Entscheidungsstichwort (Thema)
Cockpitpersonal. Mehrflugstundenvergütung und Erziehungsurlaub. Tarifauslegung, Merkmale. Begriff des „unbezahlten Urlaubs”. Ausfüllung einer Tariflücke. Diskriminierung wegen Erziehungsurlaubs/Elternzeit bei tariflicher Vergütung
Orientierungssatz
1. Zur Auslegung von Tarifverträgen.
2. „Unbezahlter Urlaub” ist regelmäßig eine unbezahlte Freistellung des Arbeitnehmers, die auf einer frei zustande gekommenen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruht.
3. Erziehungsurlaub (jetzt: Elternzeit) ist kein „unbezahlter Urlaub” iSv. § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5. Für durch Erziehungsurlaub ausfallende Kalendertage eines Cockpitmitarbeiters hat dieser daher keinen Anspruch auf Flugstundengutschrift bei der Berechnung der Mehrflugstundenvergütung.
4. Zum Prüfungsmaßstab bei der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
5. Die tarifliche Vergütungsregelung des § 9 MTV Cockpit Nr. 5, die eine Flugstundengutschrift für durch unbezahlten Urlaub anfallende Kalendertage vorsieht, hingegen nicht für Ausfalltage wegen Erziehungsurlaubs (jetzt: Elternzeit), verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das Verbot des Ausschlusses oder der Beschränkung des Anspruchs auf Erziehungsurlaub/Elternzeit in § 15 Abs. 3 BErzGG aF (jetzt § 15 Abs. 2 Satz 4 BErzGG).
Normenkette
TVG § 1 Auslegung; GG Art. 3 Abs. 1, 3; BGB § 612 Abs. 2-3; BErzGG § 15 Abs. 3 aF, Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. September 2002 – 9 Sa 1624/01 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch des Klägers auf Mehrflugstundenvergütung für die Monate Mai und Juni 2000.
Der am 21. Juli 1954 geborene verheiratete Kläger ist bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen, der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH), seit dem 30. August 1974 als Pilot beschäftigt. Für die Parteien galt im Jahre 2000 kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag Nr. 5 für das Cockpitpersonal der DLH vom 1. April 1996 (nachfolgend MTV Cockpit Nr. 5) in der Fassung des Ersten Änderungs- und Ergänzungstarifvertrages vom 1. Januar 1999. Dessen Anwendung ist zudem von den Parteien vereinbart. Hinsichtlich der Berechnung der Mehrflugstundenvergütung wendet die Beklagte die für den Kläger günstigere Regelung des bislang noch nicht von allen Tarifvertragsparteien unterzeichneten „Manteltarifvertrages Nr. 5 a vom 1. Januar 2001” an.
Im Mai 2000 leistete der Kläger insgesamt 54,5 und im Juni 2000 80,41 Flugstunden. In der Zeit vom 22. Mai bis zum 10. Juni 2000 hatte der Kläger Erziehungsurlaub (jetzt Elternzeit). Er erhielt in diesen beiden Monaten jeweils eine Grundvergütung von 20/30 (11.647,88 DM brutto) zuzüglich der Schichtzulage (1.898,61 DM). Für den Monat Juni 2000 zahlte die Beklagte neben der Grundvergütung und der Schichtzulage 8.127,90 DM brutto für „30 Mehrflugstunden/Abkauf” und eine Mehrflugstundenvergütung ab der 74. Flugstunde in Höhe von 2.581,44 DM brutto.
Der Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung ist in § 9 MTV Cockpit Nr. 5 geregelt. § 9 A. und B. dieser Tarifnorm wurden durch den „Manteltarifvertrag Nr. 5 a vom 1. Januar 2001” Protokollnotiz II (II Ziff. 3) rückwirkend für die Zeit „zwischen dem 01.02.2000 und dem 31.03.2001” neu gefasst. In dieser Fassung lautete § 9 MTV Cockpit Nr. 5:
„§ 9 Mehrflugstundenvergütung
Gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erhalten die Mitarbeiter eine Mehrflugstundenvergütung.
A. Entstehen des Anspruchs
Mehrflugstundenvergütung wird nach mehr als 73 Flugstunden pro Kalendermonat gezahlt.
B. Berechnung der Mehrflugstundenvergütung
Für jeden Mitarbeiter wird ein Mehrflugstundensatz nach folgender Formel ermittelt:
individuelle Grundvergütung + eventuelle SFO-Zulage + Schichtzulage |
73 |
Die Mehrflugstundenvergütung beträgt pro geflogener Mehrflugstunde
für die 74. und 75. Flugstunde |
115 % |
für die 76. bis zur 79. Flugstunde |
125 %, |
für die 80. bis zur 85. Flugstunde |
140 % und |
ab der 86. Flugstunde |
150 % |
dieses Mehrflugstundensatzes.
