Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung; Schwerbehinderte
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber kann die außerordentliche Kündigung gegenüber einem Schwerbehinderten nach § 21 Abs. 5 SchwbG schon dann erklären, wenn ihm die Hauptfürsorgestelle ihre Zustimmungsentscheidung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 21 Abs. 3 SchwbG mündlich oder fernmündlich bekanntgegeben hat; einer vorherigen Zustellung der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle bedarf es nicht (st. Rechtsprechung Senatsurteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 720/93 – BAGE 75, 358 = AP Nr. 3 zu § 21 SchwbG 1986, m.w.N.).
Dies gilt auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist gegenüber einem ordentlich unkündbaren, schwerbehinderten Arbeitnehmer.
Normenkette
BetrVG § 102; BGB § 613 Abs. 4, § 626; SchwbG §§ 15, 21 Abs. 3, 5; Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) § 30 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Juli 1998 – 7 Sa 239/97 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der 1949 geborene, geschiedene und gegenüber drei Personen unterhaltspflichtige Kläger ist seit 1974 bei der Beklagten, der Deutschen Bahn AG bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 4.200,00 DM. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Deutschen Bahn AG Anwendung. Danach ist der Kläger ordentlich unkündbar. Nach einer Ausbildung zum Gleisbauer war der Kläger zunächst in diesem Beruf tätig. Ab 1989 konnte er seine Tätigkeit wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht mehr ausüben und wurde einvernehmlich in die Hausreinigung umgesetzt. Hier reinigte er durchgehend in geschlossenen Räumen die Fußböden, Büros und Treppen.
Zum 31. Dezember 1995 ist der Reinigungsdienst der Beklagten bundesweit auf die Deutsche Verkehrsdienstleistungs- und Management GmbH/Bahnreinigungsgesellschaft übergegangen. Der Kläger widersprach dem Betriebsübergang mit Schreiben vom 27. November 1995. In zwei Gesprächen am 28. November und 19. Dezember 1995 wies die Beklagte den Kläger auf die möglichen Konsequenzen seines Widerspruchs hin. Mit Schreiben vom 2. Januar 1996 bat sie den Kläger, seinen Widerspruch nochmals zu überdenken. Der Kläger blieb bei seiner Entscheidung. Der Betriebsarzt der Beklagten erteilte unter dem 26. Januar 1996 eine Bescheinigung u.a. folgenden Inhalts:
„Aufgrund der hier durchgeführten Untersuchung … besteht keine Tauglichkeit für Tätigkeiten mit schwerem Heben oder häufigem mittelschweren Heben, häufigem Bücken, keine Beanspruchung der Schultergelenke, keine Wechseldiensttätigkeit, sondern regelmäßiger Arbeitsrhythmus. Weiterhin bestehen nur Tätigkeiten witterungsgeschützt.”
Mit Schreiben vom 6. Februar 1996 teilte der Geschäftsbereich Bahnbau der Beklagten mit, nach der monatlich erscheinenden „Schnellübersicht” sowie dem „Stellenmarkt-aktuell” seien freie, wieder zu besetzende Arbeitsplätze, die der Qualifikation und der gesundheitlichen Eignung des Klägers entsprächen, weder innerhalb des Geschäftsbereichs Bahnbau, noch bahnweit vorhanden. Daraufhin bat die Beklagte mit Schreiben vom 7. Februar 1996 den Betriebsrat um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund mit Auslauffrist: Sie führte u.a. aus: „… Eine anderweitige Beschäftigung konnte (dem Kläger) mangels fachlicher Qualifikation und aufgrund seiner gesundheitlichen Beschränkungen nicht angeboten werden. …”. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit der Begründung, die Beklagte habe nicht geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung des Klägers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder unter geänderten Vertragsbedingungen möglich sei.
