Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellungsverfahren gemäß Art. 64 BayBO als anderes baurechtliches Verfahren im Sinne von § 14 Abs. 3 Alt. 2 BauGB. bauaufsichtlicher Anordnung. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Juni 1999
Leitsatz (amtlich)
1. Eine gemeindliche Äußerung zu einem im Freistellungsverfahren gemäß Art. 64 BayBO vorgelegten Vorhaben kann nicht schon dann als Erklärung gemäß Art. 64 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BayBO, dass das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, angesehen werden, wenn irgendwie zum Ausdruck gebracht wird, dass die Gemeinde mit dem Vorhaben nicht einverstanden ist; vielmehr muss der Äußerung eindeutig zu entnehmen sein, dass die Rechtsfolge, die Art. 64 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BayBO an die Erklärung knüpft, gewollt ist.
2. Ein nach Art. 64 BayBO von der Genehmigungspflicht freigestelltes Vorhaben, mit dessen Ausführung gemäß Art. 64 Abs. 2 BayBO begonnen werden darf, ist im Sinne der auf dem BauROG beruhenden zweiten Alternative von § 14 Abs. 3 BauGB aufgrund eines anderen baurechtlichen Verfahrens zulässig.
3. § 14 Abs. 3 Alt. 2 BauGB lässt das gemäß Art. 64 Abs. 2 BayBO „freigegebene” Vorhaben nur von einer nach der Baufreigabe in Kraft getretenen („nachgeschobenen”) Veränderungssperre unberührt, mit der eine Planung gesichert werden soll, die auf Gegebenheiten reagiert, die der Gemeinde schon während der Monatsfrist des Art. 64 Abs. 2 BayBO bekannt waren oder die sie während dieser Frist hätte erkennen können.
Normenkette
BauGB § 14 Abs. 3; BayBO Art. 64
Verfahrensgang
VG Augsburg (Beschluss vom 30.06.1999; Aktenzeichen 4 S 99.343) |
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
1. Der Antragsteller beabsichtigt, auf dem im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „W.” der Beigeladenen gelegenen Grundstück FlNr. 581 ein den Festsetzungen des Bebauungsplanes entsprechendes Wohngebäude zu errichten. Am 27. Februar 1998 reichte er gemäß Art. 64 Abs. 2 BayBO die erforderlichen Unterlagen als „Vorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren” bei der Beigeladenen ein. Diese hatte bereits am 2. Februar 1998 beschlossen, den Bebauungsplan „W.” zu ändern und die Planung durch eine Veränderungssperre zu sichern. Die unter dem 6. Februar 1998 ausgefertigte Satzung über die Veränderungssperre erwähnt in § 1 („zu sichernde Planung”) den Bebauungsplanänderungsbeschluss. Der räumliche Geltungsbereich ist in § 2 durch wörtliche Umschreibung sowie Bezugnahme auf eine Karte vom 2. Februar 1998, die als Anlage zur Veränderungssperre Teil der Satzung sei, bestimmt. Die Veröffentlichung der Satzung erfolgte durch Bekanntmachung an den Amtstafeln, dass eine Veränderungssperre beschlossen wurde. Der Beschluss, den Bebauungsplan zu ändern, wurde nicht eigens bekanntgemacht.
Die Beigeladene teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. März 1998 mit, dass der Gemeinderat beschlossen habe, den „Bauantrag zurückzustellen”, weil für das Gebiet eine Veränderungssperre beschlossen worden sei und die Gemeinde zunächst ein Gespräch mit den Grundstückseigentümern über die weitere Bebauung führen wolle. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Hofbaur!
Nach Vorberatung durch den Bauausschuß habe ich dem Gemeinderat Ihren Bauantrag zur Stellungnahme vorgelegt.
Wie schon im Bauausschuß vorbesprochen hat das Gremium beschlossen, Ihren Bauantrag zurückzustellen.
Begründung hierfür war, dass für das betreffende Gebiet eine Veränderungssperre beschlossen worden ist und die Gemeinde zunächst ein Gespräch mit den betreffenden Grundstückseigentümern im Hinblick auf eine weitere Bebauung führen will. Sie werden hierzu auch mit eingeladen.
In der Hoffnung auf ihr Verständnis …”
Am 13. Juli 1998 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen den Bebauungsplan „W.” in einem Teilbereich aufzuheben, und am 3. August 1998 eine Veränderungssperre zur Sicherung dieser Planung. Der Text der am 7. August 1998 ausgefertigten Satzung entspricht dem Wortlaut der Satzung vom 6. Februar 1998 mit den Maßgaben, dass in § 1 („zu sichernde Planung”) nunmehr der Beschluss zu dem Bebauungsplan vom 13. Juli 1998 erwähnt wird, dass – in § 4 – das Datum des Inkrafttretens (10.8.1998) geändert wurde und in derselben Vorschrift zudem bestimmt ist, dass die Veränderungssperre vom 6. Februar 1998 außer Kraft trete. Die Veröffentlichung der Satzung erfolgte wiederum in der Weise, dass durch Anschlag an den Amtstafeln bekanntgemacht wurde, es sei eine Veränderungssperre für einen Teilbereich des Bebauungsplans „B.-W.” beschlossen worden. Eine gesonderte Bekanntmachung des den Bebauungsplan betreffenden Beschlusses (vom 13.7.1998) unterblieb wiederum. Dieser Beschluss wird aber in der Bekanntmachung, dass eine Veränderungssperre beschlossen worden sei, erwähnt.
Mit Schreiben vom 5. August 1998 ...