C. Berechnung von Flugstunden
…
c) Für die Berechnung des Anspruchs auf Mehrflugstundenvergütung werden für jeden im Monat wegen Erholungsurlaub, unbezahlten Urlaubs oder gemäß § 15 ausfallenden Kalendertag 2,43 Flugstunden, im Monat jedoch insgesamt nicht mehr als 73 Flugstunden angerechnet.
d) Ergibt sich bei der Zusammenzählung der innerhalb eines Monats zu berücksichtigenden Zeiten für die Berechnung der Mehrflugstunden ein Bruchteil einer Stunde, so wird der Bruchteil der Berechnung zugrundegelegt. Die Bruchteile können in Minuten oder in dezimaler Form abgerechnet werden.”
§ 15 MTV Cockpit Nr. 5 regelt ua. Ansprüche des Mitarbeiters auf bezahlten Sonderurlaub aus besonderem Anlass (Eheschließung, Niederkunft der Ehefrau uä.) und auf Arbeitsbefreiung für die Dauer der unumgänglichen notwendigen Abwesenheit aus besonderen Anlässen (Wohnungswechsel, Krankheit der Eltern uä.).
Mit Schreiben vom 11. und 23. Juli 2000 forderte der Kläger von der Beklagten Mehrflugstundenbezahlung für 4,5 Mehrflugstunden im Mai 2000 und für „mehr als 25 Mehrflugstunden” im Juni 2000. Diese Ansprüche, deren Höhe der Kläger – unter Abzug des erhaltenen Betrages an Mehrflugstundenvergütung für Juni 2000 – mit 11.980,60 DM (nunmehr 6.125,58 Euro brutto) errechnet hat, verfolgt er mit seiner der Beklagten am 24. Oktober 2000 zugestellten Zahlungsklage weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, der Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung sei an der fraglichen Leistungspflicht zu messen. Diese sei in beiden Monaten wegen des Erziehungsurlaubs jeweils um 1/3 von 75 Flugstunden auf 50 Flugstunden reduziert gewesen. Auf Grund eines Verrechnungsfaktors von 2,433 pro Tag nach dem Vergütungstarifvertrag Nr. 7 errechneten sich für Mai 2000 5,8 Mehrflugstunden und für Juni 2000 31,7 Mehrflugstunden. Sein Erziehungsurlaub könne sich nicht dahin auswirken, dass sich dadurch letztlich seine Arbeitspflicht in der verbleibenden Zeit erhöhe. Erziehungsurlaub sei unbezahlter Urlaub iSv. § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5, jedenfalls so zu behandeln. Anderenfalls liege eine mittelbare Diskriminierung der Erziehungsurlauber vor. Nach Sinn und Zweck der Tarifnormen sollten Mehrflugstunden und die Mehrflugstundenvergütung in einem Verhältnis zur tatsächlichen Arbeitsleistung stehen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.125,58 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 (derzeit 8,62 %) seit 24. Oktober 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, für das Klagebegehren gebe es keine Anspruchsgrundlage. Erziehungsurlaub sei kein unbezahlter Urlaub iSv. § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5. Unter unbezahltem Urlaub werde üblicherweise eine unbezahlte Freistellung verstanden, die auf einer freiwillig zustande gekommenen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruhe, während auf die Gewährung von Erziehungsurlaub ein Anspruch bestehe, wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Lage und Umfang des Erziehungsurlaubs könnten daher allein vom Arbeitnehmer bestimmt werden. Die Berechnungen des Klägers seien nicht nachvollziehbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Mit Recht und mit teilweise zutreffender Begründung hat das Landesarbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geforderte Mehrflugstundenvergütung.
1. Der Anspruch auf die Mehrflugstundenvergütung folgt nicht aus § 9 MTV Cockpit Nr. 5 – in der Fassung des „Manteltarifvertrages Nr. 5 a vom 1. Januar 2001” BErzGG –. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt und rechtsfehlerfrei begründet.