Bei der Hauptfürsorgestelle beantragte die Beklagte ebenfalls mit Schreiben vom 7. Februar 1996, dort eingegangen am 9. Februar 1996, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Während der Einigungsverhandlungen vor der Hauptfürsorgestelle wurde der Arbeitsplatz eines Boten in der Niederlassung Ladungsverkehr S frei. Da dort in Wechselschicht zu arbeiten war, lehnte die Beklagte eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf diesem Arbeitsplatz ab. Mit Bescheid vom 23. Februar 1996 erteilte die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers. Diese Entscheidung ist der Beklagten nach ihrer Behauptung noch am selben Tage telefonisch mitgeteilt worden. Schriftlich wurde der Bescheid der Beklagten am 26. Februar 1996 zugestellt. Mit Schreiben vom 23. Februar 1996, dem Kläger am 24. Februar 1996 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist zum 30. September 1996.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat behauptet, er sei gesundheitlich in der Lage, die frei gewordene Tätigkeit eines Boten in S auszuüben. Er hat die Ansicht vertreten, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil die Beklagte nicht mitgeteilt habe, daß der Arbeitsplatz eines Boten in S frei und seine angeblich fehlende Wechseldiensttauglichkeit ausschlaggebend gewesen sei, ihn dort nicht weiter zu beschäftigen. Eine wirksame Kündigung könne erst nach der erforderlichen Zustellung des Bescheids der Hauptfürsorgestelle ausgesprochen werden. Jedenfalls dürfe er als tariflich unkündbarer Arbeiter nicht schlechter gestellt werden als ordentlich kündbare Arbeitnehmer.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung vom 23. Februar 1996 nicht beendet worden ist,
- falls er mit dem Feststellungsantrag obsiege, die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Bundesbahnarbeiter weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger sei wegen seiner körperlichen Konstitution nicht in der Lage, die Anforderungen der Stelle eines Boten in S zu erfüllen. Dort hätte er in ungeschützter Witterung und in Wechselschicht tätig werden müssen. Eine erneute Anhörung des Betriebsrats wegen der freien Stelle in S sei entbehrlich gewesen, weil der Kläger auf ihr ohnehin nicht hätte beschäftigt werden können. Eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist könne sofort nach Zustimmungserteilung durch die Hauptfürsorgestelle erklärt werden. Die förmliche Zustellung brauche der Arbeitgeber nicht abzuwarten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten sei als außerordentliche, betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist wirksam. Die Beklagte habe nicht wegen des Betriebsübergangs, sondern wegen des Wegfalls des Arbeitsplatzes des Klägers infolge seines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang gekündigt. Die Weiterbeschäftigung des Klägers sei weder auf seinem bisherigen noch auf irgendeinem anderen Arbeitsplatz möglich. Eine Tätigkeit als Bote in S könne der Kläger nach dem eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten wegen des erforderlichen Wechseldienstes bei jeder Witterung aus gesundheitlichen Gründen nicht ausfüllen. Eine umfassende Interessenabwägung ergebe, daß die Beklagte zur Kündigung berechtigt gewesen sei. Erst durch den Widerspruch des Klägers gegen den Betriebsübergang sei die Beschäftigungsmöglichkeit als Reinigungskraft bei der Betriebserwerberin weggefallen. Diese Tätigkeit hätte den gesundheitlichen Erfordernissen entsprochen. Der Betriebsrat sei vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört worden. Auch die erforderliche Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung habe vor Kündigungsausspruch vorgelegen.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in wesentlichen Teilen der Begründung. Die Rügen der Revision, §§ 15, 21 SchwbG und § 102 BetrVG seien verletzt, greifen nicht durch.
I. Nur eine außerordentliche Kündigung nach § 30 Abs. 3 Satz 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien beenden, weil beim Kläger tarifvertraglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen war. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 LTV ist ein Arbeiter, der wie der Kläger zumindest mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt ist, eine Eisenbahnzeit von 15 Jahren zurückgelegt und das 40. Lebensjahr vollendet hat, ordentlich unkündbar. Der LTV findet auf den tarifgebundenen Kläger Anwendung, weil sein Arbeitsverhältnis vom Bundeseisenbahnvermögen auf die Beklagte übergegangen und nicht mit der Beklagten neu begründet worden ist (§ 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Sicherung der Einkommen und Arbeitsbedingungen für die zur Deutschen Bahn AG übergeleiteten Arbeitnehmer).
II. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist aus wichtigem Grund gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 LTV, § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
1. Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Senatsrechtsprechung Urteile vom 9. März 1995 – 2 AZR 497/94 – und vom 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – AP Nr. 123 und 143 zu § 626 BGB, jeweils m.w.N., letzteres auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.
2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß im Falle der tariflichen Unkündbarkeit von Arbeitnehmern im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ein besonders strenger Prüfungsmaßstab anzulegen ist (Senatsurteil vom 3. November 1955 – 2 AZR 39/54 – BAGE 2, 214 = AP Nr. 4 zu § 626 BGB). Dringende betriebliche Erfordernisse können regelmäßig nur eine ordentliche Arbeitgeberkündigung nach § 1 KSchG rechtfertigen. Eine außerordentliche, betriebsbedingte Kündigung kann nur ausnahmsweise zulässig sein, denn zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko zählt auch die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem Arbeitgeber aber insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber deshalb dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hin sein Gehalt weiter zahlen müßte, obwohl er z.B. wegen Betriebsstillegung für dessen Arbeitskraft keine Verwendung mehr hat (Senatsurteil vom 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 –, aaO). Der Arbeitgeber hat auch bei einer danach zulässigen außerordentlichen Kündigung die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, den Arbeitnehmer mit besonderem tariflichen Kündigungsschutz durch eine fristlose Kündigung schlechter zu stellen als den Arbeitnehmer, dem gegenüber eine ordentliche Kündigung zulässig ist und dem aus demselben Kündigungsgrund nur ordentlich gekündigt werden könnte (Senatsurteil vom 5. Februar 1998, aaO).
3. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht in Anwendung dieser Grundsätze angenommen hat, der in wesentlichen Punkten unstreitige Kündigungssachverhalt sei an sich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet.
a) Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, den Arbeitsbereich „Reinigungsdienst” nicht mehr selbst zu betreiben, sondern an eine Fremdfirma zu vergeben, ist in diesem Bereich ein Arbeitskräfteüberhang entstanden und der Arbeitsplatz des Klägers bei der Beklagten weggefallen. Fand die Beklagte für den Kläger keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit außerhalb des Reinigungsdienstes, so mußte sie aufgrund des Widerspruchs des Klägers gegen den Betriebsübergang befürchten, den im Kündigungszeitpunkt knapp 47-jährigen Kläger bis zum Ablauf seines 65. Lebensjahres (vgl. § 6 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG) weiter vergüten zu müssen, ohne eine entsprechende Arbeitsleistung zu erhalten. Eine solche jahrelange Fortsetzung eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses allein durch Lohnzahlungen, denen keine Arbeitsleistung gegenübersteht, ist dem Arbeitgeber regelmäßig unzumutbar und stellt einen wichtigen Grund dar, das Arbeitsverhältnis des ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmers unter Gewährung einer Auslauffrist außerordentlich zu beenden.
b) Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß bei der Beklagten eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestand.
aa) Bestreitet der Arbeitnehmer im Falle einer betriebsbedingten Kündigung nur den Wegfall seines Arbeitsplatzes, so reicht der allgemeine Vortrag des Arbeitgebers aus, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Nur auf nähere Darlegung des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muß der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchem Grund eine anderweitige Beschäftigung nicht möglich gewesen sei (BAGE 42, 151, 158 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 2 der Gründe, m.w.N.).
