Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkurrentenklage im öffentlichen Dienst. Konkurrentenklage im öffentlichen Dienst bei endgültiger Stellenbesetzung. Recht des öffentlichen Dienstes
Leitsatz (amtlich)
- Die öffentliche Verwaltung ist verpflichtet, die Besetzung eines öffentlichen Amtes bis zum Abschluß eines Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes zu unterlassen, das ein Mitbewerber gegen die Stellenbesetzung angestrengt hat.
- Ein öffentliches Amt wird dann besetzt, wenn dem ausgewählten Bewerber eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt wird, die der Ausgestaltung dieses Amtes entspricht.
- Werden nach der Besetzung eines öffentlichen Amtes Fehler festgestellt, die das Ergebnis des Auswahlverfahrens beeinflußt haben können, so besteht kein Anspruch des abgelehnten Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG, das Auswahlverfahren zu wiederholen, wenn ihm ausreichend Gelegenheit für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gewährt worden war.
Orientierungssatz
- Das Verfassungsgebot wirksamen Rechtsschutzes fordert, daß einem abgelehnten Bewerber nach Abschluß des Auswahlverfahrens vor der Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber die Möglichkeit gewährt wird, vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
- Einem zu Unrecht übergangenen Bewerber können nach endgültiger Besetzung der Stelle Schadenersatzansprüche zustehen. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt keinen Anspruch darauf, ein öffentliches Amt doppelt zu besetzen.
- Ein öffentliches Amt ist dann besetzt, wenn dem ausgewählten Bewerber eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt ist, die der Ausgestaltung des Amtes entspricht. Soll ein Bewerber um ein Beförderungsamt zunächst erprobt werden, bevor ihm dieses Amt ohne zeitliche Begrenzung übertragen wird, reicht es, wenn einem Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit zum Zwecke der Erprobung (durch Ausübung des Direktionsrechts) übertragen wird.
- Verlangt ein abgelehnter Bewerber nach erfolgter Stellenbesetzung ein erneutes Auswahlverfahren, so ist das nur zulässig, wenn ein Anspruch darauf besteht, daß die fehlerhaft besetzte Stelle wieder “freigemacht” wird.
- Allein wegen des Umstands, daß die in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien – Eignung, Befähigung und fachliche Leistung – objektiv fehlerhaft angewandt worden sind, besteht noch kein Anspruch darauf, eine Stellenbesetzung rückgängig zu machen. Damit wäre eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung verbunden, die weder mit Art. 33 Abs. 2 GG noch mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip vereinbar ist.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 09.11.2000; Aktenzeichen 7 Sa 129/00) |
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 23.11.1999; Aktenzeichen 5 Ca 1345/99) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. November 2000 – 7 Sa 129/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Besetzung einer Fachseminarleiterstelle.
Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1991 beim beklagten Land im Angestelltenverhältnis als Fachlehrer für Englisch und Sport tätig. Er erhält Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O. Im Jahr 1998 schrieb das beklagte Land im Schulverwaltungsblatt die mit VergGr. Ia BAT-O bewertete Stelle einer “Fachseminarleiterin/eines Fachseminarleiters für das Lehramt an Gymnasien im Fach Englisch” aus. In der Ausschreibung heißt es ua.:
“Es können sich Lehrkräfte im Angestellten- und Beamtenverhältnis bewerben, die im Schuldienst des Landes an Gymnasien, Gesamtschulen, Schulen des zweiten Bildungsweges (Abendgymnasien, Kollegs) tätig sind.
Beamtinnen und Beamte müssen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen der Verordnung über die Laufbahn des Schul- und Schulaufsichtsdienstes des Landes Sachsen-Anhalt vom 20.09.1992 (GVBl. LSA S. 698), geändert durch Verordnung vom 04.06.1997 (GVBl. LSA S. 548), erfüllen.”
Neben dem Kläger bewarb sich ua. noch Frau O…. Die Mitbewerberin war seit dem 31. August 1985 als Angestellte zunächst als Lehrerin an der polytechnischen Oberschule und der erweiterten Oberschule, ab dem 1. August 1991 am Gymnasium tätig. Sie erhält Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O.
Das zuständige Referat im Kultusministerium schlug dem Minister vor, die Mitbewerberin zu bestellen. Der Minister folgte dem Vorschlag. Die Bestellung wurde zum 1. Januar 1999 durchgeführt. Auf Antrag des Klägers gab das Arbeitsgericht Halle dem beklagten Land durch einstweilige Verfügung vom 12. Januar 1999 – 5 Ga 40/98 – auf, die Stelle nicht endgültig mit einer anderen Person als dem Kläger zu besetzen und die Mitbewerberin bis zum Abschluß einer neu zu treffenden Auswahlentscheidung von diesem Posten zu entfernen. Das Land befolgte die einstweilige Verfügung.
