Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsübertragung bei Arbeitsunfähigkeit
Normenkette
BUrlG § 7
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 10.01.1989; Aktenzeichen 11 Sa 1262/88) |
ArbG Bochum (Urteil vom 24.06.1988; Aktenzeichen 2 Ca 1072/88) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. Januar 1989 – 11 Sa 1262/88 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1975 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (MTV) Anwendung. In § 10 Nr. 8 MTV heißt es:
„Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.”
Vom 24. September 1986 bis zum 13. März 1988 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Vom 17. März bis 31. März 1988 gewährte die Beklagte dem Kläger 11 Tage seines restlichen Erholungsurlaubs für die Jahre 1986 und 1987. Mit der am 27. Mai 1988 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiteren Resturlaub für die genannten Jahre in unstreitiger Höhe. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 27 Tage Tarifurlaub aus dem Jahre 1987 zu gewähren.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, der Urlaub sei verfallen. Da der Kläger diesen erst am 16. März 1988 geltend gemacht habe, seien ihm nur noch die 11 Urlaubstage zu gewähren gewesen, die vor dem Verfallzeitpunkt lagen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als dem Kläger mehr als 24 Urlaubstage zugesprochen wurden. Mit der Revision bittet die Beklagte weiterhin um Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Gegenstand der Revision ist der restliche Urlaub des Klägers für 1987 nur insoweit, als das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, also in Höhe von 24 Tagen. Bezüglich der weiteren drei mit der Klage geforderten Tage hat das Landesarbeitsgericht, wie dem Zusammenhang seiner Ausführungen zu entnehmen ist, die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger keine Revision eingelegt. Zu Recht haben die Vorinstanzen den Klageanspruch in Höhe der noch streitigen 24 Urlaubstage bejaht.
1. Der Kläger hatte in den Jahren 1986 und 1987 Urlaubsansprüche erworben, die am 31. März 1988 in Höhe der 24 Tage nicht erfüllt waren. Soweit der Anspruch im Jahr 1986 entstanden war, erlosch er am 31. März 1987 nicht, weil der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte (§ 10 Nr. 8 MTV). Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
2. Der Urlaubsanspruch ist auch am 31. März 1988 nicht erloschen, sondern bestand noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts, am 10. Januar 1989.
a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger in der Zeit zwischen dem 13. März 1988, als seine Arbeitsunfähigkeit endete und dem 31. März 1988, dem Verfalltag, jedenfalls 24 der 38 rückständigen Urlaubstage nicht nehmen konnte. Grund dafür war, daß der Kläger bis 13. März 1988 arbeitsunfähig war und somit bis zum Verfalltag nur 14 Arbeitstage zur Verfügung standen, an denen der Kläger von der Arbeit freigestellt werden konnte. Hinsichtlich der übrigen 24 Tage war dies nicht möglich, weil der Kläger in dem dafür allein in Betracht kommenden Zeitraum vor dem 14. März 1988 arbeitsunfähig war. Insoweit ist der Urlaub daher am 31. März 1988 nicht erloschen, sondern zu dem Urlaubsanspruch des. Jahres 1988 hinzugetreten und wie dieser zu behandeln.
b) Die Revision meint, der restliche Urlaub sei am 31. März 1988 nicht in das neue Urlaubsjahr übertragen worden, weil der Kläger vor diesem Zeitpunkt seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt habe, man also bezogen auf den 31. März 1988 nicht sagen könne, der Kläger habe den Urlaub „wegen Krankheit” nicht nehmen können. Andererseits sei der Urlaub aber auch nicht deshalb in das Urlaubsjahr 1988 übertragen worden, weil der Kläger ihn erfolglos geltend gemacht habe (§ 10 Nr. 8 MTV). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setze die wirksame Geltendmachung voraus, daß der Urlaubsanspruch vor Eintritt der tariflichen Befristung noch erfüllt werden könne. Diese Möglichkeit habe bezüglich der 24 noch geforderten Tage nicht bestanden.
§ 10 Nr. 8 MTV setzt, soweit nach ihm Urlaub vom Verfall ausgenommen wird, der wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, nicht voraus, daß die Krankheit bis zum Verfallzeitpunkt gedauert hat. Dies verkennt die Revision. Aus dem für die Auslegung in erster Linie maßgebenden Tarifwortlaut (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Auch Urlaub, für dessen Gewährung die nach einer Erkrankung bis zum Verfalltag verbleibenden Arbeitstage nicht ausreichen, kann „wegen Krankheit” nicht genommen werden. Würde entgegen dem Tarifwortlaut angenommen, daß eine Krankheit bis zum Verfalltag andauern muß, damit die Rechtswirkung des § 10 Nr. 8 MTV eintritt, so würde dies dazu führen, daß derjenige, der erst nach dem Verfalltag wieder arbeitsfähig wird, gegenüber demjenigen begünstigt ist, dessen Arbeitsunfähigkeit vorher endet. Jener könnte den ganzen ihm verbliebenen Urlaub aus dem Vorjahr im neuen Urlaubsjahr nehmen, während dieser sich mit dem Resturlaub begnügen müßte, der ihm bis zum Verfalltag noch gewährt werden kann. Es spricht nichts dafür, daß die Tarifnorm denjenigen, der vor dem Verfallzeitpunkt seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, gegenüber dem, der später an den Arbeitsplatz zurückkehrt, in dieser Weise benachteiligt. Urlaub, der nach einer Krankheit nicht genommen werden kann, weil bis zum Verfalltag für die Urlaubsgewährung nicht genügend Arbeitstage zur Verfügung stehen, verfällt somit nicht.
Zu Unrecht verweist die Revision auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 7. November 1985 (BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BürlG Übertragung). Sie meint, in dieser Entscheidung seien von den 59 eingeklagten Urlaubstagen nur die 12 zugesprochen worden, die nach Zustellung der Klage (16. März 1983) bis zum Verfalltag (31. März 1983) hätten erfüllt werden können. Gleiches müsse auch hier gelten. Richtig ist, daß auch in jenem Fall die hier auszulegende Tarifnorm anzuwenden war. Die Revision verkennt aber, daß der Kläger jenes Rechtsstreits bereits seit 12. November 1982 wieder arbeitsfähig war. Er war somit in der Zeit vor dem 16. März 1983 nicht durch Krankheit gehindert, die weiteren 47 Urlaubstage zu nehmen. Deshalb war der Urlaub insoweit verfallen. Anders als im vorliegenden Rechtsstreit fand dort die letzte Tatbestandsvariante des § 10 Nr. 8 MTV keine Anwendung.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Dr. Meyer, Fox
Fundstellen