bb) Bei der außerordentlichen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers muß der Arbeitgeber mit allen zumutbaren Mitteln, gegebenenfalls auch durch eine entsprechende Umorganisation und das Freimachen geeigneter gleichwertiger Arbeitsplätze, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb bzw. im Unternehmen versuchen (BAG Urteil vom 6. November 1997 – 2 AZR 253/97 – RzK I 6 f Nr. 15, zu II 3 c der Gründe; BAG Urteil vom 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – aaO, zu II 3 f der Gründe, m.w.N.). Wenn der ordentlich unkündbare Arbeitnehmer entsprechende Vorstellungen für seine Weiterbeschäftigung entwickelt, muß der Arbeitgeber substantiiert darlegen, weshalb trotz dieser verschärften Anforderungen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll (Senatsurteil vom 17. September 1998 – 2 AZR 419/97 – AP Nr. 148 zu § 626 BGB, zu II 6 der Gründe).
cc) Nach den gemäß § 561 ZPO für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestand danach keine Möglichkeit, den Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.
In der Berufungsinstanz hat sich der Kläger darauf beschränkt zu behaupten, er könne die Botentätigkeit in S ausüben. Daß er dazu gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme für den Senat bindend festgestellt, ohne daß der Kläger gegen die Beweiswürdigung irgendwelche Rügen vorgebracht hätte.
Soweit der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, er könne in seinem gelernten Beruf als Gleisbauer auch auf freien Arbeitsplätzen im Innendienst beschäftigt werden, etwa um Bestellungen von Bahnmeistereien entgegenzunehmen oder Zeichnungen für Meßtrupps anzufertigen, hat er seine erstinstanzliche Behauptung, der die Beklagte mit konkretem Sachvortrag entgegengetreten war, in der Berufungsinstanz nicht wiederholt. Darüber hinaus hat er in der Berufungsinstanz lediglich pauschal bestritten, daß im gesamten Unternehmen der Beklagten für ihn in seinem Arbeitsbereich keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehe. Weder hat der Kläger angegeben, an welchen Betrieb er denkt, noch die Art einer künftigen Beschäftigung konkretisiert. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht zu Recht nicht ausreichen lassen, eine erhöhte Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich des Fehlens einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit anzunehmen. Die Revision erhebt insoweit auch keine durchgreifenden Rügen.
c) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung (§ 626 Abs. 1 BGB) hält sich im Rahmen des revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums der Tatsacheninstanz. Das Berufungsgericht hat den hohen sozialen Besitzstand des Klägers mit einer über 20-jährigen Beschäftigungszeit, sein Lebensalter, seine gesundheitliche Konstitution sowie seine Arbeitsmarktchancen berücksichtigt und gegen die Verpflichtung der Beklagten abgewogen, ein inhaltsleeres Arbeitsverhältnis über einen Zeitraum von 17 Jahren fortzusetzen.
III. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Februar 1996 ist nicht deshalb unwirksam, weil sie wegen des Betriebsübergangs des Reinigungsdienstes auf die Fremdfirma erfolgt wäre (§ 613 a Abs. 4 BGB). Kündigt der bisherige Betriebsinhaber einem Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Beschäftigungsbetriebes auf einen anderen Unternehmer widersprochen hat, mit der Begründung, nunmehr bestehe für ihn keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr, so handelt es sich nicht um eine nach § 613 a Abs. 4 BGB unzulässige Kündigung (BAGE 82, 316, 326 = AP Nr. 81 zu § 102 BetrVG 1972, zu IV 1 der Gründe).
IV. Die Kündigung der Beklagten vom 23. Februar 1996 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat fehlerhaft angehört hätte (§ 102 BetrVG). Entgegen der Auffassung der Revision brauchte die Beklagte den Betriebsrat zu der später von ihr erwogenen und wieder verworfenen Weiterbeschäftigung des Klägers als Bote in S nicht anzuhören.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, daß auch eine nicht ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe die Unwirksamkeit einer Kündigung begründet (Senatsurteile vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39 = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972 und vom 6. Februar 1997 – 2 AZR 265/96 – AP Nr. 85 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe). Allerdings sind an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers in Anhörungsverfahren nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß. Es gilt der Grundsatz der sogenannten „subjektiven Determination”, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (Senatsurteil vom 6. Februar 1997 – 2 AZR 265/96 – aaO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Der Arbeitgeber hat die von ihm für maßgeblich erachteten Kündigungsgründe bei der Anhörung so zu umschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig werden kann (Senatsurteile vom 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – und vom 6. Februar 1997 – 2 AZR 265/96 – AP Nr. 73 und 85 zu § 102 BetrVG 1972, jeweils m.w.N.).
