Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung von technischer Assistentin

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung chemisch-technischer Assistentin; Begriff des hohen Maßes an Verantwortlichkeit

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 15.02.1989; Aktenzeichen 5 Sa 1387/88 E)

ArbG Hannover (Urteil vom 02.08.1988; Aktenzeichen 11 Ca 272/87 E)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Februar 1989 – 5 Sa 1387/88 E – und des Arbeitsgerichts Hannover vom 2. August 1988 – 11 Ca 272/87 E – aufgehoben.

Für die Zeit ab 1. Oktober 1983 wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin, die staatlich anerkannte chemisch-technische Assistentin ist, ist seit dem 20. August 1979 an der medizinischen Hochschule H. des beklagten Landes innerhalb der Abteilung für Nuklearmedizin und spezielle Biophysik beschäftigt. Der Personalrat hat der Einstellung zugestimmt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Der Leiter der Abteilung, Prof. H., hatte mit Schreiben vom 16. Juli 1979 unter anderem die Einstellung der Klägerin unter Bezugnahme auf eine Arbeitsplatzbeschreibung vom 12. Juli 1979 beantragt. Danach bestand die auszuübende Tätigkeit für die Klägerin in der Herstellung von Radiopharmaka. Mit Schreiben vom 23. August 1979 teilte die Personalabteilung der Hochschule Prof. H. mit, die tarifrechtliche Überprüfung der Arbeitsplatzbeschreibung habe zu dem Ergebnis geführt, daß die Tätigkeit dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V c Fallgruppe 1 Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt II der Anlage 1 a zum BAT entspreche. Da nur eine Stelle der VergGr. VI b BAT zur Verfügung stehe, dürfe die in Aussicht genommene Tätigkeit nicht übertragen werden, sondern nur eine solche nach VergGr. VI b BAT zu bewertende Tätigkeit. Prof. H. wurde deshalb gebeten, der Klägerin nur eine solche Tätigkeit zu übertragen.

Prof. H. übertrug der Klägerin hingegen die von Anfang an in Aussicht genommene Tätigkeit, die in der Herstellung von Radiopharmaka zur regelmäßigen Versorgung des nuklear-medizinischen Klinikbereichs aus reaktor- und zyklotronproduzierten Radionukliden besteht. Dabei ist die Klägerin nahezu ausschließlich am Zyklotron tätig. Die Klägerin übt ihre Tätigkeit ohne eine das Verfahren im einzelnen vorschreibende Anweisung und ohne weitere Prüfung aus. Die Kurzlebigkeit der Radionuklide schließt eine Kontrolle ihrer Arbeit und der von ihr hergestellten Produkte weitgehend aus. Die von der Klägerin produzierten radioaktiven Arzneimittel werden im klinischen Bereich zur Diagnostik und Therapie bei Patienten mit Verdacht auf Pankreas-, Leber-, Hirn- und Lymphdrüsentumoren eingesetzt. Dabei sind genaue Kenntnisse der Strahlenschutzverordnung und der Gesetze über den Umgang mit offenen und umschlossenen Radionukliden, besondere Fachkenntnisse in anorganischer, organischer, physikalischer und Radiochemie sowie in der Meß- und Verfahrenstechnik erforderlich.

Im Arbeitsvertrag wurde die Klägerin in VergGr. VI b Fallgruppe 1 Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt II der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert.

Mit mehreren Schreiben im Jahre 1980 beantragte die Klägerin vergeblich ihre Höhergruppierung nach VergGr. V c BAT. Mit Wirkung zum 20. August 1981 wurde sie aufgrund des Bewährungsaufstiegs in VergGr. V c BAT Fallgruppe 2 eingruppiert. Mit Schreiben vom 10. April 1984 beantragte sie ihre Eingruppierung in Fallgruppe 1 dieser Vergütungsgruppe unter Bezugnahme auf eine vergleichsweise getroffene Regelung, in der einem Kollegen Vergütung nach VergGr. V b BAT zugestanden worden war.

