Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersdiskriminierung. Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist. hinreichende Bestimmtheit der Klage. Schlüssigkeit der Klage. Bindung an Parteianträge. unselbständige Rechnungsposten
Leitsatz (redaktionell)
§ 6 Abs. 3 S. 2 a) i.V.m. § 6 Abs. 3 S. 4 a) TV UmBw diskriminiert unmittelbar Beschäftigte unter 55 Jahren, die eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweisen.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 308 Abs. 1; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Allgemeiner Teil – vom 13. September 2005 § 37 Abs. 1; Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001 § 6 Abs. 1, 3 S. 2 Buchst. a, S. 4 Buchst. a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revisionen der Beklagten und des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision des Klägers im Übrigen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2014 – 13 Sa 107/14 – teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. November 2013 – 8 Ca 504/11 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 921,48 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 9. August 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten erster Instanz trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden zu 81 % dem Kläger und zu 19 % der Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Höhe einer tariflichen Einkommenssicherungszulage.
Der Kläger ist 1963 geboren und unter Berücksichtigung von anrechenbaren Zeiten seit dem 14. März 1986 bei der beklagten Bundesrepublik beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Anwendung. Seit dem 1. Januar 2008 erfolgte eine Einkommenssicherung nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001. Der Kläger erhielt monatlich eine persönliche Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw in Höhe von zunächst 672,87 Euro brutto. Diese wurde bereits aufgrund der Tariflohnerhöhung zum 1. Januar 2008 zum ersten Mal erhöht. Zum 1. März 2013 wurde er von der EG 7 Stufe 6 in die EG 6 Stufe 6 herabgruppiert, was zu einer Veränderung der Zahlungshöhe der persönlichen Zulage führte.
In der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 4. Dezember 2007 bestimmte § 6 Abs. 3 TV UmBw zur Dynamisierung der persönlichen Zulage Folgendes:
„1Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. 2Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Abs. 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Abs. 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die
- eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,
- noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel
des Erhöhungsbetrages. … 4Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte
- das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,
- eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder
- zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Abs. 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag, nach dem Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung oder einem der Tarifverträge über den Rationalisierungsschutz vom 9. Januar 1987 eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.
…”
Eine inhaltlich gleichlautende Regelung enthält § 6 Abs. 3 TV UmBw idF des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom 10. Dezember 2010.
Aufgrund der seit dem 1. Januar 2008 erfolgten Entgelterhöhungen kürzte die Beklagte die persönliche Zulage nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw auf zuletzt 638,51 Euro brutto. Sie nahm dabei jeweils eine Kürzung um ein Drittel des auf das laufende Entgelt entfallenden Erhöhungsbetrags vor. Eine Entgeltkürzung wegen der Entgelterhöhungen zum 1. Januar und 1. August 2013 erfolgte nicht mehr, weil der Kläger zwischenzeitlich eine Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren erreicht hatte.
Der Kläger hat zunächst die Auffassung vertreten, die Zulage dürfe nur bezüglich des Erhöhungsbetrags gekürzt werden, der auf die persönliche Zulage selbst entfalle. Diesen Anspruch machte er erstmals mit Schreiben vom 11. November 2008 schriftlich geltend und hat mit seiner 2011 erhobenen Klage zunächst die sich aus dieser Rechtsauffassung ergebende Entgeltdifferenz für die Zeit von Januar 2008 bis einschließlich November 2011 begehrt.
Nachdem das Verfahren nach § 251 ZPO bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage geruht hatte, beruft sich der Kläger seit Aufnahme des Verfahrens mit Schriftsatz vom 15. Mai 2013, der der Beklagten am 28. Mai 2013 zugestellt worden ist, darauf, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw unmittelbar altersdiskriminierend sei, soweit danach die Zulage gekürzt werde, wenn der Arbeitnehmer wie der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweise, aber noch nicht mindestens 55 Jahre alt sei. Insoweit stützt sich der Kläger auf das obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –). Er müsse deshalb rückwirkend finanziell so gestellt werden, als sei nie eine Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf die persönliche Zulage erfolgt. Der Kläger hat unter Zugrundelegung dieses neuen Rechtsstandpunkts die Klage für die Zeit bis einschließlich 31. August 2013 durch bezifferte Leistungsklage erweitert. Zur Berechnung der Klageforderung für den Streitzeitraum Januar 2008 bis August 2013 hat er eine ExcelTabelle erstellt und diese erläutert. Von der sich danach ergebenden Gesamtforderung von 4.933,40 Euro hat er den ursprünglichen Klagebetrag abgezogen und hinsichtlich der Differenz die Klage erweitert.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für den gesamten Streitzeitraum die tarifliche Ausschlussfrist bereits mit der Geltendmachung vom 11. November 2008 gewahrt.
Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – zuletzt beantragt
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.955,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.977,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Kläger habe die tarifliche Ausschlussfrist versäumt. Die Wirksamkeit der Anrechnungsregelung an sich sei nicht Streitgegenstand der ursprünglich vom Kläger angestrengten Klage gewesen. Er stütze sich nunmehr auf eine diametral entgegengesetzte Begründung.
Das Arbeitsgericht hat den in die Revision gelangten Zahlungsanträgen stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat dem Kläger nur die mit dem Antrag zu 1. begehrte Nachzahlung zugesprochen. Insoweit sei die Ausschlussfrist gewahrt. Der mit dem Antrag zu 2. verfolgte Betrag sei dagegen der Höhe nach unschlüssig. Es fehle an einer Berechnung, welcher Betrag Monat für Monat gefordert werde. In der vorgelegten Excel-Tabelle fänden sich nur diverse Zahlenkolonnen und nicht nachvollziehbare Berechnungen, die sich auf mehrere Jahre bezögen. Es fehle an einem bestimmten Antrag und der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes der erhobenen Forderung.
Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision wenden sich diese im Umfang ihres wechselseitigen Unterliegens gegen die Entscheidung der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw altersdiskriminierend ist und der Kläger darum für den streitbefangenen Zeitraum grundsätzlich Anspruch auf eine uneingeschränkte Dynamisierung der persönlichen Zulage hatte. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Klage hinsichtlich des Antrags zu 2. unschlüssig bzw. nicht hinreichend bestimmt ist. Die vor November 2012 fällig gewordenen Ansprüche des Klägers auf Entgeltnachzahlung sind allerdings verfallen. Dem Kläger steht nur eine Nachzahlung von 921,48 Euro brutto für die Zeit von November 2012 bis August 2013 zu. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet und die Revision des Klägers erfolglos.
I. Die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, die wie der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweisen, soweit sie innerhalb dieses Personenkreises Beschäftigte wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt. Das hat für die hier allein streitbefangene Vergangenheit im Ergebnis eine „Anpassung nach oben” zur Folge, so dass der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung einer uneingeschränkt gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw dynamisierten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw erworben hatte. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 18. Februar 2016 (– 6 AZR 700/14 – Rn. 16 ff.) Bezug und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf.
II. Die vor November 2012 fällig gewordenen Ansprüche auf Zahlung der ungekürzt dynamisierten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw sind jedoch gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Das rügt die Revision der Beklagten zu Recht. Der Kläger hat erst mit dem am 28. Mai 2013 zugestellten Schriftsatz vom 15. Mai 2013 die Ausschlussfrist für die ab dem 30. November 2012 fällig gewordenen Ansprüche auf die begehrte Entgeltdifferenz gewahrt.
1. Die Ansprüche sind für die Zeit vor der Geltendmachung des zuletzt verfolgten Anspruchs auf Zahlung einer ungekürzten und damit uneingeschränkt dynamisierten persönlichen Zulage mit Schriftsatz vom 15. Mai 2013 gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 18. Februar 2016 (– 6 AZR 628/14 – Rn. 15 ff.) Bezug.
2. Die Ausschlussfrist wurde bereits durch den der Beklagten am 28. Mai 2013 zugestellten Wiederaufnahmeschriftsatz vom 15. Mai 2013 gewahrt. Darin hat der Kläger unter Bezug auf das obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (– 6 AZR 359/11 –) geltend gemacht, hinsichtlich des Personenkreises, dem er angehöre, liege eine unzulässige Altersdiskriminierung vor, so dass die Beklagte verpflichtet sei, die Kürzungen „vollständig zurückzunehmen” und die Beträge an den Kläger zurückzuzahlen. Damit hat er bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, welcher Forderung er sich berühmt und dass er auf der Erfüllung dieser Forderung besteht. Die Beklagte konnte nach ihrem Empfängerhorizont ohne Weiteres erkennen, um welche Forderung es sich handelt. Auch wenn der Kläger seinen Anspruch in dem Schriftsatz noch nicht beziffert hat, war für die Beklagte, die über das erforderliche Rechenwerk verfügte, die Höhe des Anspruchs mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar. Auch konnte sie die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt werden sollte, ebenso erkennen wie den Umstand, dass der Kläger den nunmehr geltend gemachten Anspruch – soweit im Rahmen der Ausschlussfrist möglich – auch rückwirkend geltend machen wollte. Der Vergangenheitsbezug ergab sich aus dem Verlangen, die Kürzungen „vollständig” zurückzunehmen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, auf die kürzeren Ausschlussfristen nach dem AGG komme es nicht an, weil der Kläger keine Entschädigung oder Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG begehre, sondern die Erfüllung der Hauptleistungspflicht der Beklagten durch Zahlung einer höheren und diskriminierungsfreien Vergütung anstrebe. Das greift die Revision der Beklagten nicht an.