2. Zu den hiernach notwendigen Angaben für die Einleitung des Anhörungsverfahrens zählt nicht die Mitteilung über freie Arbeitsplätze, die aus der Sicht des Arbeitgebers mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer nicht besetzt werden können (BAG Urteil vom 30. Oktober 1987 – 7 AZR 138/87 – RzK III 2a Nr. 11, zu I 3 der Gründe).
3. Über ihre nachträglichen Erwägungen zu einer Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers als Bote in S brauchte die Beklagte den Betriebsrat danach nicht zu informieren. Nach der insoweit maßgebenden eigenen Einschätzung der Beklagten im Februar 1996, die durch die Bescheinigung des Betriebsarztes vom 26. Januar 1996 gestützt wird, wäre eine Beschäftigung des Klägers auf diesem freien Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht gekommen.
V. Die Kündigung ist auch nicht, wie die Revision geltend macht, wegen fehlender vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (§ 15 SchwbG) unwirksam.
1. Die Kündigung des mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderten Klägers bedurfte nach § 15 SchwbG der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Hauptfürsorgestelle am 23. Februar 1996 entschieden, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers werde erteilt. Die Zustimmungsentscheidung hat auch im Zeitpunkt ihrer telefonischen Mitteilung durch die Hauptfürsorgestelle am 23. Februar 1996 um 11.50 Uhr vorgelegen. Daß die Hauptfürsorgestelle nur eine beabsichtigte, später noch zu treffende Zustimmungsentscheidung vorab telefonisch mitgeteilt hätte, widerspräche dem üblichen Verwaltungsgang und will auch die Revision ersichtlich nicht behaupten. Die Beklagte hat dem Kläger damit nach der telefonischen Bekanntgabe der Zustimmungsentscheidung durch die Hauptfürsorgestelle, jedoch vor der förmlichen Zustellung des Zustimmungsbescheids gekündigt. Dies reicht nach §§ 15, 21 SchwbG aus.
2. Nach der ständigen und noch im Urteil vom 9. Februar 1994 (– 2 AZR 720/93 – BAGE 75, 358 = AP Nr. 3 zu § 21 SchwbG 1986, m.w.N.) erneut ausführlich begründeten Senatsrechtsprechung kann der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung gegenüber einem Schwerbehinderten nach § 21 Abs. 5 SchwbG schon dann erklären, wenn ihm die Hauptfürsorgestelle ihre Zustimmungsentscheidung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 21 Abs. 3 SchwbG mündlich oder fernmündlich bekannt gegeben hat; einer vorherigen Zustellung der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle bedarf es nicht (zustimmend Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Handbuch des Kündigungsrechts, 4. Aufl., Abschn. 20 Rz 55; KR-Etzel, 5. Aufl., § 21 SchwbG Rz 29; Neumann/Pahlen, SchwbG, 9. Aufl., § 21 Rz 19; Weber, SchwbG, Stand: Oktober 1998, § 21 Anm. 25 a; Wiegand, SchwbG, Stand: Juni 1998, § 21 Rz 29).