Mit ihrer am 18. Dezember 1987 bei Gericht eingereichten und dem beklagten Land Ende 1987/Anfang 1988 zugestellten Klage hat die Klägerin die Zahlung einer Vergütung nach VergGr. V b BAT ab 1. Januar 1983 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, daß ihre Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b Fallgruppe 2 Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt II der Anlage 1 a zum BAT erfülle. Sie nehme als chemisch-technische Assistentin schwierige Aufgaben wahr, die ein besonders hohes Maß an Verantwortlichkeit erforderten. Ihre Aufgaben stellten erheblich höhere Anforderungen, als sie üblicherweise an chemisch-technische Assistenten gestellt würden. Die Tätigkeit erfordere auch ein besonders hohes Maß an Verantwortlichkeit, da die Herstellung der Radiopharmaka mit besonderen Gefahren verbunden sei. Ihr sei nicht bekannt gewesen, daß Prof. H. die von ihr ausgeübte Tätigkeit ihr nicht habe übertragen sollen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land ihr statt gewährter Vergütung aus der VergGr. V c BAT ab 1. Januar 1983 Vergütung aus der VergGr. V b – BAT. schulde.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zustehe. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit könne keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung begründen, weil der Abteilungsleiter Prof. H. nicht berechtigt gewesen sei, ihr diese Tätigkeit zu übertragen. Er sei mit Schreiben vom 23. August 1979 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß nicht die in Aussicht genommene Tätigkeit, sondern nur eine solche der VergGr. VI b BAT übertragen werden dürfe. Prof. Hundeshagen sei nach § 97 Abs. 2 Satz 3 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes nicht berechtigt, Aufgaben zuzuweisen, die eine Eingruppierung in eine höhere oder eine niedrigere Vergütungsgruppe zur Folge hätten. Die Personalverwaltung habe auch keine Kenntnis davon erlangt, daß Prof. H. der Klägerin weisungswidrig die von ihr ausgeübte Tätigkeit übertragen habe. Auch fehle es an der Zustimmung des Personalrates zur Übertragung dieser Tätigkeit.

Im übrigen erfülle die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT Fallgruppe 2. Sie nehme keine Aufsichtsfunktionen wahr und sei nicht mit der Durchführung besonders schwieriger Aufgaben betraut. Die Klägerin sei dem leitenden Chemiker unterstellt, dessen Weisungen sie zu befolgen habe. Die Überprüfung der hergestellten Medikamente obliege allein dem Abteilungsleiter.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, daß der Vergütungsanspruch ab 1. Oktober 1983 geltend gemacht wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hinsichtlich der Vergütungsansprüche für die Zeit ab 1. Oktober 1983. Das Landesarbeitsgericht konnte mit der von ihm gegebenen Begründung der Klage nicht stattgegeben.

Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihr für sich beanspruchten VergGr. V b BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (vgl. BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nrn. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß die gesamte Tätigkeit der Klägerin als ein Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen ist. Arbeitsergebnis ist das von der Klägerin hergestellte Radiopharmakon. Alle von der Klägerin bei der Herstellung im einzelnen ausgeführten Arbeitsaufgaben dienen diesem Arbeitsergebnis. Die Tätigkeit ist der Klägerin allein übertragen und damit tatsächlich abgrenzbar und auch tariflich selbständig bewertbar.

