshalb als Abschlag gezahlt werden.
Dem Landesarbeitsgericht folgt der Senat nur hinsichtlich der Auslegung der Vereinbarung vom 30. Oktober 1996. Eine vom konkursrechtlichen Verteilungsverfahren unabhängige Masseschuld bezüglich des Sozialplananspruchs des Klägers ergibt sich aus der Vereinbarung nicht (1). Der Kläger hat jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch keinen Schadensersatzanspruch auf Zahlung eines Abschlages gegen die Masse (2).
Abfindungsansprüche aus Sozialplänen sind unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Konkurseröffnung vereinbart wurden, grundsätzlich Konkursforderungen im Sinne von § 61 KO (BAG 27. Oktober 1998 – 1 AZR 94/98 – AP KO § 61 Nr. 29 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 102). Die Berücksichtigung der Sozialplanforderungen im konkursrechtlichen Verteilungsverfahren richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (SozPlKonkG), letztmalig verlängert bis zum 31. Dezember 1998 durch Artikel 22 EGInsO vom 5. Oktober 1994. Nach § 3 Satz 1 SozPlKonkG ist ein Sozialplan, der vor der Eröffnung des Konkursverfahrens, jedoch nicht früher als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens aufgestellt wird, den Konkursgläubigern gegenüber insoweit unwirksam, als die Summe der Forderungen aus dem Sozialplan größer ist als der Gesamtbetrag von zweieinhalb Monatsverdiensten der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer (absolute Begrenzung). Nach § 4 Satz 1 SozPlKonkG werden Forderungen aus einem Sozialplan nach § 3 SozPlKonkG, soweit diese im Konkursverfahren geltend gemacht werden können, nach Maßgabe der relativen Begrenzung des § 4 Satz 2 SozPlKonkG mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO berichtigt. Da das Konkursverfahren am 9. August 1995 eröffnet wurde, ist der Anspruch des Klägers aus dem am 3. Juli 1995 vereinbarten Sozialplan grundsätzlich nach den Bestimmungen des SozPlKonkG als Konkursforderung im Sinne von § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu berichtigen.
Zwar kann der Konkursverwalter abweichend von § 4 SozPlKonkG im Zuge einer Auflösungsvereinbarung die Zahlung einer Abfindung vereinbaren. Ein solcher Anspruch beruht dann auf einer Handlung des Konkursverwalters und ist Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO (BAG 12. Juni 2002 – 10 AZR 180/01 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Konkursverwalter kann sich im Rahmen einer Auflösungsvereinbarung auch verpflichten, eine Forderung aus einem Sozialplan nach dem SozPlKonkG als Masseschuld zu befriedigen. Durch rechtsgeschäftliche Handlung des Konkursverwalters nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO wird dann aus einem Sozialplananspruch ein individualvertraglicher Abfindungsanspruch, der als Masseschuld nach § 57 KO vorweg zu berichtigen ist. Der Beklagte hat sich in dem Vergleich vom 30. Oktober 1996 aber nicht verpflichtet, die Forderung aus dem Sozialplan als Masseschuld (vorweg) zu berichtigen.
- Bei der Vereinbarung vom 30. Oktober 1996 handelt es sich um einen nichttypischen Vertrag. Die Auslegung von nichttypischen Verträgen und Willenserklärungen ist in erster Linie Sache der Tatsachengerichte und in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar. Der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt allein, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt worden sind, ob dabei gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und der Tatsachenstoff vollständig verwertet worden ist (BAG 23. Januar 2002 – 7 AZR 611/00 – BB 2002, 1097, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 25. Februar 1998 – 2 AZR 279/97 – BAGE 88, 131, 138; jew. mwN).
Diesem Prüfungsmaßstab hält die Auslegung der Vereinbarung durch das Landesarbeitsgericht stand. Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Ausgangspunkt ist dabei der Wortlaut der Erklärung. In einem zweiten Auslegungsschritt sind sodann außerhalb des Erklärungsakts liegende Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH 19. Januar 2000 – VIII ZR 275/98 – LM EGBGB 1986 Art. 27 Nr. 8; BAG 27. August 1970 – 2 AZR 519/69 – BAGE 22, 424). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen; maßgeblich ist, wie der Empfänger der Erklärung sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (BAG 10. Dezember 1992 – 2 AZR 269/92 – AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 27 = EzA BGB § 315 Nr. 40).
