Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatenimmunität. Deutsche Gerichtsbarkeit als Prozeßvoraussetzung
Orientierungssatz
- Ein ausländischer Staat unterliegt hinsichtlich Bestandsstreitigkeiten mit Konsulatsangestellten, die originär konsularische (hoheitliche) Aufgaben wahrzunehmen haben, grundsätzlich nicht der deutschen Gerichtsbarkeit.
- Visaangelegenheiten gehören zu den originär konsularischen Aufgaben. Werden sie im Konsulat arbeitsteilig erledigt, so handelt es sich bei den Teiltätigkeiten dann um konsularische Aufgaben, wenn die ausgeübte Tätigkeit ein wesentlicher, nicht völlig untergeordneter Bestandteil der Visaerteilung ist.
- Der originär konsularische Charakter einer Tätigkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der ausländische Staat für die Tätigkeit ganz oder zum Teil die Dienste Privater in Anspruch nimmt.
Normenkette
GVG § 20 Abs. 2; WÜK Art. 5d
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des beklagten Staates wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Juni 2000 – 6 Sa 1582/99 – aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Staates wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 22. Juni 1999 – 5 Ca 1864/98 – abgeändert:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob der beklagte Staat der deutschen Gerichtsbarkeit für eine Klage unterliegt, mit der sich der Kläger gegen mehrere Abmahnungen, eine Anweisung des Arbeitgebers und eine Kündigung wendet.
Der Kläger trat 1993 als “Visa-Assistant” in die Dienste des beklagten Staates. Er war im Generalkonsulat in Frankfurt am Main tätig. In der Visa-Informationsabteilung beantwortete der Kläger telefonisch Anfragen und gab – ebenfalls telefonisch – anhand der Aktenlage Auskunft über den Sachstand laufender Visaverfahren. Der Kläger erzielte eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 5.416,00 DM. Er war eingruppiert in die VergGr. “FSN 7”, nach der auch diejenigen Mitarbeiter bezahlt werden, deren Aufgabe in der unterschriftsreifen Vorbereitung von Visa besteht. Die Unterschrift unter die Visa vollzieht stets ein Konsul. Die Visa-Informationsabteilung wurde inzwischen geschlossen. Die Beantwortung telefonischer Anfragen erledigt nun – zumindest teilweise – ein vom beklagten Staat beauftragtes Unternehmen.
Der beklagte Staat erteilte dem Kläger im Dezember 1996 eine Abmahnung; er warf dem Kläger mangelhaftes Taktgefühl und den Mißbrauch seiner Stellung zur Versendung von Kettenbriefen vor. Mit einer weiteren Abmahnung im Februar 1997 beanstandete der beklagte Staat im wesentlichen mangelhafte Leistungen und erneut fehlenden Takt. Im Dezember 1997 wies der beklagte Staat den Kläger an, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bereits am ersten Tag der Krankheit vorzulegen. Nachdem der Kläger sich hiergegen Anfang Februar 1998 gewandt hatte, erteilte der beklagte Staat dem Kläger am 10. und 11. Februar 1998 insgesamt vier weitere Abmahnungen, in denen er wiederum das Verhalten des Klägers kritisierte. Wiederholt hielt der beklagte Staat dem Kläger vor, sein Verhalten gegenüber dem Publikum – etwa Opernsängern, die ein Visum für einen Auftritt in den Vereinigten Staaten benötigten –, sei “eine Schande für die Regierung der Vereinigten Staaten”. Unter dem 2. April 1998 kündigte der beklagte Staat das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1998 mit der Begründung, der Kläger sei ein Sicherheitsrisiko.
Der Kläger verlangt Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte und macht die Unwirksamkeit der Anweisung des beklagten Staates von Dezember 1997 sowie der Kündigung geltend. Er hält die deutsche Gerichtsbarkeit für gegeben. Er habe keine hoheitlichen Tätigkeiten ausgeübt. Dagegen spreche die Vergabe der telefonischen Auskünfte an eine Fremdfirma. Außerdem sei ihm bei seiner Tätigkeit so gut wie kein Entscheidungsspielraum eingeräumt gewesen.
Der Kläger hat beantragt
- die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 20. Dezember 1996 nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 6. Februar 1997 nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 10. Februar 1998 nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung ebenfalls vom 10. Februar 1998 nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 11. Februar 1998 nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 11. Februar 1998 nebst dem dazugehörigen Schriftverkehr aus der Personalakte zu entfernen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Anweisung vom 19. Dezember 1997, für jeden Tag der Krankheit eine ärztliche Krankschreibung vorzulegen, zurückzunehmen,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 2. April 1998 zum 31. Mai 1998 aufgelöst wird, sondern ungekündigt fortbesteht.
Der beklagte Staat hat Abweisung der Klage beantragt. Er ist der Auffassung, für den vorliegenden Rechtsstreit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterliegen. Die Tätigkeiten des Klägers seien hoheitlicher Natur gewesen, jedenfalls aber würde eine Sachprüfung der Klagebegehren zu einer wertenden und beurteilenden Aussage über die Organisationsstruktur des Konsulates zwingen, womit eine Verletzung der Staatenimmunität verbunden wäre. Gegen den hoheitlichen Charakter der vom Kläger erledigten Aufgaben spreche nicht, daß der beklagte Staat ein Privatunternehmen beauftragt habe. Abgesehen davon würden Auskünfte zu laufenden Verfahren nach wie vor vom Generalkonsulat erteilt. Die Personalakten seien unverletzbare konsularische Archive und Schriftstücke iSd. Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK).
Das Arbeitsgericht hat gem. § 280 Abs. 1 ZPO abgesonderte Verhandlung angeordnet und durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage festgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Staates zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der beklagte Staat seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig.
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, Sieg, Pitsch
Fundstellen
Haufe-Index 839062 |
ARST 2003, 238 |
FA 2002, 382 |
JR 2003, 396 |
NZA 2002, 1416 |
ZTR 2003, 201 |
AP, 0 |
IPRspr. 2002, 128 |
NJOZ 2003, 1658 |