Dieser Arbeitsvorgang ist als die auf Dauer „auszuübende Tätigkeit” im Sinne von § 22 BAT für den von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch maßgebend. Das Landesarbeitsgericht stellt fest, daß der Klägerin die Herstellung von Radiopharmaka von ihrem Vorgesetzten Prof. H. von Beginn ihrer Beschäftigung am 20. August 1979 an auf Dauer übertragen worden ist. Demgegenüber macht das beklagte Land geltend, daß sich der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht nach dieser Tätigkeit richten könne. Prof. H. habe insoweit weisungswidrig gehandelt, weil er mit Schreiben vom 23. August 1979 gebeten worden sei, der Klägerin nur eine nach VergGr. VI b BAT zu bewertende Tätigkeit zu übertragen. Dieser Sachvortrag steht jedoch der Feststellung des Landesarbeitsgerichts nicht entgegen. Das Schreiben des beklagten Landes vom 23. August 1979 ging Prof. H. zu einem Zeitpunkt zu, zu dem der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Tätigkeit der Herstellung von Radiopharmaka bereits übertragen worden war. Die Übertragung einer anderen Tätigkeit hat in der Folgezeit nicht stattgefunden. Im übrigen hat das beklagte Land die Tätigkeit, die der Klägerin hätte übertragen werden sollen, inhaltlich nicht konkretisiert, so daß der Schluß naheliegt, wie auch die Bezugnahme auf den Stellenplan im Schreiben vom 23. August 1979 deutlich macht, daß sich die Weisung des beklagten Landes nicht auf die Übertragung einer anderen Tätigkeit, sondern auf die arbeitsvertraglich zu vereinbarende Vergütung bezog. Diese ist entsprechend im Arbeitsvertrag auch mit VergGr. VI b BAT angegeben worden. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung steht jedoch dem tariflichen Mindestvergütungsanspruch auf Vergütung nach VergGr. V b BAT, sofern die tariflichen Voraussetzungen vorliegen, nicht entgegen. Mithin kann dahinstehen, ob der Klägerin bekannt war, daß ihr eine andere Tätigkeit hätte übertragen werden sollen (vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1970 – 4 AZR 481/69 – AP Nr. 34 zu §§ 22, 23 BAT).

Für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit der Klägerin sind folgende Tätigkeitsmerkmale heranzuziehen:

Vergütungsgruppe VI b

1. Technische Assistenten mit staatlicher Anerkennung (z.B. chemisch-technische Assistenten, physikalisch-technische Assistenten, landwirtschaftlichtechnische Assistenten) und staatlich geprüfte Chemotechniker

nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen mit entsprechender Tätigkeit, die schwierige Aufgaben erfüllen, sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. …

Vergütungsgruppe V c

1. Technische Assistenten mit staatlicher Anerkennung (z.B. chemisch-technische Assistenten, physikalisch-technische Assistenten, landwirtschaftlich-technische Assistenten) und staatlich geprüfte Chemotechniker nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen mit entsprechender Tätigkeit, die schwierige Aufgaben erfüllen und in nicht unerheblichem Umfang verantwortlichere Tätigkeiten verrichten,

sowie Laboranten mit Abschlußprüfung, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. (Der Umfang der verantwortlicheren Tätigkeiten ist nicht mehr unerheblich, wenn er etwa ein Viertel der gesamten Tätigkeit ausmacht.)

2. Technische Assistenten mit staatlicher Anerkennung (z.B. chemisch-technische Assistenten, physikalisch-technische Assistenten, landwirtschaftlich-technische Assistenten) und staatlich geprüfte Chemotechniker nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1

sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach zweijähriger Tätigkeit in dieser Vergütungs- und Fallgruppe.

Vergütungsgruppe V b …

2. Technische Assistenten mit staatlicher Anerkennung (z.B. chemisch-technische Assistenten, physikalisch-technische Assistenten, landwirtschaftlich-technische Assistenten) und staatlich geprüfte Chemotechniker nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen mit entsprechender Tätigkeit, die schwierige Aufgaben erfüllen, die ein besonders hohes Maß an Verantwortlichkeit erfordern.