- Zwar enthält Ziffer 2 der Vereinbarung nicht – worauf das Landesarbeitsgericht abgestellt hat – die Formulierung “neben der Abfindung”, sondern formuliert “zusätzlich zu der Abfindung”. Dies macht in der Sache aber keinen Unterschied. Ziffer 2 der Vereinbarung vom 30. Oktober 1996 enthält keine Zusage der Berichtigung der Sozialplanforderung als Masseschuld. Der Beklagte hat sich in Ziffer 2 der Vereinbarung lediglich zur Zahlung einer weiteren Abfindung verpflichtet. Die Erwähnung der Sozialplanabfindung in Ziffer 2 dient der Klarstellung, daß die weitere Abfindung in Höhe von DM 12.747,50 zusätzlich, also unabhängig von dem Anspruch aus dem Sozialplan gezahlt wird. Daß die Parteien in Bezug auf die Sozialplanforderung den Schuldgrund nicht ausgewechselt und keinen neuen individualvertraglichen Anspruch begründet haben, ergibt sich bereits daraus, daß nach wie vor eine “Abfindung nach dem Sozialplan” geschuldet wird. Abfindungen aus einem Sozialplan sind aber Konkurs- und nicht Masseforderungen.
- Aus der Verwendung des Wortes “erhält” ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes. Der Satzbau von Ziffer 2 zeigt, daß das Wort “erhält” sich unmittelbar nur auf die zusätzliche Abfindung beziehen sollte, die mit dem Datum des Vertragsschlusses fällig war. Diese Forderung (und nicht die Sozialplanforderung) wurde folgerichtig durch Verrechnungsscheck vom gleichen Tag erfüllt. Auch der Wortsinn beinhaltet nicht, daß die Forderung in jedem Fall unabhängig von den konkursrechtlichen Verteilungsvorschriften in voller Höhe erfüllt werden sollte. Dies zeigt schon der Vergleich mit der Formulierung im Sozialplan vom 3. Juli 1995. Danach sollen die ausscheidenden Arbeitnehmer auch eine Abfindung “erhalten”; die tatsächliche Höhe errechnet sich aber erst nach Maßgabe des SozPlKonkG.
- Auch vor dem Hintergrund der Erklärungen des Beklagten in der Betriebsversammlung vom 27. Februar 1996 ergibt sich kein anderes Auslegungsergebnis. Abzustellen ist zunächst maßgeblich auf den Wortlaut der Vereinbarung vom 30. Oktober 1995, da eine Vereinbarung zwischen den Parteien unstreitig gerade nicht im Rahmen der Betriebsversammlung zustande gekommen ist, sondern erst acht Monate später. Im übrigen hat der Beklagte nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt in der Betriebsversammlung vom 27. Februar 1996 mit der Vereinbarung vom 30. Oktober 1996 nahezu wortgleiche Erklärungen abgegeben, die einen Masseanspruch eben nicht begründen.
- Ob der Kläger vom Inhalt der Vereinbarung eine andere Vorstellung gehabt hat, ist im Rahmen der Auslegung des objektiven Erklärungsgehaltes nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Subjektive Auffassungen der Parteien, die in den objektiven Umständen keinen Niederschlag gefunden haben, finden bei der Auslegung keine Berücksichtigung (BAG 10. Dezember 1992 – 2 AZR 269/92 – aaO). Solche objektiven Umstände sind nach vorstehenden Erwägungen nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
- Ob die Vereinbarung so, wie sie getroffen wurde, der Lebenserfahrung entspricht, ob sie gerecht oder angemessen ist und ob der Kläger den Kündigungsschutzprozeß anderenfalls gewonnen hätte, ist spekulativ und entgegen der Auffassung des Klägers im Rahmen der Auslegung der Vereinbarung ohne ausschlaggebende Bedeutung. Es erscheint im übrigen nicht ausgeschlossen, daß sich der Kläger deshalb mit der relativ niedrigen, aber sicheren zusätzlichen Abfindung begnügte, weil bei Fortführung des Kündigungsschutzprozesses die Gefahr des Scheiterns der Betriebsübernahme bestand und die dann notwendige Betriebsstillegung eine Kündigung sozial gerechtfertigt hätte.
Der Kläger hat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch keinen Anspruch auf den ausgeurteilten Abschlag in Höhe von 50 % der Sozialplanforderung.
Eine Inanspruchnahme der Masse ist nur nach Maßgabe von § 58 KO (Massekosten) oder § 59 Abs. 1 KO (Masseschulden) möglich. Der Begriff der Masseschulden ist in § 59 KO abschließend geregelt; im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger ist bei der Beurteilung ein strenger Maßstab anzulegen (Kuhn/Uhlenbruck KO 11. Aufl. § 59 Rn. 1b; BAG 26. Februar 1991 – 3 AZR 213/90 – AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 15 = EzA KO § 43 Nr. 2).