a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) nach dem MTV Cockpit Nr. 5, dessen Anwendung die Parteien zudem vereinbart haben. Die per 1. Februar 2000 bis 31. März 2001 in dem „Manteltarifvertrag Nr. 5 a vom 1. Januar 2001” rückwirkend vereinbarte Fassung des § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 – mit dem Inhalt der Absenkung des Schwellenwertes für die Mehrflugstundenvergütung von vormals 75 auf 73 Flugstunden pro Kalendermonat –, die der Kläger der Berechnung des Klageanspruchs zugrunde legt, ist jedenfalls kraft Vertragsrechts auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Nach dieser Fassung – nachfolgend nur: MTV Cockpit Nr. 5 – berechnet die Beklagte die Mehrflugstundenvergütung des Klägers, wie die ihn betreffende Gehaltsabrechnung der Beklagten für Juni 2000 ausweist.
b) Die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen des § 9 MTV Cockpit Nr. 5 für die vom Kläger geforderte Mehrflugstundenvergütung für die Monate Mai und Juni 2000 sind nicht erfüllt.
aa) Nach § 9 A. MTV Cockpit Nr. 5 wird Mehrflugstundenvergütung nach mehr als 73 Flugstunden pro Kalendermonat gezahlt. Für jeden im Monat wegen Erholungsurlaubs, unbezahlten Urlaubs oder gem. § 15 MTV Cockpit Nr. 5 – dieser regelt den Anspruch auf bezahlte Freistellung bei typischen Fällen persönlicher Leistungshindernisse – ausfallenden Kalendertag sieht § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 eine Flugstundengutschrift von 2,43 Flugstunden vor.
bb) Danach schuldet die Beklagte dem Kläger für Mai 2000 keine, und für Juni 2000 keine über den gezahlten Betrag hinausgehende Mehrflugstundenvergütung.
(1) Streitlos hat der Kläger im Mai 2000 54,5 Flugstunden, also nicht mehr als 73 Flugstunden geleistet. Die im Juni 2000 bei einer Gesamtflugstundenzeit von 80,41 angefallenen 7,41 Mehrflugstunden hat die Beklagte tarifgerecht vergütet.
(2) Eine Flugstundengutschrift nach § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 für diese Monate steht dem Kläger nicht zu. Dies haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei erkannt.
Der Kläger hatte in dem umstrittenen Anspruchszeitraum weder Erholungsurlaub noch war er bezahlt nach § 15 MTV Cockpit Nr. 5 von der Arbeitspflicht befreit. Seine Arbeit ist in der Zeit vom 22. Mai bis 10. Juni 2000 auch nicht durch „unbezahlten Urlaub” iSv. § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 ausgefallen. Denn er hatte keinen unbezahlten Urlaub, sondern Erziehungsurlaub gem. § 15 BErzGG in der zur Zeit des umstrittenen Anspruchszeitraums geltenden Fassung (nunmehr seit der Neubekanntmachung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 1. Dezember 2000 BGBl. I S. 1645 Elternzeit). Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit nach § 15 BErzGG ist kein unbezahlter Urlaub im Tarifsinne. Dies folgt aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages.
(aaa) Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (zB Senat 29. August 2001 – 4 AZR 337/00 – BAGE 99, 24, 28 f. = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 174 = EzA BGB § 622 Tarifvertrag Nr. 2).
(bbb) Nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang des MTV Cockpit Nr. 5 ist der Erziehungsurlaub kein unbezahlter Urlaub iSv. § 9 C. lit. c) dieses Tarifvertrages.
Der Begriff des „unbezahlten Urlaubs” wird im Sprachgebrauch des Arbeitslebens üblicherweise nicht auf eine unbezahlte Freistellung des Arbeitnehmers angewandt, auf welche dieser einen gesetzlichen Anspruch hat. Vielmehr wird unter „unbezahltem Urlaub” eine unbezahlte Freistellung des Arbeitnehmers verstanden, die auf einer frei zustande gekommenen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruht. Dabei werden dann auch die Modalitäten dieser Freistellung (zB Dauer und zeitliche Lage) einvernehmlich geregelt. Unbezahlter Urlaub wird regelmäßig vom Arbeitnehmer im eigenen Interesse begehrt. Es steht dann im Ermessen des Arbeitgebers, ob er die Bitte des Arbeitnehmers erfüllt. Verlangte hingegen ein Arbeitnehmer Erziehungsurlaub, so hatte der Arbeitgeber diesen zu gewähren, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz erfüllt sind (BAG 6. Oktober 1993 – 10 AZR 547/92 –; 23. August 1990 – 6 AZR 528/88 – BAGE 66, 22 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Keramikindustrie Nr. 1 = EzA TVG § 4 Feinkeramische Industrie Nr. 1). Zudem darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Freistellung von der Arbeitspflicht wegen Kindererziehung nunmehr auch gesetzlich nicht mehr als Erziehungs„urlaub” bezeichnet wird.
