Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Bogenmontierer
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 21.10.1987 4 AZR 49/87.
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, als Montierer beschäftigt. Ihm obliegt zu 70 % seiner Gesamtarbeitszeit das Anfertigen von ein- oder mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen. Mit dem Anfertigen von Einteilungsbogen, Montagebogen sowie dem Erstellen von Ausschieß- und Falzschemen ist er nicht befaßt. Diese Tätigkeiten werden im Betrieb der Beklagten von der Arbeitsvorbereitung ausgeführt. Nachdem materielle Ansprüche der Arbeitnehmer seit dem 1. Oktober 1984 aus dem neuen Lohnrahmentarifvertrag vom 6. Juli 1984 hergeleitet werden konnten, zahlte die Beklagte dem Kläger Lohn nach Lohngruppe V sowie eine übertarifliche Zulage.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm Lohn nach Lohngruppe VII zustehe. Seine überwiegende Tätigkeit sei als Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII der Anlage zum Lohnrahmentarifvertrag aufgeführt. Zwar enthalte das Richtbeispiel Nr. 8 noch den Zusatz: "(incl. Anfertigen von Einteilungsbogen, Montagebogen sowie Erstellen von Ausschieß- und Falzschemen)" und führe er diese im Klammerzusatz genannten Arbeiten nicht aus; dies stehe jedoch der begehrten Eingruppierung nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien hätten im Klammerzusatz nur Vorbereitungsarbeiten für die Bogenmontage ausgeführt. Daraus folge, daß sie für eine Eingruppierung in Lohngruppe VII nicht auch die Ausführung dieser Arbeiten für erforderlich halten, sondern nur zum Ausdruck bringen wollen, daß diese Arbeiten der Bogenmontage zuzurechnen seien, wenn die Bogenmontage nicht die überwiegende Tätigkeit des Arbeitnehmers ausmache. Überwiege das Anfertigen von ein- oder mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen, bedürfe es der Ausführung der im Klammerzusatz genannten Arbeiten für den Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe VII nicht. Im übrigen erfülle seine Tätigkeit auch die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII, da sie große bis sehr große Anforderungen an die Aufmerksamkeit wie Genauigkeit und Konzentration stelle und mit einer großen bis sehr großen Verantwortung für die Betriebsmittel und für die eigene Arbeit verbunden sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. den Kläger mit Wirkung ab 1. Oktober 1984 in die
Lohngruppe VII des jeweils gültigen Lohnabkommens
für die Druckindustrie einzugruppieren;
2. die tarifliche Jahres-Sonderzahlung 1984 auf
der Grundlage der Lohngruppe VII des ab 1. Oktober
1984 gültigen Lohnabkommens für die Druckindustrie
neu zu berechnen und den Differenzbetrag an den
Kläger auszukehren.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß die Tätigkeit des Klägers die Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII nicht erfülle. Das Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII erfordere nicht nur die Anfertigung von ein- oder mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen, sondern auch die Ausführung der im Klammerzusatz genannten Tätigkeiten. Dies ergebe sich schon aus dem Tarifwortlaut. Die Tarifvertragsparteien hätten damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß nur die Ausführung aller im Richtbeispiel Nr. 8 genannten Tätigkeiten einen Lohn nach Lohngruppe VII rechtfertige. Da der Kläger keinerlei Vorbereitungsarbeiten für die Bogenmontage zu verrichten habe, erfülle seine Tätigkeit auch nicht die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, daß er nur noch den Klageantrag zu 1) als Feststellungsantrag stellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe VII nicht zu.
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Kläger hat in der Revisionsinstanz klargestellt, daß er mit seinen Klageanträgen zu 1) und zu 2) nicht die Verurteilung der Beklagten zu einer unbestimmten Leistung begehrt, die er insbesondere in bezug auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 1984 ohne weiteres hätte beziffern können, sondern insgesamt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, an ihn ab 1. Oktober 1984 Lohn nach Lohngruppe VII des Lohnrahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschl. Berlin-West) (LRTV) zu zahlen. Mit dieser aufgrund des Sachvortrags des Klägers gebotenen Auslegung seiner Klageanträge handelt es sich um eine allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit weder nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO noch nach § 256 Abs. 1 ZPO Bedenken bestehen. Ein Interesse an alsbaldiger Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger Lohn nach Lohngruppe VII zu zahlen, ist trotz des Umstandes begründet, daß der Kläger eine übertarifliche Zulage erhält, die nach seinem Sachvortrag zumindest zur Zeit der Klageerhebung den Tariflohn nach Lohngruppe VII überstieg. Zwar muß grundsätzlich ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines bestimmten Tariflohns verneint werden, wenn der Arbeitnehmer auf nicht absehbare Zeit einen Effektivlohn erhält, der den vom Arbeitnehmer geltend gemachten Tariflohn übersteigt (BAG Urteil vom 1. April 1987 - 4 AZR 485/86 - nicht zur Veröffentlichung vorgesehen); vorliegend ergibt sich ein Interesse an alsbaldiger Feststellung des Tariflohnes nach Lohngruppe VII allerdings bereits daraus, daß dieser Auswirkungen auf die Höhe der Jahressonderzahlung für das Jahr 1984 und die folgenden Jahre hat. Im Hinblick darauf ist ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Lohnrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschl. Berlin-West) (LRTV) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Nach § 4 Ziffer 1 Satz 1 LRTV ist der Arbeitnehmer aufgrund der von ihm vertraglich auszuübenden bzw. ausgeübten Tätigkeit in eine der Lohngruppen des § 3 LRTV einzugruppieren. Erfüllt seine Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale einer Lohngruppe, so steht dem Arbeitnehmer ein entsprechender tariflicher Lohnanspruch zu. Der Entscheidung des Arbeitgebers kommt damit nur deklaratorische Bedeutung zu.
Für die Eingruppierung ist nach § 4 Ziff. 2 LRTV die überwiegende Tätigkeit maßgebend. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats (BAG Beschluß vom 10. Dezember 1986 - 4 ABR 20/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen; Beschluß vom 10. Dezember 1986 - 4 ABR 21/86 - nicht zur Veröffentlichung vorgesehen) nicht nur dann, wenn der Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten ausübt, die verschiedenen Lohngruppen zuzuordnen sind, wie sich aus dem Wortlaut des § 4 Ziff. 2 LRTV ergibt. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien in § 4 Ziff. 2 LRTV ein häufig bei der tariflichen Bewertung von Tätigkeiten verwendetes Prinzip herangezogen, wonach sich die Eingruppierung nach der im Vergleich zur Gesamtarbeitszeit zeitlich überwiegenden Tätigkeit richtet. Erfüllt die überwiegende Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale einer bestimmten Lohngruppe, so kommt es auf die tarifliche Bewertung von Tätigkeiten, die in zeitlich geringerem Umfang anfallen, nicht mehr an.
Für die Eingruppierung der überwiegenden Tätigkeit sind nach § 4 Ziff. 1 Satz 2 LRTV die abstrakten Merkmale entscheidend. In den abstrakten Merkmalen jeder Lohngruppe haben die Tarifvertragsparteien in den Lohngruppen II bis VII Bewertungskriterien hinsichtlich der Qualifikation, der geistigen Beanspruchung, der muskelmäßigen Beanspruchung und der Verantwortung normiert. Dazu bestimmt der Schlußabsatz in Lohngruppe VII:
Die in den Tätigkeitsmerkmalen aufgeführten
Bewertungskriterien sind nicht in jedem Falle
kumulativ zu verstehen. Im Zweifel wird die
Bewertung der den einzelnen Lohngruppen zugeordneten
Richtbeispiele als Auslegungshilfe
herangezogen.
Diese Vorschrift ist in Verbindung mit § 4 LRTV dahin auszulegen, daß die Erfordernisse einer Lohngruppe dann als erfüllt anzusehen sind, wenn ein Arbeitnehmer eine einem dieser Lohngruppe zugeordneten Richtbeispiel entsprechende Tätigkeiten überwiegend auszuüben hat. Wenn die Tarifvertragsparteien bestimmen, daß "im Zweifel" die Bewertung der den einzelnen Lohngruppen zugeordneten Richtbeispiele als "Auslegungshilfe" heranzuziehen ist, so bringen sie damit zum Ausdruck, daß sie die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer Lohngruppe - auch wenn nicht alle Bewertungskriterien vorliegen - dann als erfüllt ansehen, wenn die Tätigkeit in dieser Lohngruppe als Richtbeispiel aufgeführt ist. Diese Auslegung entspricht auch der ständigen Senatsrechtsprechung zur Bedeutung von Tätigkeitsbeispielen in tariflichen Eingruppierungsregelungen. Wenn allgemein gefaßten Tätigkeitsmerkmalen - hier: die abstrakten Merkmale in den Lohngruppen des Lohnrahmentarifvertrages - in einer bestimmten Vergütungsgruppe konkrete Beispiele beigefügt sind, sind nach der Senatsrechtsprechung die allgemeinen Erfordernisse der betreffenden Vergütungsgruppe regelmäßig schon dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit auszuüben hat. Durch Tätigkeitsbeispiele legen die Tarifvertragsparteien nämlich grundsätzlich verbindlich fest, daß diese Tätigkeiten den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der betreffenden Beschäftigungs- oder Vergütungsgruppe entsprechen. Sie bringen mit Tätigkeitsbeispielen erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck, daß die dort angeführten Tätigkeiten die vorangestellten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale erfüllen. Dies entspricht auch den bei der Tarifauslegung besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Praktikabilität, denen die Tarifvertragsparteien bei der Abfassung von Tarifnormen im allgemeinen gerecht werden wollen (BAGE 45, 121, 125 f. = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 12. März 1986 - 4 AZR 534/84 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie).
Die vorliegenden tariflichen Regelungen enthalten keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien den Richtbeispielen eine andere Bedeutung beimessen wollen, als es dem zuvor gekennzeichneten Wesen eines Beispiels allgemein entspricht. Vielmehr ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, daß die Tarifvertragsparteien mit den Richtbeispielen in den Lohngruppen I bis VII, die in sich häufig auch noch verschiedene Alternativen aufweisen, im wesentlichen die für die Druckindustrie typischen Tätigkeiten erfassen und durch die Zuordnung zu einer Lohngruppe tariflich bewerten wollten. Im Hinblick darauf kann den Richtbeispielen nicht nur die Bedeutung beigemessen werden, daß sie lediglich als zusätzliches Kriterium in den Ausnahmefällen heranzuziehen sind, in denen eine kumulative Erfüllung der Bewertungskriterien eines abstrakten Tätigkeitsmerkmals nicht zweifelsfrei festzustellen ist.
Auf die abstrakten Tätigkeitsmerkmale muß allerdings dann zurückgegriffen werden, wenn das Richtbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können oder eine Tätigkeit in den Richtbeispielen nicht aufgeführt ist. Auch hier entspricht es aber dem Willen der Tarifvertragsparteien, der mit der Verwendung der Bezeichnung "Auslegungshilfe" deutlich zum Ausdruck kommt, daß die Richtbeispiele bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in den abstrakten Tätigkeitsmerkmalen und bei der tariflichen Bewertung von Tätigkeiten, die als Richtbeispiel nicht genannt sind, heranzuziehen sind (BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung mit weiteren Nachweisen; Urteil vom 12. März 1986 - 4 AZR 534/84 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie).
