Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Sozialpädagogen in psychiatrischem Wohnheim
Leitsatz (amtlich)
Ein Sozialpädagoge, der psychisch kranke Menschen in einem Wohnheim/Wohnhaus mit gemeindepsychiatrischer Orientierung betreut, erfüllt nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa BAT/BL.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; VergGr. IVb, IVa “Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst” der Anlage 1a zum BAT/BL vom 19. Juni 1970 i.d.F. vom 24. April 1991
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach den Vergütungsgruppen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) Anlage 1a Teil II Abschn. G (Sozial- und Erziehungsdienst), die sich daraus ergebende Vergütung und die Nachzahlung der Differenz zwischen der aus der VergGr. IVb BAT gewährten und der aus der VergGr. IVa BAT geforderten Vergütung für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993.
Der Kläger ist seit dem 15. Juni 1989 bei dem Beklagten als Sozialpädagoge tätig. Er ist staatlich anerkannter Sozialpädagoge. Seit dem 1. Oktober 1990 wird er in dem mit psychisch kranken Menschen belegten Wohnhaus J… straße mit angeschlossener Nachsorge eingesetzt.
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach Ziff. 2 des Dienstvertrages vom 5. Juni 1989 nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung aus der VergGr. IVb BAT zuzüglich einer Psychiatriezulage von 30,-- DM und einer “allgemeinen Zulage” von 100,-- DM.
Der Beklagte betreibt in H…-W… das sog. Wohnhaus J… straße. Dieses verfügt über 20 Wohnheimplätze, die mit psychisch kranken Frauen und Männern belegt sind, welche zuvor fast ausnahmslos in der Psychiatrischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses E… (AKE) stationär behandelt wurden. Sie sind in Einzelzimmern untergebracht. Für ihre sozialpsychiatrische Behandlung bestehen individuell erstellte Behandlungspläne, die von den Sozialarbeitern/Sozialpädagogen, Psychologen und Krankenpflegern umgesetzt werden. Dem Heim liegt das Konzept einer gemeindepsychiatrischen Orientierung zugrunde, es hat deswegen eine Versorgungsverpflichtung für die Bewohner des Stadtteils E… übernommen. Dies führt dazu, daß in ihm auch Patienten aus diesem Bereich aufgenommen werden müssen, die zuvor von anderen Einrichtungen abgelehnt worden sind.
Der Kläger hat bereits während seines Studiums den Schwerpunkt auf den Bereich Sozialpsychiatrie gelegt. Er ist zuständig für die Einzelbetreuung von einzelnen Bewohnern des Hauses, u.a. für die Einzelbetreuung von einzelnen Bewohnern des Hauses, u.a. für die Aufstellung von deren individuellen Rehabilitationsplänen, deren Fortschreibung und -entwicklung, das Training kommunikativer und interaktiver Fähigkeiten, Krisenprävention und die berufliche Rehabilitationsvorbereitung.
Der Kläger betreut dabei Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen, wobei die jeweils dem Patienten anzubietende Hilfe von dessen ganz konkreter Problemlage, Persönlichkeitsstruktur und Krankheitsbild abhängt. Neben dieser Betreuung ist der Kläger mit arbeitsorganisatorischen Tätigkeiten befaßt, wie Fallbesprechungen im Team und der Teilnahme an der innerbetrieblichen Selbstverwaltung und Gemeinwesenarbeit.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 1991 und vom 23. April 1992 beantragte der Kläger seine Höhergruppierung in die VergGr. IVa der Anlage 1a Teil II Abschn. G zum BAT. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 19. April 1993 ab.
Mit seiner dem Beklagten am 31. Dezember 1993 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen Höhergruppierungsanspruch für die Vergangenheit und Zukunft weiter, und zwar für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 mit einer Zahlungsklage in Höhe der Differenz zwischen der Vergütung nach VergGr. IVb und IVa und für die Folgezeit mit einer Feststellungsklage.
Er hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit hebe sich durch ihre besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus den nach der VergGr. IVb BAT zu vergütenden Tätigkeiten heraus. Die besondere Schwierigkeit ergebe sich schon aus den Besonderheiten des zu behandelnen Personenkreises. Es handele sich nämlich um Personen, die neben der im Vordergrund stehenden psychischen meist aus dem schizophrenen Formenkreis stammenden Erkrankung zu einem erheblichen Teil auch an einer Suchtmittelabhängigkeit litten. Die Bedeutung seiner Tätigkeit ergibt sich seiner Auffassung nach daraus, daß das Wohnaus J… straße gegenüber dem AKE eine Aufnahmeverpflichtung eingegangen sei und daher unter den aufzunehmenden Patienten keine Auswahl getroffen werden könne. Das Wohnhaus stelle ein wichtiges Glied in der psychiatrischen Versorgungskette in dem Stadtteil dar. Die Bedeutung ergebe sich aber vor allem aus der Sicht der zu behandelnden Menschen, weil es darum gehe, Rückfälle und eine Chronifizierung ihrer Krankheit zu vermeiden. Schließlich ergebe sich die Bedeutung seiner Tätigkeit aus der Tatsache, daß er an den mehrfach stattfindenden Konzeptionstagen und damit an der Weiterentwicklung des Konzepts der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung mitwirke.
Der Kläger hat beantragt,
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit erfülle zwar das Merkmal “schwierige Tätigkeiten” i.S.d. VergGr. IVb BAT Fallgruppe 16, obwohl sie in der dazugehörigen Protokollnotiz Nr. 5 nicht ausdrücklich als solche aufgeführt sei. Sie hebe sich jedoch nicht durch ihre besondere Schwierigkeit und Bedeutung im Sinne der VergGr. IVa Fallgruppe 15/16 BAT heraus. Die sozialtherapeutische Behandlung mit dem Ziel einer medizinischen Rehabilitation, die Durchführung therapeutischer Gruppenarbeit und die Familientherapie, die von dem Kläger in 68 % seiner Tätigkeit ausgeübt würden, erfüllten diese Merkmale nicht. Es finde im Wohnhaus J… straße auch keine gezielte Suchttherapie statt. Kenntnisse in Krisenintervention gehörten zu den Grundvoraussetzungen der Arbeit mit psychisch kranken Menschen, im übrigen liege die medzinische Gesamtverantwortung für die Tätigkeit des Klägers bei dem Arzt Dr. L… des AKE.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klageforderung mit Ausnahme der Zinsforderung für den Zahlungsanpruch entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IVa BAT, da sich seine Tätigkeit jedenfalls nicht durch ihre Bedeutung aus den nach der VergGr. IVb BAT zu vergütenden schwierigen Tätigkeiten heraushebt.
Unterschriften
Schaub, Friedrich, Schneider, Seifner, Schamann
Fundstellen