(ccc) Für die Wortlautauslegung des Tarifbegriffs „unbezahlter Urlaub” macht es entgegen der Auffassung des Klägers keinen Unterschied, ob von diesem eine dem Arbeitnehmer günstige oder eine ihm ungünstige Rechtsfolge abhängt. Deshalb verbietet sich nicht die Heranziehung von Entscheidungen – dazu zählen auch die vorzitierten des Bundesarbeitsgerichts – zur Auslegung dieses Tarifbegriffs, in denen die Auslegung, darunter falle auch der Erziehungsurlaub, für den Arbeitnehmer nachteilig gewesen wäre, während dies hier für den Kläger vorteilhaft wäre. Es geht daher nicht an, diesen tariflichen Rechtsbegriff generell im ersteren Falle eng, im letzteren weit auszulegen. Unterschiedliche Ergebnisse bei der Auslegung ein- und desselben Tarifbegriffs können allein wegen des tariflichen Gesamtzusammenhangs geboten sein, in welchem der Tarifbegriff verwandt worden ist.
(ddd) Dem Kläger kann auch nicht darin beigepflichtet werden, für die Auslegung des Tarifbegriffs „unbezahlter Urlaub” dürfe „jedenfalls im Sinne dieses Tarifvertrages” – also des MTV Cockpit Nr. 5 – „nicht auf einen angeblich üblichen Sprachgebrauch des Arbeitslebens zurückgegriffen werden”. Dies begründet der Kläger damit, der Erziehungsurlaub sei den in § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 genannten Tatbeständen vergleichbar. Sinn und Zweck sei es bei allen Tatbeständen, eine übermäßige Belastung des Arbeitnehmers zu verhindern, dadurch, dass er, zB aus dem Erholungsurlaub zurückgekehrt, in einem kürzeren Zeitraum als 30 Tage bis zu 88 Flugstunden arbeite, um einen Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung zu erlangen. Damit seien auch potentielle Gefahren für die Sicherheit des Flugverkehrs verbunden.
Mit diesen Ausführungen verkennt der Kläger, dass die tarifliche Bezugsgrundlage für die maximale planmäßige Flugzeit und für die Mehrflugstundenvergütung nicht identisch ist. Nach § 4 3. Abschnitt Abs. (2) Satz 1 MTV Cockpit Nr. 5 darf „die maximale planmäßige Flugzeit pro Monat … 88 Stunden nicht überschreiten”. Bezugsgrundlage ist also nicht der „Kalendermonat”. Im Unterschied dazu entsteht der Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung gem. § 9 A. MTV Cockpit Nr. 5 „nach mehr als 75 Flugstunden pro Kalendermonat”. Ein aus einem einmonatigen Erholungsurlaub zurückkehrender Cockpitmitarbeiter wird also durch § 9 MTV Cockpit Nr. 5 nicht davor geschützt, „in einem kürzeren Zeitraum als 30 Tagen bis zu 88 Flugstunden zu arbeiten”, wie der Kläger meint. Er erwirbt auch damit keinen Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung, wenn dieser Zeitraum auf zwei Kalendermonate entfällt und der Schwellenwert von 73 Flugstunden pro Kalendermonat nicht überschritten wird. Andererseits kann ein Cockpitmitarbeiter zB vor Antritt eines über das Monatsende hinausreichenden Urlaubs am 11. des Monats nicht in den ersten zehn Tagen verstärkt Flugstunden leisten, um für diesen Monat einen Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung zu erwerben, wenn dem die nicht auf den Kalendermonat bezogene Flugzeitbegrenzung des § 4 3. Abschnitt Abs. (2) Satz 1 MTV Cockpit Nr. 5 im Wege steht.
(eee) Die tarifliche Regelung der Mehrflugstundenvergütung in § 9 MTV Cockpit Nr. 5 ist vergleichbar mit einer tarifvertraglichen Bestimmung, die den Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Tages-, Wochen- oder Monatszeitvolumen hinaus gearbeitet wird. Mit einer solchen Regelung wird im Wesentlichen der Zweck verfolgt, eine besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen (zB BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – BAGE 80, 173 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 11 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 33; 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – BAGE 83, 327 = AP BAT § 35 Nr. 6 = EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 6).
Hier haben die Tarifvertragsparteien als Bezugsgrundlage den Kalendermonat gewählt. Mit Blick darauf, dass die Erreichung des tariflich vereinbarten Schwellenwertes durch tatsächlich geleistete Flugstunden bei einem Arbeitsausfall des Cockpitmitarbeiters erschwert oder ganz ausgeschlossen ist, haben sie eine Regelung getroffen, durch die dem Cockpitmitarbeiter die pro rata temporis erarbeitete Mehrflugstundenvergütung nicht entgehen soll. Sie haben jedoch nicht bestimmt, dass für jeden „ausfallenden Kalendertag” (§ 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5) 2,43 Flugstunden anzurechnen sind. Dies haben sie vielmehr lediglich für jeden „wegen Erholungsurlaub, unbezahlten Urlaubs oder gem. § 15 ausfallenden Kalendertag” vereinbart.
