1 Leitsatz
Der Anbau einer Treppe an einen Balkon stellt eine bauliche Veränderung dar, und zwar unabhängig davon, ob die Treppe leicht ausgehängt werden kann oder fest verankert ist.
2 Normenkette
§ 22 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer gestatten Wohnungseigentümer X im Jahr 2005 den Umbau seines Balkons zu einer "Terrasse". Von dieser Gestattung macht X auch Gebrauch. Ohne die anderen Wohnungseigentümer zu fragen, errichtet er zusätzlich eine Treppe, die von der Terrasse in den Garten führt. Wohnungseigentümer K kauft später dieses Wohnungseigentum von X. Erst jetzt stören sich die anderen Wohnungseigentümer an der Treppe und beschließen, diese auf Kosten aller Wohnungseigentümer abbauen zu lassen. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er ist der Meinung, die Treppe sei aufgrund des Beschlusses aus dem Jahr 2005 rechtmäßig. Außerdem stelle die leicht auszuhängende Treppe keine nachteilige bauliche Veränderung dar.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Für einen Beschluss, einen ordnungsmäßigen Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums wiederherzustellen, bestehe eine Beschlusskompetenz. Der Beschluss widerspreche auch nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Anbau der Treppe sei eine bauliche Veränderung gewesen, und zwar unabhängig davon, ob sie leicht ausgehängt werden könne oder fest verankert sei. Denn sie stelle eine auf Dauer angelegte gegenständliche und optisch nachteilige Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, an dem eine neue Einrichtung in Form einer ursprünglich nicht vorhandenen Treppe geschaffen worden sei. Der Anbau der Treppe sei auch nicht vom Beschluss aus dem Jahr 2005 ("Erweiterung/Umbau des Balkons der Wohnung … zur Terrasse") gedeckt gewesen. Ein vom störenden Wohnungseigentümer geschaffener Zustand sei auch nach Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB rechtswidrig und könne von den übrigen Wohnungseigentümern auf Kosten aller Wohnungseigentümer beseitigt werden. Die anderen Wohnungseigentümer hätten dieses Recht auch nicht verwirkt. Ein "treuwidriger Inhalt" des Beschlusses sei nicht erkennbar.
Hinweis
- Im Fall geht es zum einen um die Frage, welche Maßnahmen der Beschluss erlaubt, mit dem die Wohnungseigentümer einer baulichen Veränderung zustimmen (wenn eine solche durch einen Substanzeingriff ins gemeinschaftliche Eigentum vorlag). Hier gilt: Es sind nur solche Maßnahmen erlaubt, die in dem ausreichend bestimmten Beschluss beschrieben werden. Insoweit ist es eine Aufgabe aller an diesem Beschluss Beteiligten, so detailliert wie möglich zu beschreiben, welche Maßnahmen einem Wohnungseigentümer erlaubt sein sollen, und welche nicht. Bezogen auf den Fall bedeutet das: Hatten die Wohnungseigentümer dem Anbau einer Treppe nicht ausdrücklich zugestimmt, war dieser offensichtlich nicht erlaubt und unzulässig.
- Zum anderen geht es um die Frage, wie mit einer unzulässigen baulichen Veränderung umzugehen ist. Insoweit muss man wissen, dass es einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB mit dem Inhalt gibt, die Störung zu unterlassen und zu beseitigen. Wären die Wohnungseigentümer daher zeitnah und noch gegen Wohnungseigentümer X vorgegangen, hätte dieser auf eigene Kosten die Treppe beseitigen müssen. Hier "tickt" allerdings eine Uhr. Denn dieser Störungsunterlassungs- und/oder Störungsbeseitigungsanspruch verjährt nach 3 Jahren. Nach Ablauf dieser Zeit sind die anderen Wohnungseigentümer allerdings nicht machtlos. Vielmehr sind sie berechtigt, die unberechtigt vorgenommene bauliche Veränderung auf eigene Kosten zurückzubauen. Eben hierum geht es im Fall. Bevor es dazu kommt, muss man natürlich beschließen, zurückzubauen. Für so einen Beschluss gibt es eine Beschlusskompetenz, wie unlängst der BGH geklärt hat (BGH, Urteil v. 5.7.2019, V ZR 149/18, Rz. 7). Inhalt dieses Beschlusses ist, das gemeinschaftliche Eigentum wiederherzustellen, und zwar auf Kosten aller Wohnungseigentümer (BGH, Urteil v. 5.7.2019, V ZR 149/18, Rz. 7). Ein einzelner Wohnungseigentümer kann hingegen nichts unternehmen. Denn nach von mir nicht geteilter Ansicht des BGH bedarf es stets eines Beschlusses (BGH, Urteil v. 5.7.2019, V ZR 149/18, Rz. 14).
- Schließlich wird im Fall die "übliche" Verteidigung eines Wohnungseigentümers angesprochen, der eine unzulässige bauliche Veränderung vorgenommen hat. Einerseits wird er die Einrede der Verjährung erheben, die auch erfolgreich ist, wenn es um die Frage geht, ob er noch "Störer" ist. Für Wohnungseigentümer K spielt diese Frage allerdings keine Rolle, da er den Zustand der Terrasse ohnehin nicht geschaffen hatte und daher nur als Zustandsstörer infrage kam. Andererseits wird er sich auf "Treu und Glauben" berufen, hier im "Kleid" der Verwirkung. Denn der Anspruch, einer baulichen Veränderung entgegenzutreten, kann nach § 242 BGB verwirkt werden. Dies setzt voraus, dass zu einem Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorl...