Entscheidungsstichwort (Thema)
Karenzentschädigung bei Wohnsitzwechsel
Leitsatz (amtlich)
1. Der vertragliche Anspruch auf Karenzentschädigung bleibt im Interesse der Mobilität dem Arbeitnehmer anrechnungsfrei erhalten, soweit er zusammen mit dem anderweitigen Erwerb nach § 74 c Abs. 1 HGB 110 % oder im Falle einer notwendigen Wohnsitzverlegung 125 % des früheren Arbeitsentgelts nicht übersteigt. Mit der erhöhten Anrechnungsfreigrenze von 125 % werden die Mehraufwendungen ausgeglichen, die der Arbeitnehmer durch den Umzug erleidet. Außerdem wird ein Anreiz geschaffen, sich nach einer neuen Arbeit umzusehen (Anschluß an BAG Urteil vom 17. Mai 1988 - 3 AZR 482/86 - AP Nr. 14 zu § 74 c HGB).
2. Ein Arbeitnehmer ist durch das Wettbewerbsverbot gezwungen, seinen Wohnsitz zu verlegen, wenn er nur außerhalb seines bisherigen Wohnorts eine Tätigkeit ausüben kann, die nach Art, Vergütung und beruflichen Chancen seiner bisherigen Tätigkeit nahekommt (Fortführung des BAG Urteils vom 10. September 1985 - 3 AZR 31/84 - AP Nr. 12 zu § 74 c HGB). Ist am bisherigen Wohnsitz ein Unternehmen ansässig, bei dem die Aufnahme einer Tätigkeit dem Arbeitnehmer verboten ist, so muß der Arbeitnehmer nicht nachweisen, daß er – das nachvertragliche Wettbewerbsverbot hinweggedacht – bei diesem auch tatsächlich eine Anstellung gefunden hätte (Fortführung des Senatsurteils vom 8. November 1994 - 9 AZR 4/93 - AP Nr. 17 zu § 74 c HGB).
Normenkette
HGB §§ 74b, 74c
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Oktober 1997 - 2 Sa 794/97 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Karenzentschädigung zu zahlen.
Der Kläger ist promovierter Physiker. Nach Abschluß seines Studiums stellte ihn die Beklagte 1991 als Testingenieur ein. Nach vorübergehender Beschäftigung in Köln versetzte sie ihn im Herbst 1991 nach München. Dort wurde der Kläger bei der Siemens AG im Unternehmensbereich „Öffentliche Netze” für das Projekt Elektronisches Wählsystem Digital (EWSD) mit der Entwicklung von Testgeräten, Vermittlungsanlagen und entsprechender Software eingesetzt. Vor der Versetzung vereinbarten die Parteien in Ergänzung einer bereits im Arbeitsvertrag enthaltenen Wettbewerbsklausel:
„Herr Dr. R verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Ausscheiden aus der Firma keine weitere Tätigkeit im Rahmen des Projektes, in dem er zuletzt für die O -Gruppe eingesetzt worden ist, durchzuführen und demnach insoweit weder für den Auftraggeber der O -Gruppe noch für ein etwaiges anderes Unternehmen, das von dem Auftraggeber der O -Gruppe beauftragt worden ist oder wird, tätig zu werden.
Der Arbeitgeber verpflichtet sich, für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen zu zahlen.
Die §§ 74 -- 75b HGB sind entsprechend anwendbar. Das Wettbewerbsverbot entfällt bei Beendigung der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers.”
Seit Juli 1993 erhielt der Kläger von der Beklagten ein Grundgehalt von 66.300,00 DM pro Jahr, zahlbar in 13 Monatsraten von je 5.100,00 DM, sowie eine monatliche Leistungszulage von 750,00 DM und als pauschale Entschädigung für Dienstfahrten und Mehrverpflegungsaufwand 840,00 DM monatlich. 1994 erhöhte die Beklagte die Pauschale auf 1.340,00 DM. Als im Herbst 1995 ein Auftragsrückgang eintrat, kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1995. Er bewarb sich erfolglos u.a. bei mehreren im Münchener Raum ansässigen Unternehmen. Von einem in Düsseldorf ansässigen Mobilfunkunternehmen erhielt er eine Einstellungszusage. Darauf teilte er der Beklagten mit, wegen des Wettbewerbsverbots sei er zur Verlegung seines Wohnsitzes gezwungen. Am 1. Januar 1996 nahm er in dem Entwicklungs- und Testzentrum des Düsseldorfer Mobilfunkunternehmens eine mit seiner vorherigen Arbeit vergleichbare Tätigkeit als Testingenieur auf. Dort erhielt er im Jahre 1996 an Vergütung: im Januar 6.154,00 DM, im Februar 6.154,00 DM, im März 6.154,00 DM, im April 6.154,00 DM, im Mai 6.154,00 DM, im Juni 7.446,00 DM, im Juli 6.380,00 DM, im August 6.380,00 DM, im September 6.461,00 DM, im Oktober 7.559,00 DM, im November 6.703,00 DM und im Dezember 7.559,00 DM. Die Beklagte weigerte sich, eine Karenzentschädigung zu zahlen.
Mit der am 19. April 1996 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Verwertung seiner nach dem Studium erworbenen beruflichen Qualifikation sei nur als Testingenieur im Bereich des Mobilfunks möglich gewesen. In München und Umgebung habe 1996 dazu nur im Unternehmensbereich Öffentliche Netze der Siemens AG Gelegenheit bestanden. Wegen des vertraglichen Verbots habe er davon Abstand genommen, sich dort um eine Anstellung oder ein freies Mitarbeiterverhältnis zu bewerben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Karenzentschädigung in Höhe von 28.566,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1996 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 5.600,06 DM verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von weiteren 16.766,94 DM brutto nebst 4 % Zinsen verurteilt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte, die Berufung des Klägers vollständig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat rechtskräftig die Klageforderung wegen eines Teilbetrages von 6.199,00 DM abgewiesen. In dieser Entscheidung hat es festgestellt, daß von der monatlichen Aufwandsentschädigung, die die Beklagte dem Kläger 1995 gezahlt hat, tatsächlich 840,00 DM dem Ersatz von Auslagen gedient haben. Daran ist nach § 561 ZPO das Revisionsgericht bei der Ermittlung der Höhe der dem Kläger auszuzahlenden Karenzentschädigung gebunden.
II. Die Beklagte war nach der von den Parteien am 27. August 1991 getroffenen Vereinbarung während des vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1996 bestehenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verpflichtet, dem Kläger zu den bereits vom Arbeitsgericht rechtskräftig zugesprochenen 5.600,06 DM weitere 16.766,94 DM Entschädigung zu zahlen. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
1. Im schriftlichen Zusatzvertrag vom 27. August 1991 hat sich der Kläger verpflichtet, nach seinem Ausscheiden weder unmittelbar noch mittelbar für das Projekt EWSD der Siemens AG tätig zu werden. Im Gegenzug hat die Beklagte dem Kläger einen Anspruch auf Entschädigung für die Dauer der Karenz in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen eingeräumt. Dieser Anspruch ist nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstanden und nach § 74 b Abs. 1 HGB jeweils am Schluß eines jeden Monats im Jahre 1996 fällig geworden.
2. Das Landesarbeitsgericht hat die für 1996 geschuldete Karenzentschädigung mit 101.625,00 DM angegeben. Das ist unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht hat die Höhe der vertraglich vereinbarten Karenzentschädigung mit der Anrechnungsfreigrenze i.S.v. § 74 c Abs. 1 Satz 2 HGB verwechselt.
Zur richtigen Ermittlung der Höhe der geschuldeten monatlichen Entschädigung ist nach § 74 Abs. 2 HGB von den Bezügen für den letzten Bezugszeitraum als Bemessungsgrundlage auszugehen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat zuletzt der Kläger an vertragsgemäßen Leistungen im Jahre 1995 monatlich 6.775,00 DM bezogen. Dieser Betrag ergibt sich aus der Summe der vertragsgemäßen Leistungen, soweit sie nicht zum Ersatz besonderer Auslagen dienen sollen (vgl. § 74 b Abs. 3 HGB). Zu berücksichtigen waren: das Gehalt mit 5.100,00 DM, die Leistungszulage mit 750,00 DM, das anteilige 13. Monatsgehalt mit 425,00 DM und die seit 1994 gewährte Gehaltszulage mit 500,00 DM. Zwar hat die Beklagte die Gewährung der zusätzlichen Leistung von 500,00 DM als pauschalen Aufwendungsersatz bezeichnet. Nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts diente dieser Bezug jedoch nicht dem Ersatz besonderer Auslagen. Er war daher in Ansatz zu bringen. Die vertraglich geschuldete Entschädigung „in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen” betrug somit für jeden Monat des Jahres 1996 3.387,50 DM und für das gesamte Jahr 40.650,00 DM.