IV. Das Landesarbeitsgericht ist aber rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Klage sei hinsichtlich des Antrags zu 2. nicht hinreichend bestimmt bzw. nicht hinreichend schlüssig. Es hat zudem keine eindeutige Trennung dieser beiden Prüfpunkte, die unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, vorgenommen. Insoweit hat die Revision des Klägers Erfolg.
1. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verletzt hat, weil es die Klage hinsichtlich des Antrags zu 2. als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat.
a) Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Sie hat den Streitgegenstand dazu so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage” zusammensetzt (BAG 24. März 2011 – 6 AZR 691/09 – Rn. 21). Genügt die Klage diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig (BAG 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – Rn. 18).
b) Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch den von ihm mit dem Antrag zu 2. geforderten Betrag in einer Weise aufgeschlüsselt, der sich noch nachvollziehbar entnehmen lässt, wie sich die Gesamtsumme auf die verschiedenen Einzelansprüche verteilt (zu dieser Anforderung BAG 24. März 2011 – 6 AZR 691/09 – Rn. 23). Die tabellarische Darstellung der Forderung in der Excel-Tabelle auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 31. Juli 2013 genügt unter Berücksichtigung ihrer Erläuterung im selben Schriftsatz § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil ihr entnommen werden kann, welche Beträge für die einzelnen Monate des Klagezeitraums beansprucht werden (vgl. BAG 24. März 2011 – 6 AZR 691/09 – Rn. 24; BGH 17. Juli 2015 – V ZR 84/14 – Rn. 33). In der Zeile „mtl. Differenz” ist in der Tabelle die sich nach Auffassung des Klägers jeweils ergebende monatliche Differenz beziffert aufgeführt. In der darunter stehenden Zeile „Gesamtbetrag” ist der sich jeweils für das gesamte Jahr errechnende Forderungsbetrag genannt. Eine derartige Hochrechnung und Zusammenfassung in Jahresbeträge steht im Einklang mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BAG 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – Rn. 21). Ob die Einsatzbeträge zutreffen und die Berechnung rechnerisch richtig ist, ist keine Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Klageforderung, sondern der Begründetheit der Klage.
c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Klage auch nicht deshalb unbestimmt, weil der Kläger den Betrag, um den er mit dem Schriftsatz vom 31. Juli 2013 die Klage erweitert hat, durch einfache Subtraktion des bereits eingeklagten Betrags von der sich aus der Excel-Tabelle ergebenden Gesamtforderung errechnet hat. Ungeachtet dessen lässt sich der Tabelle entnehmen, welchen Teil des erst mit der Klageerweiterung in den Prozess eingeführten Streitzeitraums die weitere Forderung von 1.977,44 Euro mit welchen Beträgen abdecken soll. Der gesamte mit dem Antrag zu 2. geforderte Betrag soll mit den aus der Excel-Tabelle ersichtlichen einzelnen Monats- und daraus errechneten Jahresbeträgen ausschließlich auf den mit der Klageerweiterung in den Prozess eingeführten Streitzeitraum entfallen. Auch insoweit führen etwaige Rechenfehler allein zur teilweisen Unbegründetheit der Klage, haben aber nicht ihre mangelnde Bestimmtheit zur Folge.