Das gleiche gilt, sofern eine Tätigkeit nicht in vollem Umfang der in einem Richtbeispiel genannten Tätigkeit entspricht. Auch in diesem Falle ist zu prüfen, ob die Tätigkeit die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der beanspruchten Lohngruppe erfüllt. Bei dieser Prüfung sind allerdings die Richtbeispiele wiederum als Auslegungshilfe heranzuziehen. Ist die Tätigkeit als Richtbeispiel in einer niedrigeren Lohngruppe aufgeführt, so kann sie nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer höheren Lohngruppe subsumiert werden. Ist die Tätigkeit in keinem Richtbeispiel einer niedrigeren Lohngruppe aufgeführt, so bleibt zu prüfen, ob sie die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der begehrten Lohngruppe erfüllt, obwohl sie den Anforderungen des entsprechenden Richtbeispiels nicht in vollem Umfange genügt.
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß für die überwiegende Tätigkeit des Klägers, die in dem Anfertigen ein- oder mehrfarbiger paßgenauer Bogenmontagen besteht, das Richtbeispiel Nr. 8 der Lohngruppe VII in Betracht kommt. Dieses hat folgenden Wortlaut:
Anfertigen von ein- oder mehrfarbigen
paßgenauen Bogenmontagen (incl. Anfertigen
von Einteilungsbogen, Montagebogen sowie
Erstellen von Ausschieß- und Falzschemen).
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Tätigkeit des Klägers diesem Richtbeispiel entspricht. Zwar führe er keine der im Klammerzusatz genannten Tätigkeiten aus, da diese im Betrieb der Beklagten der Arbeitsvorbereitung übertragen seien; dies stehe der begehrten Eingruppierung jedoch nicht entgegen*Bei den im Klammerzusatz genannten Arbeiten handele es sich um Vorbereitungsarbeiten für die ein- oder mehrfarbige paßgenaue Bogenmontage. Daraus, daß die Tarifvertragsparteien diese Vorbereitungsarbeiten im Unterschied zu anderen Richtbeispielen nicht in den Tariftext, sondern in einen Klammerzusatz aufgenommen hätten, folge, daß sie nur Bedeutung gewinnen sollten, wenn die ein- oder mehrfarbige paßgenaue Bogenmontage nicht die überwiegende Tätigkeit sei. In diesem Falle seien die im Klammerzusatz genannten Vorbereitungsarbeiten der Bogenmontage hinzuzurechnen. Überwiege hingegen die Bogenmontage, so sei das Richtbeispiel erfüllt, ohne daß es auf die Ausführung der im Klammerzusatz genannten Arbeiten ankomme.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Der Verwendung des Klammerzusatzes im Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII kann nicht entnommen werden, daß die überwiegende Tätigkeit des Arbeitnehmers nur teilweise der im Richtbeispiel genannten Tätigkeit entsprechen müsse, um den Schluß auf die Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII zu begründen. Eine solche Abweichung von dem allgemeinen Eingruppierungsgrundsatz nach § 4 Ziff. 2 LRTV hätte eindeutig und zweifelfrei im Tarifwortlaut zum Ausdruck kommen müssen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist nur dann der Schluß gerechtfertigt, daß die überwiegende Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale der begehrten Lohngruppe erfüllt, wenn sie in vollem Umfange der im Richtbeispiel genannten Tätigkeit entspricht. Insbesondere hat der Senat das Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII dahingehend ausgelegt, daß die Tarifvertragsparteien durch die Verwendung des Wortkürzels "incl." zum Ausdruck gebracht haben, daß alle in der Klammer aufgeführten Tätigkeiten ausgeführt werden müssen, um die Anforderungen des Richtbeispiels zu erfüllen. Der Wortlaut der tariflichen Bestimmungen läßt keine andere Auslegung zu. Die Tarifvertragsparteien haben im Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII das Anfertigen von ein- und mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen genannt. Sie haben diese Umschreibung einer der Lohngruppe VII zuzuordnenden Bogenmontage aber nicht für ausreichend