3. An dieser Rechtsprechung ist auch für den Fall einer außerordentlichen Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren, schwerbehinderten Arbeitnehmer festzuhalten. Auch nach der neueren Senatsrechtsprechung (Senatsurteil vom 5. Februar 1998, aaO) stellt die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem tariflich Unkündbaren eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB dar. Ist der Arbeitnehmer schwerbehindert, so finden deshalb die Regelungen des Schwerbehindertengesetzes für außerordentliche Kündigungen (§ 21 SchwbG) Anwendung. Die besondere Fristenregelung des § 21 Abs. 2 bis 5 SchwbG ergänzt § 626 Abs. 2 BGB und trägt dem Umstand Rechnung, daß es dem Arbeitgeber regelmäßig nicht möglich wäre, bis zum Ablauf der 14tägigen Ausschlußfrist bei einem schwerbehinderten Arbeitnehmer auch noch die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung einzuholen. Das Gesetz beschleunigt deshalb das Verfahren vor der Hauptfürsorgestelle, verlangt aber gleichzeitig vom Arbeitgeber eine rechtzeitige Antragstellung und, wenn die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB abgelaufen ist, ein unverzügliches Handeln nach Erteilung der Zustimmung. Im Gegensatz zu dem Verfahren bei der ordentlichen Kündigung hat der Senat daraus, daß der Gesetzgeber in § 21 SchwbG auf das „Treffen” der Entscheidung abstellt, hergeleitet, daß die außerordentliche Kündigung bereits erfolgen darf, nachdem die Hauptfürsorgestelle entschieden und diese Entscheidung in irgendeiner Form, ggf. telefonisch oder mündlich dem Arbeitgeber bekannt gemacht hat. Von dieser Rechtsprechung in Einzelfällen abzuweichen würde der in § 21 Abs. 3 SchwbG getroffenen gesetzlichen Regelung widersprechen. Der Arbeitgeber, der befürchten muß, bei einem weiteren Zuwarten werde seine außerordentliche Kündigung von der Rechtsprechung nicht mehr als „unverzüglich” (§ 21 Abs. 5 SchwbG) angesehen, würde auch in eine mit der Rechtssicherheit nicht mehr zu vereinbarende Ungewißheit gestürzt, wenn er sein Handeln danach ausrichten müßte, ob bei einem unkündbaren Arbeitnehmer nach seiner möglicherweise falschen Bewertung im Einzelfall die Frist des § 626 Abs. 2 BGB läuft oder ein „Dauertatbestand” anzunehmen ist, der nicht zum Fristablauf führt. Einen Wertungswiderspruch des Gewichts, daß er eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung erfordern würde, liegt hier nicht vor. Wenn der Gesetzgeber bei der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu einer außerordentlichen Kündigung auf das „Treffen” der Entscheidung, nicht jedoch auf die Zustellung des Bescheides abstellt, so besteht der Schutzzweck dieser Norm nicht darin, den schwerbehinderten Arbeitnehmer trotz des Vorliegens einer zustimmenden Entscheidung der Hauptfürsorgestelle für die wenigen Tage bis zur Zustellung des Zustimmungsbescheides vor einer Kündigung zu schützen. Ein Nachteil könnte dem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ohnehin allenfalls dann entstehen, wenn bei einer nur wenige Tage später ausgesprochenen Kündigung sich die Auslauffrist bis zum nächsten Kündigungstermin verlängern würde. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn sowohl die ausgesprochene außerordentliche Kündigung als auch eine nach Zustellung des Zustimmungsbescheides auszusprechende Kündigung hätten das Arbeitsverhältnis des Klägers zum selben Kündigungstermin beendet. Es kann deshalb dahinstehen, ob den Bedenken der Revision gegen eine Anwendung der bisherigen Senatsrechtsprechung auf tariflich unkündbare Arbeitnehmer wenigstens insoweit Rechnung getragen werden müßte, daß bei einem entsprechenden Sachverhalt die Auslauffrist zu verlängern wäre.
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Fischermeier, Rosendahl, Bensinger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.08.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 1999, 2424 |
NWB 1999, 4337 |
EBE/BAG 1999, 170 |
ARST 2000, 111 |
FA 1999, 378 |
FA 2000, 27 |
NZA 1999, 1267 |
SAE 2000, 127 |
ZAP 1999, 1138 |
ZTR 2000, 43 |
AP, 0 |
AuA 2000, 228 |
AuA 2000, 94 |
ZfPR 2000, 116 |
br 1999, 205 |
RdW 2000, 88 |
FuBW 2000, 755 |
FuHe 2001, 25 |
FuNds 2001, 56 |