Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlungsgrundsatz. Kündigungsfristen
Leitsatz (amtlich)
Die in § 14 MTV Nr. 3 für die Beschäftigten des Friseurhandwerks in Hessen geregelten unterschiedlichen Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
GG Art. 3 I
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 26.08.1998; Aktenzeichen 3 Ca 944/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 26.08.1998 – Az. 3 Ca 944/98 – teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits durch Teilvergleich vom 23.08.1999 streiten die Parteien noch um die Dauer der Frist für eine ordentliche Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.06.1996, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 10 d.A.), beim Beklagten von diesem Tage an als Friseurin zu einem monatlichen Bruttolohn von DM 2.700.00 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Manteltarifvertrag für das Friseurhandwerk in Hessen vom 09.12.1991 (MTV Nr. 3) Anwendung. Sein § 14 lautet:
(1) Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseitig zum Schluss des nächsten Arbeitstags gekündigt werden.
(2) 1. die Kündigungsfrist für Arbeiter/innen beträgt beiderseitig bei einer Betriebszugehörigkeit
a) bis zu 2 Jahren
2 Wochen zum Schluss einer Kalenderwoche;
…
2. Die Kündigungsfrist für Angestellte beträgt beiderseitig bei einer Betriebszugehörigkeit
bis zu 1 Jahr
1 Monat zum Schluss eines Kalendermonats;
von mehr als 1 Jahr
6 Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres; …
Das Friseurhandwerk in Hessen ist Kleinbetrieblich strukturiert. Die Beschäftigtenzahl liegt im Durchschnitt pro Betrieb unter 3 Mitarbeitern. Die Klägerin zählt als Friseurin zu den ca. 98% der gewerblichen Mitarbeiter im Friseurhandwerk. Nur etwa 2% der Arbeitnehmer dieses Gewerbezweiges sind in den wenigen größeren Betrieben als Angestellte, insbesondere als Verkäufer, Rezeptionisten und Ausbildungsletter tätig. Im hessischen Friseurhandwerk herrscht ein Mangel an qualifizierten Fachkräften, der eine entsprechende Nachfrage nach solchen Mitarbeitern am Arbeitsmarkt auslöst. Mit Schreiben vom 14.02.1998 kündigte der Beklagte der Klägerin mit der Frist des § 14 Abs. 2 Ziff. 1 a MTV Nr. 3 zu 28.02.1998 (Bl. 11 d.A.).
Die Klägerin hat gemeint, die vom Beklagten für sich in Anspruch genommene Kündigungsfrist verstoße gegen Art. 3 GG und sei daher unwirksam. Sie benachteilige nämlich grundlos die ganz überwiegende Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer des hessischen Friseurhandwerks im Verhältnis zu den wenigen Angestellten. Weder die Differenzierung bei der Dauer der Grundkündigungsfrist noch bei den Wartezeiten bis zur Verlängerung dieser Fristen sei sachlich gerechtfertigt. Die Klägerin hat daher die Auffassung vertreten, dass die unwirksame tarifvertragliche Kündigungsfrist durch die gesetzliche des § 622 Abs. 1 BGB zu ersetzen sei. Sie hat daher gemeint, dass die Kündigung des Beklagten das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien erst zum 15.03.1998 beendet habe und sie den Lohn bis zu diesem Zeitpunkt beanspruchen könne.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 1.496,50 brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16.03.1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, die tarifvertragliche Differenzierung zwischen den Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer und für Angestellte sei sachlich gerechtfertigt. Typisch für das Friseurhandwerk sei die enge persönliche Bindung zwischen dem Kunden und dem ihn unmittelbar bedienenden Friseur. Dieser persönliche Bezug führe im Falle von Kündigungen dazu, dass die Kunden ihrer gewohnten Bedienung folgten. Deshalb sei die Freistellung der gewerblichen Mitarbeiter im Friseurhandwerk während der Kündigungsfrist branchentypisch. Um die dadurch entstehende finanzielle Belastung im kleinbetrieblich strukturierten Friseurhandwerk erträglich zu halten, sei die Verkürzung der Kündigungsfristen in der tarifvertraglich vorgenommenen Weise sachlich gerechtfertigt. Auch die Arbeitnehmerseite habe ein Interesse an diesen verkürzten Kündigungsfristen, weil sie bei der bestehenden starken Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften einen raschen Wechsel zu einem lukrativeren Arbeitsplatz ermögliche.
Mit am 26.08.1998 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Wiesbaden – 3 Ca 944/98 – der Klage stattgegeben. Es hat die Differenzierung hinsichtlich der Kündigungsfristen für Angestellte und Arbeiter in § 14 Abs. 2 MTV Nr. 3 für verfassungswidrig gehalten und festgestellt, dass ein sachlicher Grund dafür nicht bestehe. Wegen der Argumentation des Arbeitsgerichts wird auf S. 9 – 11 des Urteils (Bl. 100-102 d.A.) ergänz...