3. Die Beklagte war nicht zur Auszahlung der vollen vertraglichen Entschädigung für die in den Monaten Januar bis Dezember 1996 jeweils fällig gewordenen Teilbeträge verpflichtet. Sie durfte nach § 74 c Abs. 1 HGB auf die geschuldete Entschädigung insgesamt 18.283,00 DM von dem Erwerb, den der Kläger bei dem neuen Arbeitgeber zum gleichen Zeitraum verdient hat, anrechnen. Entgegen der Revision mußte sich der Kläger nicht mehr anrechnen lassen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, war der Kläger durch das Wettbewerbsverbot gezwungen, seinen Wohnsitz von München nach Düsseldorf zu legen. Daher war die erhöhte Anrechnungsfreigrenze nach § 74 c Abs. 1 Satz 2 HGB anzuwenden und die Beklagte nur insoweit zur Anrechnung des anderweitigen Erwerbs berechtigt, wie die Entschädigung unter Hinzurechnung des anderweitigen Erwerbs den Betrag der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen um mehr als ein Viertel überstieg.
a) Ein Zwang zur Wohnsitzverlegung i.S.d. § 74 c Abs. 1 Satz 2 HGB besteht, wenn der durch ein Wettbewerbsverbot behinderte Arbeitnehmer eine neue Arbeitsstelle außerhalb seines bisherigen Wohnortes antritt, weil er nur dort eine Tätigkeit ausüben kann, die nach Art, Vergütung und Aufstiegschancen seiner bisherigen Tätigkeit nahekommt, und dies eine Wohnsitzverlegung erfordert (BAG Urteile vom 17. Dezember 1973 - 3 AZR 283/73 - BAGE 25, 444, 448 = AP Nr. 2 zu § 74 c HGB, zu II 2 der Gründe; vom 23. Februar 1982 - 3 AZR 676/79 - AP Nr. 9 zu § 74 c HGB; vom 10. September 1985 - 3 AZR 31/84 - AP Nr. 12 zu § 74 c HGB; Senatsurteil vom 8. November 1994 - 9 AZR 4/93 - AP Nr. 17 zu § 74 c HGB).
b) Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor. Der Kläger konnte nur außerhalb von München bei einem anderen Betreiber von Test- und Entwicklungszentren für Mobilfunk einer der bisherigen Art entsprechende Beschäftigung finden.
Der Kläger hat nach Abschluß seines Physikstudiums ausschließlich berufliche Erfahrungen als Systemspezialist für das Elektronische Wählsystem Digital (EWSD) im Rahmen eines Projekts der Siemens AG erworben. Nach dem Inhalt des Zusatzvertrages war dem Kläger die Aufnahme einer abhängigen oder selbständigen Tätigkeit für die das Projekt weiterführende Sparte der Siemens AG verwehrt. Andere Möglichkeiten zur Verwertung seiner praktischen Qualifikation bestanden jedenfalls 1996 in München nicht. Ein weiterer Betreiber eines Mobilfunknetzes, bei dem der Kläger seine Fähigkeiten hätte einbringen können, hat nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers erst 1997 in München seine Tätigkeit aufgenommen. Der Kläger war nicht gehalten, eine andersgeartete Beschäftigung anzunehmen, für die er erst durch eine längere Einarbeitungszeit berufliche Erfahrungen hätte sammeln müssen. Im übrigen hat der Kläger durch die Vorlage von fünf abschlägig beschiedenen Bewerbungen auch nachgewiesen, daß er sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolglos bemüht hat, außerhalb seiner Spezialtätigkeit als Testingenieur für den Mobilfunk eine Stelle in der Region München zu finden.