gehalten und deshalb im Klammerzusatz im einzelnen die Tätigkeiten aufgeführt, die zu einer Bogenmontage gehören, die den Anforderungen der Lohngruppe VII entspricht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit den genannten Tätigkeiten eine Qualifizierung der Bogenmontage gekennzeichnet werden soll oder es sich um geringerwertige Vorbereitungsarbeiten handelt; jedenfalls haben die Tarifvertragsparteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, welche Tätigkeiten ausgeführt werden müssen, um den Anforderungen des Richtbeispiels zu entsprechen. Dies folgt daraus, daß vor die Aufzählung der Tätigkeiten, nämlich dem Anfertigen von Einteilungs- und Montagebogen sowie dem Erstellen von Ausschieß- und Falzschemen das Wortkürzel "incl." gesetzt wurde. Dies ist eine Abkürzung des Wortes "inclusive bzw. inklusive", welches nach allgemeinem Sprachgebrauch "einschließlich, eingeschlossen, inbegriffen" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 3, S. 746) bedeutet. Damit läßt der Tarifwortlaut keine andere Auslegung als diejenige zu, daß die Tätigkeit der Bogenmontage im Sinne des Richtbeispiels Nr. 8 zur Lohngruppe VII alle in der Klammer genannten Tätigkeiten einschließt. Wird eine Tätigkeit oder werden sogar alle in dem Klammerzusatz genannten Tätigkeiten, wie vorliegend vom Kläger, nicht ausgeführt, sind die Anforderungen des Richtbeispiels nicht erfüllt.
Das Landesarbeitsgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht nicht geprüft, ob die vom Kläger überwiegend ausgeübte Tätigkeit des Anfertigens von ein- oder mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen den abstrakten Tätigkeitsmerkmalen der Lohngruppe VII entspricht. Es bedurfte jedoch deshalb nicht der Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils. Der Senat vermag diese Prüfung vielmehr selbst vorzunehmen, da alle maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind und der Kläger zur Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII über seinen bisherigen Sachvortrag hinaus auch in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Tatsachen vorzutragen vermochte. Danach rechtfertigt die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit nicht den Schluß auf die Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII.
Die Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Tätigkeit des Anfertigens von ein- oder mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen in vollem Umfange in den Richtbeispielen einer niedrigeren Lohngruppe als der Lohngruppe VII ausdrücklich genannt ist. Montagetätigkeiten haben die Tarifvertragsparteien als Richtbeispiel in der Lohngruppe V genannt, und zwar:
Nr. 6
Montieren einfacher Formen; Herstellen von Negativ- oder
Positivkopien im Kopierrahmen; Offsetdruckplatten
manuell oder maschinell entwickeln, Platten korrigieren
und nachbehandeln
Nr. 10
Montieren und Umbrechen von Text und Bild in Film
und Papier sowie Ausführen von Haus- und Autorkorrekturen
Nr. 11
Vorbereiten und Durchführen von Seitenmontagen (auch
Teilseiten)
Nr. 17
Vorbereitung und Durchführung von Montagen (Negativ-,
Positiv- oder Color-Montagen, konventionelle oder
Scanner-Decker, Fotostatvorbereitung).
Die Bogenmontage ist in diesen Richtbeispielen nicht ausdrücklich genannt. Selbst wenn sie zu den Montagen zählen sollte, die im Richtbeispiel Nr. 17 im Klammerzusatz aufgezählt sind, so fehlt es deshalb trotzdem an einer hinreichenden Bestimmtheit, daß die Tarifvertragsparteien ein- oder mehrfarbige paßgenaue Bogenmontagen ohne die Ausführung der im Klammerzusatz zum Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII genannten Tätigkeiten ausschließlich der Lohngruppe V zuweisen wollten. Demgemäß kommt es darauf an, ob diese Tätigkeit des Klägers ohne Ausführung der im Klammerzusatz genannten Tätigkeiten die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII erfüllt.