3. Technische Assistenten mit staatlicher Anerkennung (z.B. chemisch-technische Assistenten, physikalisch-technische Assistenten, landwirtschaftlich-technische Assistenten) und staatlich geprüfte Chemotechniker nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1

sowie Laboranten mit Abschlußprüfung, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach dreijähriger Tätigkeit in dieser Vergütungs- und Fallgruppe.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die Tätigkeit der Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT Fallgruppe 2 erfüllt. Die Klägerin sei staatlich anerkannte chemisch-technische Assistentin mit einer Ausbildung nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen und übe eine entsprechende Tätigkeit aus. Die Klägerin erfülle auch schwierige Aufgaben, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe und zwischen den Parteien auch nicht im Streit sei. Ihre Tätigkeit erfordere auch ein besonders hohes Maß an Verantwortlichkeit. Das Landesarbeitsgericht führt dazu aus, daß sich die Erfüllung dieser tariflichen Anforderung aus der Wahrnehmung von Aufsichtsfunktionen, ideellen oder materiellen Belangen des Dienstherrn, Gründen im Behördenapparat sowie aus den Auswirkungen der Tätigkeit auf die Lebensverhältnisse Dritter ergeben könne. Dabei könne Mitverantwortung ausreichend sein. Das besonders hohe Maß an Verantwortlichkeit folge aus den spezifischen Problemen und Risiken bei der Herstellung, Verarbeitung und Prüfung von Radiopharmaka. Fehler bei der Herstellung könnten schwerwiegende Auswirkungen haben.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht in vollem Umfang gefolgt werden. Zwar erfüllt die Klägerin die persönliche Voraussetzung der VergGr. V b BAT Fallgruppe 2, da sie staatlich anerkannte chemisch-technische Assistentin ist. Sie übt auch eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit aus. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts ferner an, daß die Klägerin schwierige Aufgaben im Tarifsinne erfüllt. Mit „schwierigen Aufgaben” fordern die Tarifvertragsparteien eine fachliche Steigerung gegenüber der üblicherweise von einer chemisch-technischen Assistentin im Sinne der VergGr. VI b BAT Fallgruppe 2 auszuübenden Tätigkeit (BAG Urteil vom 27. April 1988 – 4 AZR 690/87 – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Erfüllung dieser Anforderung hat das Arbeitsgericht zutreffend damit begründet, daß das Aufgabengebiet der Klägerin außerhalb der üblichen Ausbildung von chemisch-technischen Assistenten liege und sich in seinen Anforderungen erheblich aus dem entsprechenden Berufsbild heraushebe. Dies zeige insbesondere die Vielzahl der zu beachtenden Spezialbestimmungen bei der Herstellung und im Umgang mit Radiopharmaka.

