Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung des persönlichen Erscheinens. Nichterscheinen. Ordnungsgeldfestsetzung. Rechtswidrigkeit bei genügender Entschuldigung. vorherige Ablehnung eines Antrags auf Verhandlungsteilnahme mittels Videokonferenz. kein ausreichender Entschuldigungsgrund
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens im sozialgerichtlichem Verfahren nach § 111 SGG kann nicht nur zur Sachverhaltsaufklärung, sondern auch im Interesse einer effektiven Verhandlung oder zweckmäßigen Erledigung (ua Vergleichsgespräche, Erläuterung der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels) erfolgen.
2. Die Auferlegung eines Ordnungsgeldes ist rechtswidrig, wenn der mit persönlichem Erscheinen geladene Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigt hat.
3. Die vorherige Ablehnung eines Antrags des Beteiligten nach § 110a SGG auf Teilnahme mittels Videokonferenz begründet unabhängig von der Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung alleine keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund, der der Auferlegung von Ordnungsgeld entgegensteht.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 25.03.2022 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) unter dem Az. S 7 AL 220/21 macht der am 31.01.1994 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) Anspruch auf Aufhebung der Bescheide der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) vom 15.07.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2021 geltend. Mit diesen Bescheiden stellte die Beklagte ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Bf. vom 20.06.2021 bis 10.07.2021 wegen Eintritts einer Sperrzeit fest, lehnte einen Leistungsanspruch nach Ablauf der Sperrzeit wegen während der Sperrzeit eingetretener Arbeitsunfähigkeit ab, hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 20.06.2021 auf und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 367,84 Euro geltend. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Bf. habe sich auf das von ihr übersandte Vermittlungsangebot als Lackierer/Spritzlackierer bei der Firma K GmbH Personalmanagement vom 15.06.2021 nicht beworben. Soweit der Bf. im Widerspruchsschreiben vom 20.07.2021 vortrug, er habe sich bei der Fa. K nicht beworben, weil er bereits eine mündliche Zusage der Firma N in U ab 01.09.2021 gehabt habe und dass er in den nächsten Tagen den Arbeitsvertrag erhalten werde, führte die Beklagte im Widerspruchsbescheid aus, eine mündliche Zusage reiche nicht aus.
Zur Begründung der Klage hat der Bevollmächtigte des Bf. im Klageschriftsatz vom 30.08.2021 vorgetragen, der Bf. habe sich bei der Firma K bewerben sollen, obgleich er bei einer Firma W bereits eine mündliche Zusage ab 01.09.2021 gehabt habe. Daher habe keine Sperrzeit verhängt werden können. Die Beklagte werde um Übersendung einer Abschrift des Vermittlungsvorschlags gebeten. Zugleich ist Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt worden.
Mit Beschluss vom 01.12.2021 hat das SG den PKH-Antrag abgelehnt, weil der Bf. trotz mehrfacher Erinnerung die angeforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die vom SG zum Nachweis angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt hat.
Mit Schreiben vom 09.12.2021 hat das SG dem Bf. mit dem Hinweis, dass die Stelle laut Vermittlungsvorschlag ab sofort zu besetzen gewesen sei, Gelegenheit zur weiteren Klagebegründung bis 30.12.2021 gegeben. Weitere Äußerungen zur Klagebegründung sind zunächst nicht erfolgt.
Mit Schreiben vom 28.02.2022 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt für den 25.03.2022 um 11:00 Uhr unter Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf.
Die Ladung ist dem Bf. laut Postzustellungsurkunde (PZU) am 03.03.2022 zugestellt worden durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Sein Bevollmächtigter hat die Ladung am 28.02.2022 erhalten.
Am 20.03.2022 (Sonntag) um 20:07 Uhr ist beim SG ein Schreiben des Bevollmächtigten des Bf. mit Datum 19.03.2022 eingegangen, mit dem dieser Antrag auf Durchführung des Termins "per Videokonferenz" gestellt hat. Gründe für die Durchführung des Termins per Videokonferenz sind nicht genannt worden. Der Bevollmächtigte des Bf. hat nun ausgeführt, dass der Bf. das Anforderungsprofil des Vermittlungsvorschlags nicht erfüllt habe, weil er Fahrzeuglackierer sei und nicht über die geforderte Berufserfahrung im Bereich Industrielackierung verfüge. Im Vermittlungsvorschlag heiße es: "Sie haben bereits mehrere Jahre Berufserfahrung im Bereich Industrielackierung sammeln können?" Der Vermittlungsvorschlag habe eine Stelle in einer Zeitarbeitsfirma betroffen; dort gelte der Grundsatz "hire and fire". Der Bf. habe sich stattdessen für eine sichere Stelle in einem Familienunternehmen entschieden. Hätte der Bf. beim Bewerbungsgespräch angekündigt, nach eventueller Einstellung gleich wieder zu kündigen, wäre er nicht genommen worden. Daher habe eine Bewerbung gemäß Vermittlungsvorschlag keinen Sinn ...