Da bei der Prüfung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale die Richtbeispiele wiederum als Auslegungshilfe heranzuziehen sind, können beim Fehlen einer in einem Richtbeispiel erwähnten Teiltätigkeit, wie vorliegend den Vorbereitungsarbeiten für die Bogenmontage, die abstrakten Tätigkeitsmerkmale jedoch nur dann erfüllt sein, wenn zur Bogenmontage Tätigkeiten hinzukommen, die das Fehlen der Vorbereitungsarbeiten ausgleichen und deshalb den Schluß auf die Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zulassen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann der tariflichen Bestimmung des Richtbeispiels Nr. 8 zur Lohngruppe VII nämlich nicht entnommen werden, daß die im Klammerzusatz aufgeführten Tätigkeiten für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit nicht herangezogen werden sollen, sondern nur für den zeitlichen Umfang der Bogenmontage maßgeblich sind. Zusammenhangsarbeiten sind bei den Richtbeispielen nämlich ohnehin zu berücksichtigen, ohne daß es in jedem Richtbeispiel eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises bedarf (BAG Beschluß vom 16. Juni 1987 - 4 ABR 63/86 - nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Wenn die Tarifvertragsparteien hingegen bestimmen, daß die Richtbeispiele als Auslegungshilfe heranzuziehen sind und im Richtbeispiel Nr. 8 zur Lohngruppe VII im Klammerzusatz bestimmte Tätigkeiten ausdrücklich erwähnen, so rechtfertigt dies nur den Schluß, daß es zur Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII mehr bedarf als der Anfertigung ein- oder zweifarbiger paßgenauer Bogenmontagen ohne die Ausführung der im Klammerzusatz genannten Tätigkeiten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung insoweit selbst auf § 4 Ziffer 1 Satz 3 LRTV verwiesen. Danach sind erweiterte Arbeitsaufgaben bei der Eingruppierung entsprechend zu berücksichtigen. Daraus folgt, daß die Tätigkeit, die den Anforderungen eines Richtbeispiels nicht in vollem Umfange entspricht, die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der begehrten Lohngruppe dann erfüllen kann, wenn zum Ausgleich für die im Einzelfall fehlende Tätigkeit andere Tätigkeiten hinzukommen, die tariflich gleichermaßen zu bewerten sind. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats zu vergleichbaren Fallgestaltungen, bei denen die Erfüllung enumerativ genannter Aufgaben durch eine gleichwertige Tätigkeit ersetzt werden kann (BAG Urteil vom 11. März 1987 - 4 AZR 229/86 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Diese Auslegung der tariflichen Bestimmungen steht auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Senats in dem Beschluß vom 10. Dezember 1986 - 4 AZR 21/86 - (nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Dort hatte der Senat ausgeführt, daß die überwiegende Zuordnung von Montagearbeiten zur Lohngruppe V den Schluß rechtfertigt, daß die Tarifvertragsparteien nur die im Richtbeispiel Nr. 8 genannte Bogenmontage einschließlich der in der Klammer genannten Tätigkeiten der Lohngruppe VII zuordnen wollten. Diese Ausführungen beruhten jedoch darauf, daß das Landesarbeitsgericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes die Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII in bezug auf die in dem dortigen Verfahren tariflich zu bewertende Tätigkeit abgelehnt hatte. Vorliegend macht damit der Kläger zu Recht geltend, daß die Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale nicht mit der Begründung abgelehnt werden könne, daß seine Tätigkeit die Anforderungen des Richtbeispiels Nr. 8 zur Lohngruppe VII nicht in vollem Umfange erfülle. Der Kläger hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß darauf zulassen, daß er über die Anfertigung von ein- oder mehrfarbigen paßgenauen Bogenmontagen hinaus Tätigkeiten ausübt, die das Fehlen der im Klammerzusatz genannten Aufgaben aufwiegen. Damit fehlt es an der Schlüssigkeit seines Vortrages hinsichtlich der Erfüllung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen nach §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Dr. Konow Schmalz
Fundstellen