Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streit über Prozessbeendigung durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs. Wirksamkeit und Beseitigung eines Prozessvergleichs mit übereinstimmenden Erledigungserklärungen. Protokollberichtigungsantrag. Beweiskraft des Protokolls. Gegenbeweis. Nachweis der Protokollfälschung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Wirksamkeit und Beseitigung eines zur Niederschrift des Gerichts geschlossenen Vergleichs, der übereinstimmende Erledigungserklärungen enthält.
2. Zur Beweiskraft des gerichtlichen Protokolls.
Orientierungssatz
Die Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung werden durch das Protokoll bewiesen, jedes andere Beweismittel ist ausgeschlossen. Der Gegenbeweis kann nur durch den Nachweis der Protokollfälschung, also der wissentlich falschen Beurkundung oder der nachträglichen Fälschung geführt werden (vgl BSG vom 23.7.2015 - B 5 R 196/15 B; BGH vom 16.10.1984 - VI ZR 205/83 = NJW 1985, 1782 und BAG vom 13.11.2007 - 3 AZN 414/07 = NJW 2008, 1021).
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 29.10.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Fortsetzung eines Verfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg, in dem es um die Höhe der Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ging. Streitig ist, ob das Verfahren vor dem SG durch gerichtlichen Vergleich beendet worden ist.
Der Kläger ist bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied krankenversichert.
Mit Bescheiden vom 20.10.2014, 02.12.2014, 19.12.2014, 20.02.2015 und 05.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2016 wurden die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Klägers festgestellt.
Dagegen hat der damals noch anwaltlich vertretene Kläger am 09.06.2016 Klage zum SG Augsburg erhoben mit dem Ziel, die Beiträge für im Schriftsatz vom 09.06.2016 näher bezeichnete Zeiträume auf Grundlage der beitragspflichtigen Mindesteinnahme für freiwillige Mitglieder zu bemessen.
Mit Beschluss vom 14.07.2016 ist der Rechtsstreit an das SG Würzburg (Aktenzeichen des Verfahrens dort: S 17 KR 375/16) verwiesen worden.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 08.11.2016 das Mandat niedergelegt.
Mit Schreiben vom 02.05.2017 hat sich der Kläger geäußert. Dem Vorbringen ist sein Begehren zu entnehmen, dass der Verbeitragung jeweils für einige Monate eine nebenberufliche, nicht hauptberufliche Tätigkeit zugrunde gelegt werde. Er warte - so der Kläger - auf Unterlagen der Beklagten, die er haben möchte, bevor er den nächsten Schritt unternehme. Er gehe davon aus, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm - über eine mündliche Beratung hinaus - entsprechende Unterlagen zur Verfügung stellen. Dem beigelegten Schreiben des Klägers vom 03.03.2017 an die Beklagte ist zu entnehmen, welche Unterlagen er von der Beklagten möchte, nämlich die elektronisch gespeicherten Daten, den Schriftverkehr, die Telefonnotizen der Beklagten und alles Weitere, was über ihn gespeichert sei. Zudem möchte er Auskunft über die Beitragsberechnung und Beitragseinstufung sowie gegebenenfalls alle weiteren nötigen Unterlagen. Falls er die Unterlagen nicht erhalte, werde er den Rechtsweg beschreiten.
Am 09.08.2017 hat vor dem SG ein 90-minütiger Erörterungstermin stattgefunden. Im Protokoll dazu ist Folgendes festgehalten:
"Die Beteiligten schließen folgenden
Vergleich:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, die Beitragseinstufung bei einer im gesamten Kalenderjahr ausgeübten selbständigen Tätigkeit ab dem Kalenderjahr 2017 so vorzunehmen, dass bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden im Zeitraum vom 01.01.-31.12. des jeweiligen Kalenderjahres von einer nebenberuflichen selbständigen Tätigkeit ausgegangen wird.
2. Die Beteiligten sind sich einig, dass mit diesem Vergleich der anhängige Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist.
- vorgelesen und genehmigt -"
Unterzeichnet ist das Protokoll von der Vorsitzenden der 17. Kammer und der anwesenden Urkundsbeamtin. Das Protokoll ist am 10.08.2017 formlos an die Beteiligten geschickt worden.
Mit Schreiben vom 17.09.2017 hat der Kläger einige aus seiner Sicht bestehende Unrichtigkeiten des Protokolls beanstandet:
- Nicht richtig sei der Text "Die beteiligten schließen folgenden Vergleich: ....text..." Tatsächlich sei es um eine absurde mündliche Auskunft zur Einstufung haupt-/nebenberuflich gegangen. Schriftlich habe er dazu nichts und bei anderen Anfragen zum selben Thema sei davon nichts gesagt worden. Es müsse möglich sein, am Jahresende rückwirkend eine Herabstufung zu bekommen, wenn man am Anfang des Jahres zu hoch geschätzt worden sei.
- Er sei auch nach seinen Rechtsanwaltskosten gefragt worden; davon stehe nichts im Protokoll.
- Unrichtig sei auch der Text "Die beteiligten sind sich einig". Es sei anfangs angesprochen worden, dass die Sache mit der Einstufung auf Vollbeitrag im November 2014 nach Auff...