Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. Beurteilung der anwaltlichen Tätigkeit. keine pauschale Kürzung. keine fiktive Terminsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einstufung der anwaltlichen Tätigkeit in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat nicht anhand eines Vergleichs nur mit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern auch unter Einbeziehung von Hauptsacheverfahren zu erfolgen (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 11.4.2013 - L 15 SF 43/12 B).
2. Der einstweilige Rechtsschutz weist Charakteristika auf, die es verbieten, ihn ausschließlich als Minus zum Hauptsachestreit zu begreifen, und die möglicherweise gebührenerhöhend wirken. Für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat daher keine pauschale Kürzung zu erfolgen; es ist auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 11.4.2013, aaO).
3. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG (in der seit dem 1.8.2013 geltenden Fassung) (juris: RVG-VV) fällt in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht an.
Tenor
I. Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29. September 2015 sowie die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 12. August 2015 abgeändert. Für das Antragsverfahren S 3 SO 55/15 ER wird die Verfahrensgebühr auf 250,00 EUR (zuzüglich Umsatzsteuer) festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig sind die Höhe der Verfahrensgebühr sowie die Einigungs- und Terminsgebühr dem Grunde nach.
In dem Antragsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes des Sozialgerichts Würzburg (SG) mit dem Az. S 3 SO 55/15 ER, in dem der Beschwerdeführer mit Beschluss des SG vom 22.07.2015 im Wege der Gewährung von PKH beigeordnet wurde, ging es um eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, weiterhin und ungekürzt den bisherigen monatlichen Grundsicherungsbetrag für die Kosten der Unterkunft an die Antragstellerin zu zahlen. Der Antragsgegner erklärte sich am 23.07.2015 unter ausdrücklicher Verwahrung gegen die Abgabe eines Anerkenntnisses bereit, weiterhin die tatsächlichen Unterkunftskosten bis Oktober 2015 anzuerkennen, um der Antragstellerin die Gelegenheit zu geben, eine günstigere Wohnung zu suchen. Zudem wurde Kostenaufhebung beantragt. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom 28.07.2015 unter dem genannten Az. die "Hauptsache" für erledigt. Eine ausdrückliche Annahme eines Anerkenntnisses erfolgte nicht. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurde beendet und statistisch erledigt.
Am 29.07.2015 beantragte der Beschwerdeführer, seine Vergütung auf insgesamt 1.266,16 EUR festzusetzen. Er machte dabei u.a. eine Verfahrensgebühr in Höhe von 360,00 EUR sowie eine Termins- und eine Einigungsgebühr in Höhe von 324,00 EUR bzw. 360,00 EUR geltend.
Mit Beschluss vom 12.08.2015 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung des Beschwerdeführers auf 261,80 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
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200,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
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- EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG |
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- EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
19% USt, Nr. 7008 VV RVG |
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41,80 EUR |
Gesamt: |
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261,80 EUR |
Zur Begründung führte er aus, dass die Gebührenbestimmung des Beschwerdeführers unbillig sei; so lasse die Bestimmung der Verfahrensgebühr außer Acht, dass es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehandelt habe, so dass von einer durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit auszugehen sei. In Relation zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren sei der Umfang des Verfahrens unterdurchschnittlich gewesen. Auch die Schwierigkeit des Letzteren sei bestenfalls durchschnittlich, da nur die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes erforderlich gewesen sei. Eine fiktive Terminsgebühr, so der Urkundsbeamte, könne nicht verlangt werden, da eine mündliche Verhandlung, die durch eine außergerichtliche Regelung vermieden werden würde, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gerade nicht vorgeschrieben sei. Es fehle auch an einer Einigung, so dass auch eine Einigungsgebühr nicht verlangt werden könne.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 18.08.2015 Erinnerung beim SG eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass die Angelegenheit schwierig und umfangreich und zudem eine zeitaufwändige Befassung mit der Rechtsprechung notwendig gewesen sei. Die Angelegenheit sei für die schwerkranke Antragstellerin von überdurchschnittlicher Bedeutung gewesen. Die Ablehnung von Termins- und Einigungsgebühr verkenne, so der Beschwerdeführer, die Rechtsänderungen zum 01.08.2013. Der Beschluss des Urkund...