Das kann nicht dahin ausgelegt werden, ihr Wille sei es gewesen, dass der Cockpitmitarbeiter in jedem Falle untermonatiger tatsächlicher Beschäftigung in einem Kalendermonat, jedenfalls aber wegen Erziehungsurlaubs, wie der Kläger meint, die Flugstundengutschrift erhält. Dies verbietet der tarifliche Gesamtzusammenhang.
Die Tarifvertragsparteien haben erkannt, dass die in § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 aufgezählten Ausfalltatbestände nicht jede Fallgestaltung des Ausfalls von Flugstunden erfassen. Dies zeigt der Vergleich mit § 4 3. Abschnitt Abs. (4) MTV Cockpit Nr. 5. Dort ist bestimmt:
Bei der Berechnung der monatlichen Flugzeit im Sinne von Abs. (2) werden für jeden wegen Erholungsurlaubs, unbezahlten Urlaubs, Krankheit, Abwesenheit nach § 15 oder § 15 a) sowie wegen von der DLH angeordneter Büro- und Verwaltungstätigkeit (1. Abs. (1 c) und angeordneter Public-Relationstätigkeit ausfallenden Kalendertag 2,5 Flugstunden zusätzlich angerechnet.
In dieser Tarifnorm sind verglichen mit § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 weitere Tatbestände genannt, die zu „ausfallenden Kalendertagen” führen können und für die eine Flugstundengutschrift für die Berechnung der monatlichen Flugzeit erfolgt. Der Wortlaut der Bestimmungen verdeutlicht auch das Bemühen der Tarifvertragsparteien, die Ausfalltatbestände präzise zu bezeichnen.
Zudem enthält der MTV Cockpit Nr. 5 die Regelung eines speziellen Sonderurlaubsfalls, dessen Bedingungen abweichend von den übrigen Fällen „unbezahlten Urlaubs” geregelt sind. In § 15a MTV ist nämlich bestimmt:
§ 15a Arbeitsbefreiung zur Fort- und Weiterbildung
(1) Die Mitarbeiter erhalten auf Antrag, falls die betrieblichen Verhältnisse es zulassen, Arbeitsbefreiung bis zu 3 Wochen im Jahr ohne Fortzahlung der Vergütung zum Besuch gewerkschaftlicher Veranstaltungen, die der Fort- und Weiterbildung dienen; der tatsächliche Besuch dieser Veranstaltung ist anschließend nachzuweisen.
(2) Auf Antrag der vertragsschließenden Gewerkschaft wird von den 3 Wochen nach Abs. (1) eine Woche (7 Kalendertage) unter Fortzahlung der Vergütung (§ 5 Abs. (1) a), b), d) und f) zur Teilnahme an gewerkschaftlichen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen gewährt, deren Förderungswürdigkeit vereinbart worden ist.
Für diesen Fall des Sonderurlaubs, von ihnen als „Arbeitsbefreiung” bezeichnet, haben die Tarifvertragsparteien somit bestimmt, dass dieser für bis zu drei Wochen zu gewährende Sonderurlaub grundsätzlich unbezahlt ist, aber unter den tariflich geregelten Voraussetzungen des § 15a Abs. (2) MTV Cockpit Nr. 5 eine Woche zu vergüten ist. Als Bestandteile dieser Vergütung führen sie die Monatsvergütung des § 5 Abs. (1) a), die SFO-Zulage (Senior First Office Zulage) des § 5 Abs. (1) b), Schichtzulage des § 5 Abs. (1) d) und die Zulagen des § 5 Abs. (1) f) MTV Cockpit Nr. 5 an, nicht hingegen die Mehrflugstundenvergütung des § 5 Abs. (1) e) MTV Cockpit Nr. 5.