Bei der Beurteilung, inwieweit die von der Klägerin zu erfüllenden schwierigen Aufgaben ein besonders hohes Maß an Verantwortlichkeit erfordern, ist das Landesarbeitsgericht jedoch vom falschen Rechtsbegriff ausgegangen. Das Landesarbeitsgericht legt den Rechtsbegriff der Verantwortung – anders als das Arbeitsgericht – entsprechend der früheren Senatsrechtsprechung aus und beachtet nicht, wie das beklagte Land mit der Revision zu Recht rügt, daß sich die Senatsrechtsprechung seit dem Urteil vom 29. Januar 1986 (– 4 AZR 465/84BAGE 51, 59 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975) insoweit geändert hat. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat sich im Urteil vom 27. April 1988 (– 4 AZR 690/87 – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen) mit der Auslegung des tariflichen Rechtsbegriffs des „besonders hohen Maßes der Verantwortlichkeit” im Sinne der VergGr. V b Fallgruppe 2 Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt II der Anlage 1 a zum BAT erneut befaßt. Dabei hat der Senat zur Interpretation dieses tariflichen Rechtsbegriffs auf die Rechtsprechung zum Begriff der Verantwortung bzw. der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit Bezug genommen. Insoweit stellen die Tarifvertragsparteien mit dem Rechtsbegriff der Verantwortung bzw. der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit, die inhaltlich dasselbe meinen, im Rahmen des zur Beurteilung stehenden Tätigkeitsmerkmals auf die Verpflichtung des Angestellten ab, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür einstehen zu müssen, daß in dem ihm übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort – auch von anderen Bediensteten – zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden. Dabei kann sich je nach der Lage des Einzelfalles die tariflich geforderte Verantwortung des Angestellten auf andere Mitarbeiter oder dritte Personen, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Resultate oder – wie etwa beim Einsatz von Computern – auf technische Zusammenhänge beziehen. Für das Vorliegen der tariflich geforderten Verantwortung kann auch der Umstand sprechen, daß die Tätigkeit des betreffenden Angestellten keiner weiteren oder nur einer lockeren Kontrolle oder Überprüfung unterliegt. Je nach der Lage des Einzelfalls kann Mitverantwortung ausreichen und die Unterstellung unter einen Vorgesetzten unschädlich sein. Fordern die Tarifvertragsparteien eine „besonders” verantwortungsvolle Tätigkeit, so verlangen sie damit eine gewichtige, beträchtliche Heraushebung in bezug auf die Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nrn. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 12. November 1986 – 4 AZR 718/85 – AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Diese Rechtsprechung des Senats ist bei der Interpretation des tariflichen Rechtsbegriffs des „besonders hohen Maßes an Verantwortlichkeit” im Sinne der VergGr. V b Fallgruppe 2 Teil II, Abschnitt L, Unterabschnitt II der Anlage 1 a zum BAT heranzuziehen. Zwar verwenden die Tarifvertragsparteien im Wortlaut dieser tariflichen Bestimmung nicht die Rechtsbegriffe der „Verantwortung” bzw. der „verantwortungsvollen Tätigkeit”, sondern den Rechtsbegriff der „Verantwortlichkeit”. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie inhaltlich unterschiedliche Anforderungen stellen, sondern dies stellt nur eine andere sprachliche Formulierung dar. Während mit dem Begriff der Verantwortung die mit bestimmten Aufgaben verbundene Verpflichtung, für etwas zu sorgen, bezeichnet wird, wird mit dem der Verantwortlichkeit eine Eigenschaft desjenigen angesprochen, den diese Verpflichtung trifft (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1984, S. 467). Dies rechtfertigt es, zur Interpretation des Begriffes der Verantwortlichkeit die Kriterien heranzuziehen, die der Senat zur Interpretation der Begriffe der Verantwortung bzw. der verantwortungsvollen Tätigkeit aufgestellt hat (BAG Urteil vom 18. Mai 1983 – 4 AZR 529/80 – nicht veröffentlicht). Gleichermaßen ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit der Anforderung des „besonders hohen Maßes” an Verantwortlichkeit ebenso wie bei einer „besonders” verantwortungsvollen Tätigkeit eine gewichtige, beträchtliche Steigerung gemessen an und ausgehend von der Summe der Erfordernisse der niedrigeren Vergütungsgruppe, hier der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1, verlangen (BAGE 51, 282, 296 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Eine abschließende Entscheidung, ob die Tätigkeit der Klägering die tarifliche Anforderung des besonders hohen Maßes an Verantwortlichkeit im aufgezeigten Sinne erfüllt, ist dem Senat nicht möglich. Zwar spricht vieles dafür, jedoch obliegt die Subsumtion im einzelnen dem Landesarbeitsgericht, dem insoweit ein vom Revisionsgericht zu beachtender Beurteilungsspielraum zukommt.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes kann der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch bei Erfüllung der tariflichen Anforderungen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 2 nicht daran scheitern, daß – wie das beklagte Land geltend macht – der Personalrat der Übertragung der Tätigkeit nicht zugestimmt habe. Abgesehen davon, daß der Personalrat vorliegend seine Zustimmung nachträglich erklärt hat, erwächst einem Angestellten bei Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen auch bei einer mangels Zustimmung des Personalrats rechtsunwirksamen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ein entsprechender Vergütungsanspruch in analoger Anwendung der §§ 612, 812 BGB (vgl. BAG Urteil vom 19. Juli 1978 – 4 AZR 31/77 – AP Nr. 8 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Sollte das Landesarbeitsgericht bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung zum Ergebnis kommen, daß die Tätigkeit der Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT Fallgruppe 2 nicht erfüllt, wäre die Klage allerdings noch nicht abweisungsreif. Das Landesarbeitsgericht müßte vielmehr prüfen, ob im Laufe des Klagezeitraums nicht die tariflichen Anforderungen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 3 erfüllt worden sind. Dies wäre der Fall, wenn sich die Klägerin drei Jahre in einer Tätigkeit der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1, die die Erfüllung schwieriger Aufgaben und in nicht unerheblichem Umfang die Verrichtung verantwortlicherer Tätigkeiten erfordert, bewährt hat.

