Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Kündigungsfristen. konstitutive Regelung. erheblich kürzere Kündigungsfrist für Arbeiter gegenüber Angestellten in den ersten beiden Beschäftigungsjahren. § 14 Nr. 3 MTV Friseurhandwerk in Hessen vom 9. Dezember 1991
Orientierungssatz
Die Grundfrist des § 14 Abs. 2 Ziff. 1a des MTV Friseurhandwerk in Hessen vom 9. Dezember 1991 für Arbeiter/innen von zwei Wochen zum Schluß einer Kalenderwoche bei einer Betriebszugehörigkeit bis zu zwei Jahren verstößt gemessen an der längeren für Angestellte geltenden Kündigungsfrist nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Wegen der Gleichgewichtigkeit der Tarifparteien ist zumindest dann, wenn sich dafür konkrete Anhaltspunkte ergeben, davon auszugehen, daß bei einer Gesamtbetrachtung der Kündigungsfristen in einem Tarifvertrag die Arbeitnehmerinteressen angemessen berücksichtigt werden.
Insoweit besteht eine materielle Richtigkeitsgewähr für die tariflichen Regelungen, die die Vermutung für sich haben, daß sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 622 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. August 1999 – 11 Sa 2559/98 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1. Juni 1996 in dem Friseursalon des Beklagten als Friseurin zu einem Bruttolohn von 2.700,00 DM monatlich beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Friseurhandwerk in Hessen vom 9. Dezember 1991 (MTV Nr. 3) Anwendung. Sein § 14 lautet:
“(1) Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseitig zum Schluß des nächsten Arbeitstags gekündigt werden.
(2) 1. Die Kündigungsfrist für Arbeiter/innen beträgt beider seitig bei einer Betriebszugehörigkeit
a) bis zu 2 Jahren
2 Wochen zum Schluß einer Kalenderwoche;
…
2. Die Kündigungsfrist für Angestellte beträgt beiderseitig bei einer Betriebszugehörigkeit
a) bis zu 1 Jahr
1 Monat zum Schluß eines Kalendermonats;
b) von mehr als 1 Jahr
6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres;”
Mit Schreiben vom 14. Februar 1998 kündigte der Beklagte der Klägerin mit der Frist des § 14 Abs. 2 Ziff. 1a MTV Nr. 3 zum 28. Februar 1998. Die Parteien streiten nur noch darum, ob diese Kündigung das Arbeitsverhältnis zu dem angegebenen Termin oder gemäß § 622 Abs. 1 BGB erst zum 15. März 1998 beendet hat.
Das Friseurhandwerk in Hessen ist kleinbetrieblich strukturiert. Die Beschäftigtenzahl liegt im Durchschnitt pro Betrieb unter drei Mitarbeitern. Die Klägerin zählt als Friseurin zu den ca. 98 % der gewerblichen Mitarbeiter im Friseurhandwerk. Nur etwa 2 % der Arbeitnehmer dieses Gewerbezweiges sind in den wenigen größeren Betrieben als Angestellte, insbesondere als Verkäufer, Rezeptionisten und Ausbildungsleiter tätig. Im hessischen Friseurhandwerk herrscht ein Mangel an qualifizierten gewerblichen Arbeitnehmern, der eine entsprechende Nachfrage nach solchen Mitarbeitern am Arbeitsmarkt auslöst.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die tarifliche Kündigungsfrist des § 14 Abs. 2 Ziff. 1a MTV Nr. 3 benachteilige grundlos die ganz überwiegende Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer des hessischen Friseurhandwerks im Verhältnis zu den wenigen Angestellten. Sie verstoße damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei durch die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB zu ersetzen.
Die Klägerin hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.350,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16. März 1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die tarifvertragliche Differenzierung zwischen den Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer und für Angestellte sei durch Sachgründe gerechtfertigt. Typisch für die Tätigkeit des gewerblichen Arbeitnehmers im Friseurhandwerk sei die enge persönliche Bindung zwischen dem Kunden und dem ihn unmittelbar bedienenden Friseur. Dieser persönliche Bezug führe im Falle von Kündigungen dazu, daß die Kunden ihrer gewohnten Bedienung folgten. Deshalb sei die Freistellung der gewerblichen Mitarbeiter im Friseurhandwerk während der Kündigungsfrist branchentypisch. Um die dadurch entstehende finanzielle Belastung erträglich zu halten, sei die Verkürzung der Kündigungsfristen, wie sie der Tarifvertrag vornehme, sachlich gerechtfertigt. Auch die Arbeitnehmerseite habe ein Interesse an den verkürzten Kündigungsfristen, weil sie bei der bestehenden starken Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften einen raschen Wechsel zu einem lukrativeren Arbeitsplatz ermögliche.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im zuletzt streitigen Umfang stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren oben wiedergegebenen Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Kündigung des Beklagten am 28. Februar 1998 geendet. Der Klägerin stehen deshalb keine weiteren Zahlungsansprüche zu.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 892452 |
ARST 2001, 237 |
FA 2001, 317 |
EzA |