Soweit Handlungen des Konkursverwalters betroffen sind, entstehen Masseschulden nur nach Maßgabe von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO. Die Norm erfaßt alle vom Konkursverwalter für die Konkursmasse vorgenommenen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen wie die Verwertung der Konkursmasse, Kauf-, Darlehns-, Wechsel- und Scheckverpflichtungen etc. (vgl. Kuhn/Uhlenbruck aaO Rn. 2). Der Anwendungsbereich der Norm ist aber auf Geschäfte beschränkt, die der Konkursverwalter mit Dritten zwecks Verwaltung und Verwertung der Konkursmasse abschließt bzw. durchführt (Kuhn/Uhlenbruck aaO Rn. 2c); Masseschulden können grds. nur im Rahmen von Geschäften entstehen, die der Konkursverwalter mit dem Ziel abschließt, der Masse etwas zuzuführen (Kilger/Karsten Schmidt KO 17. Aufl. § 59 Rn. 1).
Allerdings begründen auch Rechtsverletzungen, die vom Konkursverwalter innerhalb dieses Wirkungskreises begangen werden, unter den Voraussetzungen, die außerhalb des Konkurses einen Anspruch geben, Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO (Kuhn/Uhlenbruck aaO Rn. 2d; Kilger/Karsten Schmidt aaO Rn. 2; BGH 17. September 1987 – IX ZR 156/86 – LM KO § 59 Nr. 17). Vertragsverletzungen des Konkursverwalters werden der Masse dabei nach § 31 BGB zugerechnet (Kilger/Karsten Schmidt aaO Rn. 1a). Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Verletzung einer Prüfungspflicht in bezug auf die Voraussetzungen einer Vorauszahlung nach § 170 KO resultiert jedoch nicht aus Geschäften zwecks Verwaltung und Verwertung der Konkursmasse, sondern allenfalls aus einer konkursspezifischen Verpflichtung gegenüber einem Konkursgläubiger.
Ob aus einer derartigen Pflichtverletzung des Beklagten gleichwohl ein Schadensersatzanspruch gegen die Masse entstehen könnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen eines solchen Anspruches nicht vorliegen.
- Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich eine diesbezügliche Verpflichtung nicht aus den Erklärungen der Parteien zu Protokoll des Arbeitsgerichts vom 3. Februar 1999. Eine Vereinbarung, die den Beklagten verpflichtete, einen Abschlag zu zahlen oder bestimmte Handlungen vorzunehmen, haben die Parteien nicht getroffen. Es handelte sich um eine bloße Absichtserklärung des Beklagten, die eine rechtliche Bindungswirkung nicht erzeugen konnte und deshalb auch nicht Grundlage eines Schadensersatzanspruches sein kann.
- Im übrigen ist nicht ersichtlich, weshalb dem Kläger ein Schaden in der Höhe des ausgeurteilten Abschlags entstanden sein sollte. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde. Eine solche Vermögensdifferenz ist nicht festzustellen. Der Kläger hat als Konkursgläubiger einen Anspruch aus dem Sozialplan nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Dessen Höhe richtet sich nur nach dem Umfang der Konkursmasse sowie den Regelungen des SozPlKonkG. Die etwaige Verletzung einer Prüfungspflicht im Hinblick auf die Möglichkeit einer Abschlagszahlung ändert an der Höhe des im Konkursverfahren realisierbaren Sozialplananspruchs nichts.
- Ein Anspruch auf einen Abschlag auf den Sozialplananspruch ergibt sich auch nicht aus § 170 KO. Nach dieser Norm kann der Verwalter unabhängig von den Verteilungen Zahlungen auf festgestellte, bevorrechtigte Forderungen mit der Ermächtigung des Gerichts leisten. § 170 KO räumt nach einhelliger Auffassung Konkursgläubigern keinen Anspruch auf eine Vorauszahlung ein (Kilger/Karsten Schmidt KO § 170 Rn. 2; Kuhn Uhlenbruck KO 11. Aufl. § 170 Rn. 3). Der Beklagte würde sich, da bereits die Ermächtigung des Konkursgerichts nicht vorliegt, mit einer Abschlagszahlung unter Verstoß gegen § 170 KO gegenüber den übrigen Konkurs- und Massegläubigern uU schadenersatzpflichtig machen (BGH 5. Oktober 1989 – IX ZR 233/87 – LM KO § 82 Nr. 24).
- Die Klage war deshalb insgesamt abzuweisen. Sie mußte nicht als zur Zeit unbegründet abgewiesen werden, da in Rechtskraft lediglich erwächst, daß der Kläger seinen Sozialplananspruch nicht als Masseschuld geltend machen kann. Sein Anspruch als Konkursgläubiger aus dem Sozialplan mit der Rangklasse des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO wird dadurch nicht berührt.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Thiel, Tirre
Fundstellen
Haufe-Index 779761 |
ARST 2003, 10 |
FA 2002, 326 |
KTS 2002, 750 |
NZA 2002, 1231 |
DZWir 2002, 457 |
EzA |
NJOZ 2003, 1535 |