Das zuständige Fachreferat erstellte am 11. Mai 1999 einen erneuten Besetzungsvorschlag. Es kam wiederum zu dem Ergebnis, die Mitbewerberin sei besser geeignet als der Kläger. Mit Leitungsvorlage vom 9. Juni 1999 machte es dem Kultusminister einen entsprechenden Besetzungsvorschlag. Der Minister zeichnete am 10. Juni 1999 diese Leitungsvorlage ab. Bereits am 26. Mai 1999 hatte das Kultusministerium dem Kläger mitgeteilt, auch im erneuten Auswahlverfahren sei die Entscheidung auf die Mitbewerberin gefallen. Es sei beabsichtigt, sie mit Wirkung vom 1. Juli 1999 zur Fachleiterin zu bestellen. Der Kläger beantragte beim Arbeitsgericht am 7. Juni 1999 erneut eine einstweilige Verfügung. Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht Halle mit einem am 24. Juni 1999 verkündeten Urteil abgewiesen (– 5 Ga 12/99 –).
Mit Schreiben, das am 15. Juli 1999 zuging, teilte das beklagte Land der Mitbewerberin mit, das Auswahlverfahren sei zu ihren Gunsten abgeschlossen. Es bestellte sie zur Fachseminarleiterin mit VergGr. Ia BAT-O. Außerdem führte es aus, bei “Vorliegen der laufbahnrechtlichen und sonstigen Voraussetzungen” erfolge eine “Höhergruppierung in die nächst höhere Vergütungsgruppe”. Damit nahm das beklagte Land seine beamtenrechtlichen Vorschriften in Bezug, nach denen eine Beförderung in ein höheres Amt erst nach einer halbjährigen Erprobung möglich ist. Die Mitbewerberin trat ihre neue Tätigkeit am 15. Juli 1999 an.
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 1999 legte der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein. Das Urteil wurde ihm am 18. August 1999 zugestellt. Das Arbeitsgericht führte in den Gründen aus, das Auswahlverfahren sei frei von Fehlern. Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 27. Oktober 1999 zurückgewiesen (– 7 Sa 558/99 –).
Mit der Klage erstrebt der Kläger eine erneute Auswahlentscheidung. Er ist der Ansicht, auch eine eventuelle Besetzung der Stelle mit seiner Mitbewerberin stünde dem nicht entgegen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, es zu unterlassen, die Stelle eines (einer) Fachseminarleiters/in für das Fach Englisch an Gymnasien im Bereich des Staatlichen Schulamtes Halle mit Frau O… zu besetzen, und Frau O… von dieser Stelle durch Umsetzung bzw. Änderungskündigung bis zu einer zu treffenden Auswahlentscheidung zu entfernen,
hilfsweise,
das beklagte Land zu verurteilen, seine Auswahlentscheidung bezüglich der Besetzung der Stelle eines (einer) Fachseminarleiters/Fachseminarleiterin für das Fach Englisch an Gymnasien im Bereich des Staatlichen Schulamtes Halle aufzuheben und über die Bewerbung des Klägers auf die vorbezeichnete Fachseminarleiterstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Nachdem der gegen die erste Auswahlentscheidung gerichtete Klageantrag bereits in der ersten Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, ist allein noch die zweite Auswahlentscheidung Gegenstand des Rechtsstreits. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel eines erneuten Auswahlverfahrens.
Entscheidungsgründe
Unterschriften
Düwell, Zwanziger
Richterin am BAG Reinecke ist infolge Erkrankung an der Unterschrift gehindert.
Die ehrenamtlichen Richter Fox und Dr. Gaber sind ausgeschieden.
Düwell
Fundstellen
Haufe-Index 871046 |
BAGE 2003, 153 |
BB 2003, 692 |
ARST 2002, 238 |
ARST 2003, 49 |
EWiR 2003, 61 |
FA 2002, 252 |
FA 2002, 391 |
JR 2003, 175 |
NZA 2003, 324 |
ZTR 2002, 373 |
ZTR 2003, 146 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 3 |
EzA-SD 2002, 8 |
EzA |
NJ 2002, 356 |
NJ 2003, 161 |
PersV 2003, 300 |
RiA 2003, 106 |
ZMV 2002, 196 |
ZfPR 2002, 309 |
AA 2003, 73 |
AUR 2002, 269 |
AUR 2003, 37 |
ArbRB 2003, 43 |
BAGReport 2003, 160 |
GdWZ 2003, 307 |
SPA 2002, 6 |