c) Die Revision rügt erfolglos, daß nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht das Wettbewerbsverbot, sondern dessen Erfolglosigkeit bei der Stellensuche ursächlich für die Wohnsitzverlegung gewesen sei. Die Beklagte verkennt, daß die Erhöhung der Anrechnungsgrenze in § 74 c Abs. 1 HGB von 110 % auf 125 % einen Anreiz zur Erhöhung der Mobilität des Arbeitnehmers bieten soll, damit der Arbeitnehmer sich auch außerhalb des bisherigen Wohnsitzes nach Arbeit umsieht und so den Arbeitgeber durch den anderweitigen Erwerb von der vollen Zahlung der Karenzentschädigung entlastet (BAG Urteil vom 17. Mai 1988 - 3 AZR 482/86 - AP Nr. 14 zu § 74 c HGB).
d) Die Revision kann auch nicht mit der Rüge durchdringen, für die Verlegung des Wohnsitzes sei das vereinbarte Verbot nicht ursächlich geworden, weil der Kläger weder als Angestellter noch als Selbständiger von der Siemens AG im Projekt EWSD beschäftigt worden wäre.
Die Beklagte verkennt die Anforderungen, die an die „Ursächlichkeit” eines Wettbewerbsverbots für die Wohnsitzverlegung zu stellen sind. Der Arbeitnehmer muß nicht darlegen und ggf. nachweisen, daß er, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot hinweggedacht, bei dem am Ort ansässigen Wettbewerber angestellt worden wäre. Der Senat hat bereits ausgeführt, daß es abwegig ist, vom Arbeitnehmer einen Bewerbungsversuch zu verlangen, solange er bei positiven Ausgang des Bewerbungsverfahrens nicht von einem Anstellungsangebot des gesperrten Wettbewerbers Gebrauch machen darf (Senatsurteil vom 8. November 1994 - 9 AZR 4/93 - AP Nr. 17 zu § 74 c HGB). Im Schrifttum ist daraus geschlossen worden, daß ein Zwang zur Wohnsitzverlegung i.S.d. § 74 c Abs. 1 HGB nicht voraussetze, daß der Arbeitnehmer bei einem ortsansässigen Wettbewerber eine Anstellung hätte finden können (GK-HGB/Etzel, 5. Aufl., §§ 74 bis 75 d Rz 95; ebenso Krauß, Anm. zum Urteil vom 8. November 1994 - 9 AZR 4/93 - in WiB 1995, 634). Das ist zutreffend. Es genügt die Darlegung und ggf. der Nachweis, daß die Stellensuche bei den nicht von der Verbotsklausel erfaßten, am Ort ansässigen Unternehmen erfolglos war. Wer vertraglich Arbeitnehmern die berufliche Tätigkeit bei einem Dritten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verwehrt, kann nicht einwenden, der Versuch eines Verstoßes wäre voraussichtlich chancenlos geblieben.
Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Wettbewerbsverbot und Wohnsitzverlegung entfällt nur dann, wenn ein Verstoß gegen die Wettbewerbsabrede am Ort des alten Wohnsitzes nicht in Betracht kommen kann, weil dort entweder überhaupt kein Wettbewerber ansässig (BAG Urteil vom 10. September 1985 - 3 AZR 31/84 - AP Nr. 12 zu § 74 c HGB), oder zwar ein Wettbewerber ansässig ist, dieser aber keine für den Arbeitnehmer geeigneten und vom Geltungsbereich des Verbots erfaßten Arbeitsstellen vorhält (BAG Urteil vom 23. Februar 1982 - 3 AZR 676/79 - AP Nr. 9 zu § 74 c HGB; so auch Heymann/Henssler, HGB, 2. Aufl., § 74 c Rz 12). So ist es hier nicht. Am bisherigen Wohnsitz des Arbeitnehmers in München waren im Bereich „Öffentliche Netze” der Siemens AG für den Kläger geeignete Arbeitsstellen vorhanden. Darauf, ob diese zur Neubesetzung ausgeschrieben waren, kam es nicht an. Durch den Zusatzvertrag war der Kläger bereits gehindert, sich durch eine überzeugende Bewerbung eine Einstellungschance zu verschaffen. Ebenso war die vom Kläger erwogene Möglichkeit der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen für eine selbständige Tätigkeit infolge der Sperrklausel im Zusatzvertrag ausgeschlossen. Somit war das „Wettbewerbsverbot” ursächlich i.S.d. § 74 c Abs. 1 Satz 2 HGB.
e) Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe einen Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen, wird nicht für durchgreifend erachtet, § 565 a ZPO. Denn auf den angeblich unberücksichtigten Vortrag kommt es nicht an. Hat ein Arbeitgeber an der Einhaltung des vereinbarten entschädigungspflichtigen Tätigkeitsverbots kein Interesse mehr, so mag er rechtzeitig eine einvernehmliche Aufhebung dieser Vereinbarung herbeiführen oder nach § 75 a HGB einen Verzicht auf das Verbot erklären.
4. Da die Anrechnungsfreigrenze des § 74 Abs. 1 Satz 2 HGB überschritten worden ist, muß sich der Kläger von dem anderweitigen Erwerb insgesamt 18.283,00 DM anrechnen lassen.
Die Ermittlung des anrechnungsfähigen anderweitigen Erwerbs hat monatsweise zu erfolgen. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, ist eine Gesamtabrechnung nicht zugelassen. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB (vgl. BAG Urteile vom 16. Mai 1969 - 3 AZR 137/68 - BAGE 22, 6, 15 = AP Nr. 23 zu § 133 f GewO, zu III 3 der Gründe; vom 16. November 1973 - 3 AZR 61/73 - BAGE 25, 385 = AP Nr. 34 zu § 74 HGB; vom 29. Juli 1993 - 2 AZR 110/93 - BAGE 74, 28, 34 = AP Nr. 52 zu § 615 BGB, zu II 1 a der Gründe).
Die Anrechnungsfreigrenze beträgt nach § 74 c Abs. 1 Satz 2 HGB 125 % der letzten vertragsmäßigen monatlichen Bezüge. Das waren 8.468,75 DM. Die Karenzentschädigung unterliegt der Anrechnung, soweit die Summe aus Karenzentschädigung und sämtlichen neuen Bezügen den Freibetrag überschreitet. Das ist in den Monaten Januar bis Mai jeweils um 1.072,75 DM, im Monat Juni um 2.364,75 DM, im September um 1.379,75 DM, im Oktober um 2.477,75 DM, im November um 1.621,75 DM und im Dezember um 2.477,75 DM geschehen.
Damit blieb nach zulässiger Anrechnung noch auszuzahlen: in den Monaten Januar bis Mai jeweils 2.314,75 DM, im Juni 1.022,75 DM, in den Monaten Juli und August jeweils 2.088,75 DM, im September 2.700,75 DM, im Oktober 909,75 DM, im November 1.765,75 DM sowie im Dezember 909,75 DM. Das waren insgesamt 22.367,00 DM. Unter Berücksichtigung der bereits vom Arbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten 5.600,06 DM hat das Landesarbeitsgericht daher im Endergebnis zutreffend einen Anspruch auf Zahlung weiterer 16.766,94 DM zugesprochen.
5. Der Kläger hat Anspruch auf Verzugszinsen nach § 284 Abs. 2 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Nach § 74 Abs. 2 HGB ist die zu gewährende Entschädigung „am Schlusse jedes Monats” zu zahlen. Nach der vor dem Landesarbeitsgericht getroffenen Vereinbarung der Parteien war für die Verzinsung des gesamten Jahresbetrages vom „mittleren Zinsdatum” auszugehen.
III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Schwarz, R. Trümner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.02.1999 durch Brüne, Reg. Obersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 56 |
BB 1999, 1603 |
DB 1999, 1711 |
DB 1999, 486 |
NJW 2000, 165 |
NWB 1999, 877 |
EBE/BAG 1999, 114 |
ARST 1999, 119 |
ARST 2000, 14 |
ARST 2000, 40 |
FA 1999, 168 |
FA 1999, 269 |
FA 1999, 292 |
NZA 1999, 936 |
ZAP 1998, 712 |
AP, 0 |
VersR 1999, 1174 |