Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß eines Abfindungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Abfindung ist nach § 8 Abs. 3 Buchst. b TV Personalabbau BMVg ausgeschlossen, wenn das neue Arbeitsverhältnis an das beendete Arbeitsverhältnis zeitlich unmittelbar anschließt. Darauf, daß die Arbeitsbedingungen des neuen Arbeitsverhältnisses mit denen des alten vergleichbar sind, insbesondere der Besitzstand gewahrt ist, kommt es nicht an. Es genügt, daß der neue Arbeitgeber ein solcher i.S. des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT ist.
Normenkette
Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November 1991 (TV Personalabbau BMVg) § 8 Abs. 3 Buchst. b, Abs. 7, 1; BAT § 29 Abschn. B Abs. 7, § 58
Verfahrensgang
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachen vom 16. September 1994 – 6 Sa 31/94 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung aufgrund des Tarifvertrages über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November 1991 (TV Personalabbau BMVg).
Die Klägerin, die ab 1. Januar 1993 nach Freistellung durch die Beklagte eine Probebeschäftigung als Halbtagsbeschäftigte beim Landgericht S… aufgenommen hatte, beantragte am 11. Januar 1993, das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen der bevorstehenden Auflösung der Standorte B… und S…, zum 1. Februar 1993 aufzulösen. Diesem Antrag gab die Standortverwaltung S… statt.
Die Klägerin hat die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 11.619,42 DM begehrt, was dem Sechsfachen eines Monatsbezugs entspricht. Sie hat die Auffassung vertreten, gemäß § 8 Abs. 1 TV Personalabbau BMVg stehe ihr die Abfindung zu. Der Abfindungsanspruch sei nicht gemäß § 8 Abs. 3 Buchst. b TV Personalabbau BMVg ausgeschlossen. Sie sei nämlich nicht vom Land Niedersachsen übernommen worden. Eine Übernahme setze voraus, daß das Arbeitsverhältnis von dem neuen Arbeitgeber fortgesetzt werde. Sie hingegen sei vom Land Niedersachsen ohne Wahrung ihres sozialen Besitzstandes neu eingestellt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.619,42 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Mai 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 TV Personalabbau BMVg bejaht, wonach ein Arbeitnehmer, der wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes im gegenseitigen Einvernehmen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, eine Abfindung erhält. Dem Landesarbeitsgericht ist aber auch darin zu folgen, daß der Anspruch der Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Buchst. b TV Personalabbau BMVg nicht entstanden ist.
Nach dieser Bestimmung steht einem Arbeitnehmer eine Abfindung nicht zu, wenn er im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, weil er von einem anderen Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT übernommen wird. So liegt der Fall hier.
1. Unstreitig ist die Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis im Einvernehmen mit der Beklagten ausgeschieden. Die Beklagte hat den von der Klägerin mit Schreiben vom 11. Januar 1993 gestellten Auflösungsantrag angenommen. Das Arbeitsverhältnis endete somit durch einen Auflösungsvertrag i.S. des § 58 BAT.
2. Die Klägerin ist auch von einem Arbeitgeber i.S. des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT übernommen worden. Das folgt daraus, daß sie ab dem 1. Januar 1993 beim Landgericht S… und damit beim Land Niedersachsen beschäftigt ist. Die Auslegung des Tarifbegriffs “übernommen” ergibt, daß darunter die zeitlich unmittelbar anschließende Weiterbeschäftigung bei einem zum öffentlichen Dienst i.S. dieser Tarifnorm gehörenden Arbeitgeber zu verstehen ist, und zwar auch dann, wenn sie ohne die volle Besitzstandswahrung erfolgt.
a) Sinn und Zweck der Abfindung nach § 8 Abs. 1 TV Personalabbau BMVg ist es, den finanziellen Bedarf des Arbeitnehmers für eine Übergangszeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu decken. Aus § 8 Abs. 7 TV Personalabbau BMVg ergibt sich jedoch, daß sich die Abfindung verringern kann, und zwar umso mehr, je kürzer der Zeitraum ist, innerhalb dessen der Arbeitnehmer wieder in ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber i.S. des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT eintritt. Dies führt dazu, daß bei einem unmittelbar anschließenden Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis dieser Art keine Abfindung zu zahlen ist. Dies bestätigt, wie das Berufungsgericht richtig angenommen hat, daß tarifrechtlich eine Übernahme vorliegt, wenn der Arbeitnehmer im Anschluß an sein bisheriges Arbeitsverhältnis in einem neuen Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber i.S. des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT weiterbeschäftigt wird.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht erforderlich, daß bei “Übernahme” Arbeitsbedingungen vereinbart werden, die mit denen des alten Arbeitsverhältnisses vergleichbar sind, insbesondere den bisherigen Besitzstand wahren. Ein derartiges allgemeines Prinzip ist dem BAT und dem TV Personalabbau BMVg nicht zu entnehmen. Die Regelungen in § 8 Abs. 3 Buchst. b und Abs. 7 TV Personalabbau BMVg setzen allein die “Übernahme” des Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT voraus. Dadurch werden Wegfall und Verringerung der Abfindung bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses in diesen Fällen angeordnet und zugleich auf diese Fallgestaltungen beschränkt. Die Tarifvertragsparteien gehen ersichtlich davon aus, daß durch die Aufnahme des neuen Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst der finanzielle Überbrückungsbedarf des Arbeitnehmers sich verringert bzw. entfällt. Außerdem soll die Doppelbelastung öffentlicher Haushalte vermieden werden. Beides begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wie der erkennende Senat bereits in seinen nicht veröffentlichten Urteilen vom 1. Dezember 1994 (– 6 AZR 571/94 –) und vom 9. August 1995 (– 6 AZR 133/95 –) angenommen hat, in denen es um die entsprechenden Bestimmungen des Tarifvertrags vom 6. Juli 1991 zur sozialen Absicherung ging.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, R. Kamm, R. Hinsch
Fundstellen
Haufe-Index 871639 |
BB 1996, 384 |
NZA 1996, 545 |