Angesichts dieser Regelungen muss davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des „unbezahlten Urlaubs” in § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 im Sinne des üblichen Sprachgebrauchs im Arbeitsleben verstehen, also damit nicht andere unbezahlte Ausfallzeiten des Arbeitnehmers wie – hier allein von Bedeutung – den Erziehungsurlaub erfassen wollten. Denn der Anspruch auf Erziehungsurlaub ist Mitte der 80-er Jahre gesetzlich begründet worden. Bei der Beklagten gibt es zumindest seit 1. Januar 1997 komplexe Arbeitszeitmodelle für Cockpitmitarbeiter, die Anspruch auf Erziehungsurlaub/Elternzeit haben. Diese sind in umfangreichen Betriebsvereinbarungen niedergelegt, zB der Ergänzungsbetriebsvereinbarung „Erziehungsteilzeit für das Cockpitpersonal” vom 1. Januar 1997 und der Betriebsvereinbarung „Eltern-Teilzeit” für das Cockpitpersonal vom 8. Mai 2002. Diese belegen, dass der Beklagten, selbst Partei des MTV Cockpit Nr. 5, der Erziehungsurlaub/die Elternzeit ein Begriff ist.
Bereits wegen der Differenziertheit der tariflichen Vorschriften der eine Flugstundengutschrift begründenden Ausfalltatbestände in den verschiedenen Regelungszusammenhängen verbietet es sich, Erziehungsurlaub in analoger Anwendung des § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 als Erholungsurlaub, bezahlte Ausfallzeit iSv. § 15 MTV Cockpit Nr. 5 oder unbezahlten Urlaub zu bewerten.
(3) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass jedenfalls eine unbewußte Tariflücke, die möglicherweise in dem vom Kläger gewünschten Sinne zu schließen wäre, nicht vorliegt. In Betracht kommt vielmehr allein die Annahme einer bewußten Regelungslücke, die nach der ständigen Rechtsprechung des Senats von der Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen nicht geschlossen werden kann. Dies wäre ein dem Grundgesetz widersprechender Eingriff in die Tarifautonomie (zB 4. April 2001 – 4 AZR 232/00 – BAGE 97, 251, 259 = AP DienstVO ev. Kirche § 12 Nr. 2 mwN).
2. Der Kläger hat auch unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtsdiskriminierung keinen Anspruch nach § 612 Abs. 3 BGB iVm. Art. 3 Abs. 3 GG auf die geforderte Mehrflugstundenvergütung.
Einen Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des § 612 Abs. 3 BGB und Art. 3 Abs. 3 GG, die die Benachteiligung wegen des Geschlechts verbieten, macht der Kläger nicht substantiiert geltend. Diesbezüglich fehlt jeglicher Sachvortrag des Klägers. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt, mit solchem nicht aufwarten zu können. Daher braucht auch auf die weiteren Vorschriften, die ein Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts enthalten, nicht eingegangen zu werden.
3. Ein Anspruch des Klägers nach § 612 Abs. 2 BGB iVm. § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 auf die geforderte Mehrflugstundenvergütung besteht ebenfalls nicht. Diese Tarifnorm ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefasst – ausgeführt, die Bestimmungen des § 9 A. MTV Cockpit Nr. 5 – gemeint § 9 – verstoße unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Diskriminierung nicht gegen höherrangiges Recht. Dass vergleichbare tarifliche Regelungen nicht gegen Art. 119 EGV und die Richtlinie 75/117/EWG verstießen, habe der Europäische Gerichtshof entschieden. Auch das Bundesarbeitsgericht habe vergleichbare tarifliche Regelungen für rechtswirksam angesehen. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts sei schon deshalb nicht gegeben, weil die den Vollzeitbeschäftigten gezahlte Vergütung bei gleicher Anzahl von Flugstunden und bei gleicher Anzahl von geleisteten Mehrflugstunden nicht höher sei als diejenige der Teilzeitbeschäftigten.
b) Diese Ausführungen halten nur im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Mit Recht rügt die Revision, dass das Landesarbeitsgericht fehlerhaft die Rechtsprechung zum Verbot der Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter auf den Fall angewandt habe. Der Kläger sei Vollbeschäftigter und habe einen dreiwöchigen Erziehungsurlaub in Anspruch genommen. Die tarifliche Regelung benachteilige ohne sachlichen Grund Erziehungsurlauber im Vergleich zu Erholungsurlaubern, Sonderurlaubern oder Arbeitnehmern, die Arbeitsbefreiung aus bestimmten Anlässen – gemeint die Fälle des § 15 MTV Cockpit Nr. 5 – in Anspruch nähmen. Der Sache nach ist damit vom Kläger die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG durch die Tarifregelung gerügt.
c) Diese Rüge ist nicht begründet. Die tarifliche Regelung in § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
aa) Der Gleichheitssatz verbietet es, wesentlich gleich liegende Sachverhalte ohne sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Gleiches ist gleich und Ungleiches seiner Eigenart nach verschieden zu behandeln, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung nach einer am Gerechtigkeitssinn orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (ständige Rechtsprechung, zB BAG 19. März 1996 – 9 AZR 1051/94 – BAGE 82, 230, 237 = AP BAT § 47 Nr. 20).
