Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigte Lehrerin. Ausschlußfrist. Übliche Vergütung
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT §§ 70, 3 Buchst. Q; TVG § 1 Auslegung
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 20.07.1990; Aktenzeichen 9 Sa 735/90) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 06.03.1990; Aktenzeichen 7 Ca 7017/89) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Juli 1990 – 9 Sa 735/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 30. Juni 1987 eine Vergütungsnachzahlung (anteilige Vergütung nach der VergGr. II a BAT) in Höhe von 2.261,55 DM brutto zu zahlen.
Die Klägerin ist Diplom-Kauffrau. Sie ist seit dem 1. August 1985 bei dem beklagten Land als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft an einer beruflichen Schule beschäftigt. Die Parteien haben ihre Rechtsbeziehungen in verschiedenen Formularverträgen geregelt. Danach hat die Klägerin acht Unterrichtsstunden zu einem festgesetzten Vergütungssatz je Einzelstunde (Jahreswochenstunden) zu erteilen. Sie bleibt damit unter der anteiligen Vergütung der bei der Beklagten tätigen und nach der Anlage 1 a zum BAT vergüteten angestellten Lehrkräfte.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die mit ihr vereinbarten Vergütungen nach Jahreswochenstunden verstießen gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Mit ihrer Klage verlangt sie von dem beklagten Land den Differenzbetrag zwischen der ihr tatsächlich gewährten Vergütung und der ihr nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag zustehenden anteiligen Vergütung. Diese Differenz beträgt für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 30. Juni 1987 unstreitig 2.261,55 DM brutto.
Die Klägerin hat Ansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1985 mit Schreiben vom 18. Dezember 1987 geltend gemacht.
Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung – zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.261,55 DM nebst 4 % Zinsen auf den darauf entfallenden Nettoanteil seit dem 28. Dezember 1988 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Ansprüche der Klägerin seien, nach § 70 BAT verfallen, jedenfalls aber nach § 242 BGB verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet, sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat auf dem von ihm festgestellten Sachverhalt die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. In diesem Ausgangspunkt ist ihm beizupflichten. Aber auch in den übrigen Teilen seiner Begründung ist ihm im wesentlichen zu folgen.
II. Der Senat hat – seit seiner eben genannten ersten einschlägigen Entscheidung vom 25. Januar 1989 – bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verbindung mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Die im öffentlichen Dienst als die übliche Vergütung im Sinne der genannten Vorschrift anzusehende Vergütung sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung. Daher hätten die teilzeitbeschäftigten Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (vgl. BAGE 61, 43, 50 f. = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu IV 1 der Gründe; vgl. weiter Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Hieran wird festgehalten.
III. Die – der Höhe nach unstreitigen – Ansprüche der Klägerin sind weder verfallen (§ 70 BAT) noch verwirkt (§ 242 BGB).
1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft die Höhe der Vergütung. Diese ist im öffentlichen Dienst üblicherweise die tarifliche Vergütung. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – etwa rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche ausschlußklausel gebunden zu sein (so ausdrücklich Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.
2. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß (und auch weiterhin in nur geringfügig verändertem zeitlichen Umfang ausschließt), hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989, BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Daß dies geschehen sei, ist nicht festgestellt und von den Parteien auch nicht vorgetragen worden.
3. Die Klägerin braucht sich nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen.
4. Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Anspruch der Klägerin sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei, dazu hat die Beklagte nichts vorgetragen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Kessel, Blank-Abel
Fundstellen