d) Allerdings geht das Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass der Kläger sein Rechenwerk deutlich übersichtlicher hätte gestalten können, wie es den Bevollmächtigten in Parallelverfahren ohne Weiteres gelungen ist. Dem Kläger ist jedoch zugutezuhalten, dass seine Klage einen langen Streitzeitraum umfasste und zahlreiche Rechenschritte erforderte. Die persönliche Zulage war aufgrund der Dynamisierung insgesamt achtmal zu erhöhen, wobei die Herabgruppierung ab dem 1. März 2013 und die dadurch eingetretene Erhöhung der Zulage zu berücksichtigen war. Der so gefundene Betrag musste der tatsächlich gezahlten Zulage gegenübergestellt werden, was zu zahlreichen unterschiedlichen Differenzbeträgen während des Streitzeitraums führte. Eine Partei ist nicht gehalten, von der Erhebung einer Klage abzusehen, weil ihre Forderung ihrer Entstehung und/oder Höhe nach wegen der Anzahl der erforderlichen Rechenschritte nicht einfach darzustellen ist. In einem solchen Fall muss sich vielmehr das Gericht der Mühe unterziehen, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, wenn dieser, wie vorliegend, noch den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht (vgl. BVerfG 30. Juni 1994 – 1 BvR 2112/93 – zu III 2 a der Gründe). Es bleibt allerdings dem Tatsachengericht unbenommen, dem Kläger aufzugeben, sein Rechenwerk zu konkretisieren und übersichtlicher darzustellen.
2. Die Klage ist für die Zeit seit dem 1. November 2012 auch nicht wegen fehlender Schlüssigkeit als unbegründet abzuweisen. Sachvortrag zur Begründung des Klageanspruchs ist schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die geltend gemachten Rechte als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. In welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muss, hängt vom Einzelfall ab (vgl. BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 23; 17. April 2013 – 10 AZR 185/12 – Rn. 14). Der Substantiierungspflicht ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund des Vorbringens nicht beurteilen kann, ob die Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (BGH 10. Juni 2002 – II ZR 68/00 – zu II 3 der Gründe). Dabei muss sich das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht selbst aus Anlagen heraussuchen, die der Kläger lediglich in Bezug nimmt (BGH 17. Juli 2015 – V ZR 84/14 – Rn. 34). Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern, diesen aber nicht ersetzen (BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 29, BAGE 141, 330). Diesen Anforderungen genügte das Vorbringen des Klägers noch.
V. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. August 2013, in dem die Forderung nicht verfallen ist, ein Nachzahlungsbetrag von 921,48 Euro brutto zu. In diesem Umfang ist seine Revision begründet.
1. Dem Kläger stand unter Berücksichtigung der – unstreitigen – Erhöhung der Zulage durch seine zum 1. März 2013 erfolgte Herabgruppierung aus der EG 7 in die EG 6 für November und Dezember 2012 jeweils eine persönliche Zulage von 755,21 Euro brutto, für Januar und Februar 2013 jeweils von 765,78 Euro brutto, für die Zeit von März bis einschließlich Juli 2013 von jeweils 857,63 Euro brutto und für August 2013 von 869,64 Euro brutto zu:
Ausgangsbetrag |
Erhöhung um |
Dynamisierte Zulage |
672,87 Euro |
3,1 % = 20,86 Euro |
seit 1.1.08 693,73 Euro |
693,73 Euro |
2,8 % = 19,42 Euro |
seit 1.1.09 713,15 Euro |
713,15 Euro |
1,2 % = 8,56 Euro |
seit 1.1.10 721,71 Euro |
721,71 Euro |
0,6 % = 4,33 Euro |
seit 1.1.11 726,04 Euro |
726,04 Euro |
0,5 % = 3,63 Euro |
seit 1.8.11 729,67 Euro |
729,67 Euro |
3,5 % = 25,54 Euro |
seit 1.3.12 755,21 Euro |
755,21 Euro |
1,4 % = 10,57 Euro |
seit 1.1.13 765,78 Euro |
|
Erhöhung der Zulage wegen Herabgruppierung zum 1.3.13 |
seit 1.3.13 857,63 Euro |
857,63 Euro |
1,4 % = 12,01 Euro |
seit 1.8.13 869,64 Euro |
2. Gegenzurechnen sind die aus der Excel-Tabelle ersichtlichen Zahlbeträge von monatlich 660,37 Euro brutto für November und Dezember 2012, von 669,62 Euro brutto für Januar und Februar 2013, von jeweils 772,04 Euro brutto für März bis einschließlich Juli 2013 und schließlich von 782,85 Euro brutto für August 2013.