Welcher Maßstab für die Prüfung gilt, ob ein Tarifvertrag mit inhaltlich unterschiedlichen Regelungen für verschiedene Personengruppen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterschiedlich beurteilt (vgl. dazu zuletzt Senat 25. Juni 2003 – 4 AZR 405/02 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Diese Frage bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall liegt auch dann kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor, wenn – zugunsten des Klägers – von einer unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 Abs. 1 GG ausgegangen wird. Denn aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG ergibt sich ohnehin eine Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere steht den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Regelungsfolgen geht, und ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG 18. Mai 1999 – 9 AZR 419/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Fleischerhandwerk Nr. 1 = EzA BUrlG § 5 Nr. 19; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 3 GG Rn. 27). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben (ua. BAG 23. Juni 1994 – 6 AZR 911/93 – BAGE 77, 137 = AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 13; Senat 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – BAGE 99, 31 = AP GG Art. 3 Nr. 291 = EzA GG Art. 3 Nr. 93). Auch der Kompromisscharakter von Tarifverträgen als Verhandlungsergebnis divergierender Interessen muss in dem Sinne berücksichtigt werden, dass an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 3 GG Rn. 44 u. 46 mwN).
bb) Bei Anlegung dieser Prüfungsmaßstäbe verstößt die Tarifnorm des § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Differenzierung bei der Flugstundengutschrift zwischen Arbeitnehmern, denen Erziehungsurlaub gewährt wird, und Arbeitnehmern, deren Arbeitszeit durch Erholungsurlaub, unbezahlten Urlaub oder gem. § 15 MTV Cockpit Nr. 5 ausfällt, ist nicht rechtswidrig. Beim Erziehungsurlaub liegt verglichen mit den vorgenannten in der Tarifnorm aufgeführten Ausfalltatbeständen ein anderer Sachverhalt vor, wie die Beklagte mit Recht geltend macht.
(1) Der Zweck der Flugstundengutschrift ist es, Nachteile des Cockpitmitarbeiters hinsichtlich der von der Überschreitung der „Mehrflugstundenauslösegrenze” (so die Terminologie der Betriebsvereinbarung vom 8. Mai 2002) abhängigen Mehrflugstundenvergütung durch bestimmte Ausfallzeiten zu vermeiden, indem dafür Flugstundengutschriften zugebilligt werden, und ihm auf diese Weise ein von ihm pro rata temporis erarbeitetes Entgelt nicht entgehen zu lassen. Diesbezüglich privilegierte Tatbestände sind nach der von den Tarifvertragsparteien getroffenen Regelung der Erholungsurlaub und die Ausfallzeiten des § 15 MTV; in beiden Fällen handelt es sich um Ausfallzeiten, für die ein Anspruch des Cockpitmitarbeiters auf Entgelt besteht. Dies ist beim dritten privilegierten Tatbestand des § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 – dem unbezahlten Urlaub – nicht der Fall. Dieser weist eine Besonderheit auf, die ihn sowohl von den vorgenannten bezahlten Ausfallzeiten als auch von dem unbezahlten Erziehungsurlaub unterscheidet. Zur Gewährung von unbezahltem (Sonder)Urlaub ist der Arbeitgeber ohne entsprechende vertragliche oder tarifvertragliche Regelung nicht verpflichtet. Das eine wie das andere ist im Arbeitsleben der Ausnahmefall. Auch der MTV Cockpit Nr. 5 enthält keine alle in Betracht kommenden Sonderurlaubstatbestände umfassende Regelung, für die er unter bestimmten geregelten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch des Cockpitmitarbeiters vorsieht, sondern enthält in § 15a MTV Cockpit Nr. 5 lediglich für gewerkschaftliche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen einen Anspruch des Cockpitmitarbeiters auf Arbeitsbefreiung von bis zu drei Wochen. Mangels einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage in ihrem Haustarifvertrag ist die Beklagte daher frei in ihrer Entscheidung, ob sie einem Cockpitmitarbeiter, dem kein vertraglicher Anspruch darauf zusteht, unbezahlten Urlaub gewährt. Etwas anderes kommt nur ausnahmsweise bei besonderen Notsituationen oder Zwangslagen des Arbeitnehmers in Betracht (ErfK/Preis 3. Aufl. § 611 BGB Rn. 854, 855; Küttner/Reinecke Personalbuch 2003 Stichwort Urlaub, unbezahlter Rn. 4). Demgegenüber hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Erziehungsurlaub (jetzt Elternzeit), den der Arbeitgeber/die Beklagte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen muss. Es liegt insoweit ein anderer Sachverhalt als beim unbezahlten Urlaub vor.