Die Klage ist im Hinblick auf die tarifliche Ausschlußfrist (§ 70 BAT), auch soweit die Klägerin ihren Vergütungsanspruch in der Revisionsinstanz auf die Zeit ab 1. Oktober 1983 beschränkt hat, nicht teilweise abweisungsreif.

Das Landesarbeitsgericht hat sich nicht damit befaßt, für welchen Zeitraum die Klägerin ihre monatlich fällig werdenden Ansprüche auf Vergütung nach VergGr. V b BAT innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht hat. Zwar reicht nach § 70 Abs. 2 BAT insoweit eine einmalige Geltendmachung zur Wahrung der Ausschlußfrist aus. Eine solche läßt sich jedoch für den Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V b BAT für die Zeit vor dem 1. Juli 1987 zur Zeit nicht feststellen.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, daß die Klägerin schon mit Schreiben vom 12. März 1980 ihre Höhergruppierung verlangt habe und dies für die Geltendmachung des Vergütungsanspruches nach VergGr. V b BAT ab 1. Januar 1983 ausreichend sei. Dies trifft nicht zu. Die Klägerin hat stets nur Vergütung nach VergGr. V c beantragt und auch nach vollzogener Eingruppierung in die VergGr. V c BAT Fallgruppe 2 aufgrund des Bewährungsaufstiegs mit Schreiben vom 10. April 1984 nur die Eingruppierung in Fallgruppe 1 dieser Vergütungsgruppe ausdrücklich begehrt. Darin liegt keine Geltendmachung eines Anspruchs auf Vergütung nach VergGr. V b BAT (vgl. BAG Urteil vom 10. September 1975 – 4 AZR 485/74 – AP Nr. 12 zu § 23 a BAT). Eine solche ist ausdrücklich erst mit Zustellung der Klageschrift erfolgt. Zwar läßt sich der Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift der Akte nicht entnehmen, da das Empfangsbekenntnis von der medizinischen Hochschule nicht mit einem Datum versehen worden ist. Die Klageschrift muß jedoch zwischen dem 29. Dezember 1987 (Poststempel der Absendung des Empfangsbekenntnisses) und dem 4. Januar 1988 (Eingang des Empfangsbekenntnisses beim Arbeitsgericht) zugestellt worden sein. Daraus folgt, daß die Ausschlußfrist für Vergütungsansprüche ab 1. Juli 1987 gewahrt ist.

Allerdings hat die Klägerin auf einen entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung, wozu sie als Revisionsbeklagte vorliegend befugt war, vorgetragen, daß sie mit ihrem Schreiben vom 10. April 1984 durch den Hinweis auf die vergleichsweise Regelung für ihren Kollegen H. vom 23. Februar 1984, dem Vergütung nach VergGr. V b BAT gewährt worden ist, einen entsprechenden Vergütungsanspruch geltend gemacht habe und dies dem beklagten Land auch bewußt gewesen sei. Ob diese Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 10. April 1984 gerechtfertigt ist, wodurch für Vergütungsansprüche für die Zeit ab 1. Oktober 1983 die tarifliche Ausschlußfrist gewahrt wäre, wird das Landesarbeitsgericht bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung ebenfalls zu beurteilen haben.

Das Landesarbeitsgericht hat auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mit zu entscheiden.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Dr. Börner, H. Hauk

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076630

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