3. a) Der Kläger hat damit grundsätzlich Anspruch auf folgende Brutto-Nachzahlungen:
Monat |
Zustehende Differenz |
November 2012 |
94,84 Euro |
Dezember 2012 |
94,84 Euro |
Januar 2013 |
96,16 Euro |
Februar 2013 |
96,16 Euro |
März 2013 |
85,59 Euro |
April 2013 |
85,59 Euro |
Mai 2013 |
85,59 Euro |
Juni 2013 |
85,59 Euro |
Juli 2013 |
85,59 Euro |
August 2013 |
86,79 Euro |
Gesamtsumme |
896,74 Euro |
b) Aufgrund der durch § 308 Abs. 1 ZPO angeordneten Bindung an die Parteianträge sind dem Kläger jedoch insoweit nur 854,94 Euro brutto zuzusprechen.
aa) Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Allerdings darf das Gericht bei einheitlichem Streitgegenstand grundsätzlich die einzelnen, unselbständigen Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs der Höhe nach verschieben. Es darf dabei hinsichtlich einzelner Rechnungsposten über das Geforderte hinausgehen, solange die Endsumme nicht überschritten wird (vgl. BGH 10. Juli 2012 – VI ZR 341/10 – Rn. 36, BGHZ 194, 26; 16. November 1989 – I ZR 15/88 – zu II 3 der Gründe).
bb) Ein solcher Fall, der insbesondere bei Einzelelementen von Reparaturkosten in Betracht kommt (vgl. BGH 7. Juni 2011 – VI ZR 260/10 – Rn. 7), liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger hat vielmehr beantragt, ihm für bestimmte Monate bestimmte monatliche Differenzbeträge zuzusprechen, die er für den gesamten streitbefangenen Zeitraum aufsummiert und in zwei Teilbeträgen eingeklagt hat. An die vom Kläger vorgenommene Zuordnung bestimmter Differenzbeträge zu bestimmten Monaten – die, wie ausgeführt, die Klage überhaupt erst hinreichend bestimmt macht – ist das Gericht gebunden. Darum darf eine Saldierung der Monate, für die ein zu geringer Betrag gefordert ist, mit den Monaten, für die zu viel eingeklagt ist, die nur durch die Höhe der Gesamtforderung begrenzt wäre, nicht erfolgen. Der Senat würde dann dem Kläger für einzelne Zeitabschnitte, für die er eine zu geringe Differenz verlangt, mehr zusprechen als von ihm gefordert (vgl. für Schadensrentenansprüche BGH 7. November 1989 – VI ZR 278/88 – zu II 1 der Gründe; aA wohl für auf ein Kalenderjahr bezogene Urlaubsabgeltungsansprüche BAG 22. Oktober 2009 – 8 AZR 865/08 – Rn. 30).
cc) Dem Kläger sind deshalb nur folgende Bruttodifferenzbeträge zuzusprechen:
Monat |
Zustehende Differenz |
Begehrte Differenz |
Zuzusprechende Differenz |
11/2012 |
94,84 Euro |
73,94 Euro |
73,94 Euro |
12/2012 |
94,84 Euro |
73,94 Euro |
73,94 Euro |
1/2013 |
96,16 Euro |
96,16 Euro |
96,16 Euro |
2/2013 |
96,16 Euro |
96,16 Euro |
96,16 Euro |
3/2013 |
85,59 Euro |
96,16 Euro |
85,59 Euro |
4/2013 |
85,59 Euro |
96,16 Euro |
85,59 Euro |
5/2013 |
85,59 Euro |
96,16 Euro |
85,59 Euro |
6/2013 |
85,59 Euro |
96,16 Euro |
85,59 Euro |
7/2013 |
85,59 Euro |
96,16 Euro |
85,59 Euro |
8/2013 |
86,79 Euro |
97,60 Euro |
86,79 Euro |
Gesamtsumme |
896,74 Euro |
918,60 Euro |
854,94 Euro |
4. Darüber hinaus steht dem Kläger der begehrte „Mehrbetrag Jahressonderzahlung” von 66,54 Euro brutto, dh. 90 % der vom Kläger in seiner ExcelTabelle errechneten monatlichen Differenz für das Jahr 2012, die 73,94 Euro betragen soll, für November 2012 zu. Dieser Betrag ist nicht verfallen, weil die Jahressonderzahlung gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT mit dem Entgelt für November und damit gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT am 30. November 2012, einem Freitag, fällig war.
VI. Die Zinsentscheidung folgt aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da die Klageerweiterung vom 31. Juli 2013 der Beklagten am 8. August 2013 zugestellt worden ist, beginnt der Zinslauf am 9. August 2013.
VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten erster Instanz aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Steinbrück, Lauth
Fundstellen