(2) Es erscheint nicht unvernünftig, wenn die Tarifvertragsparteien im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums ihre Regelung in § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 an diesem Unterschied orientiert und sich darauf geeinigt haben, bei einer unbezahlten Ausfallzeit solle die Beklagte durch die Verpflichtung zur Flugstundengutschrift nur dann finanziell belastet werden, wenn diese auf einer von ihr freiwillig mit dem Cockpitmitarbeiter getroffenen Vereinbarung beruht, wie dies beim unbezahlten Urlaub regelmäßig der Fall ist. Bei ihrer freien Entscheidung, ob die Beklagte unbezahlten Urlaub gewährt, darf diese auch durchaus daraus resultierende sie treffende tarifvertragliche Verpflichtungen berücksichtigen, sofern der Tarifvertrag solche vorsieht.
(3) Ein gewichtiges Argument für diese Deutung des Regelungswillens der Tarifvertragsparteien ist der bereits in anderem Zusammenhang angeführte § 15a MTV Cockpit Nr. 5. In dieser Tarifbestimmung haben die Tarifvertragsparteien für einen speziellen Sonderurlaubsfall, nämlich denjenigen der Fort- und Weiterbildung des Cockpitmitarbeiters bei gewerkschaftlichen Schulungsveranstaltungen, diesem einen Anspruch auf die „Arbeitsbefreiung” eingeräumt. „Die Mitarbeiter erhalten auf Antrag” für eine solche Schulung die Arbeitsbefreiung, „falls die betrieblichen Verhältnisse es zulassen” (§ 15a Abs. (1) 1. Halbs.). Das heißt, dass die Beklagte zur Gewährung der Arbeitsbefreiung verpflichtet ist, wenn ihre betrieblichen Verhältnisse dieser nicht entgegenstehen. Für diesen Fall des Sonderurlaubs, der entweder völlig, jedenfalls aber überwiegend unbezahlt ist, haben die Tarifvertragsparteien anders als beim unbezahlten Urlaub im Übrigen die Flugstundengutschrift in § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 nicht vorgesehen.
4. Die Regelung des § 9 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 BErzGG in der zur Zeit des umstrittenen Anspruchszeitraums geltenden Fassung – nunmehr § 15 Abs. 2 Satz 4 BErzGG – gem. § 134 BGB nichtig. Nach § 15 Abs. 3 BErzGG aF kann der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Eine Tariföffnungsklausel fehlt. Die Vorschriften über den Erziehungsurlaub sind zwingendes Gesetzesrecht, von dem weder durch Einzelverträge noch durch Betriebsvereinbarung oder Tarifverträge abgewichen werden kann (allgemeine Ansicht vgl. BAG 15. Dezember 1998 – 3 AZR 251/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 25 mzN = EzA BErzGG § 15 Nr. 12). Die Vorschrift verbietet nicht nur Vereinbarungen, die den Anspruch auf Erziehungsurlaub unmittelbar betreffen, sondern auch solche, die sich auf die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers vor oder nach dem Erziehungsurlaub nachteilig auswirken, etwa hinsichtlich der Berechnung von Leistungen oder Vergütungen (Buchner/Becker Mutterschutzgesetz/Bundeserziehungsgeldgesetz 7. Aufl. vor §§ 15 bis 21 BErzGG Rn. 31, § 15 BErzGG Rn. 27). Dies gebietet ihre Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht. Dies ist eine Grundsatzentscheidung, die bei der Auslegung des § 15 Abs. 3 BErzGG aF zu berücksichtigen ist.
Ein Verstoß gegen diese Norm liegt jedoch dann nicht vor, wenn an die Arbeitsleistung anknüpfende Leistungen für den Zeitraum der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nicht gewährt oder anzurechnen sind, wie dies bei der Mehrflugstundenvergütung grundsätzlich der Fall ist. Soweit davon § 15 C. lit. c) MTV Cockpit Nr. 5 Ausnahmen vorsieht, gelten die Ausführungen zur Frage der Rechtswidrigkeit der tariflichen Regelung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechend. Die tariflich vorgesehenen Ausnahmen betreffen Sachverhalte, die sich von dem des Erziehungsurlaubs unterscheiden.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Bott, Jürgens, Rupprecht
Fundstellen
Haufe-Index 1120465 |
FA 2004, 253 |
ZTR 2004, 426 |
AP, 0 |
EzA |