Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Baudienstleister. Handwerker ohne eigenes maßgebliches Werkzeug zur Verrichtung der Arbeit. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. illegale Arbeitnehmerüberlassung. Pflichten des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Handwerker, dem maßgebliches Werkzeug fehlt, ohne das die Arbeit nicht erbracht werden kann, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig.

2. Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer nach § 10 Abs 1 AÜG entsteht jedenfalls in aller Regel auch ein Beschäftigungsverhältnis iSv § 7 Abs 1 SGB 4, sodass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach den Grundsätzen des § 28e Abs 2 SGB 4 trifft.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.10.2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Versicherungspflicht des Beigeladenen in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin als Baudienstleister.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Unternehmen zur Sanierung/Renovierung von Gebäuden zum Zwecke der Vermietung bzw. Weiterveräußerung. Die Klägerin hat als angestellte Mitarbeiter eine Sekretärin, eine Finanzmanagerin und einen Polier, Herrn F. I., zur Sozialversicherung gemeldet. Die anderen Tätigkeiten - insbesondere die Kernaufgaben des Unternehmens wie Sanierung und Renovierung - werden an "Subunternehmer" vergeben. Die Bauleitung obliegt nach Angaben der Klägerin dem Architekten R..

Am 04.11.2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für sechs für sie tätige "Subunternehmer" u. a. für den Beigeladenen C..

In dem Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliegt, gab der am 06.01.1981 in Polen geborene Beigeladene an, in Polen eine Gesellschaft gegründet zu haben (ZUS). Er beschäftige keine Arbeitnehmer oder Auszubildende. Er sei für mehrere Auftraggeber, nämlich die Klägerin und die Firma W. tätig und erbringe für diese Baudienstleistungen. Sein Gewerbe übe er seit dem 09.06.2010 aus. Dieses sei bei der Landeshauptstadt A-Stadt angemeldet worden. Das Gewerbe umfasst laut Gewerbeanmeldung unter anderem

* die Tätigkeiten Akustik- und Trockenbauarbeiten,

* Bodenlege- und Abbrucharbeiten,

* Hausmeisterarbeiten,

* Einbau von genormten Fertigteilen,

* Kabelverlegearbeiten sowie zulassungsfreies Fliesenlegerhandwerk,

* Raumausstatter-, Parkettleger- und Estrichlegerhandwerk.

Weiter wurde vorgelegt ein zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossener Dienstvertrag (DV) vom 07./09.06.2010. Dieser wurde mittlerweile mit Kündigung der Klägerin vom 09.01.2013 zum 31.01.2013 gekündigt. Das Kündigungsschreiben war wie folgt formuliert:

"...bedanken wir uns für Ihre Mitarbeit und wünschen Ihnen für Ihren weiteren privaten und beruflichen Weg alles Gute".

In dem Vertrag vom 07./09.06.2010 wurde unter anderem geregelt, dass der Beigeladene ab dem 09.06.2010 für den Kläger als freier Mitarbeiter (Handwerker) tätig werde. Er könne seine Tätigkeit vollkommen selbständig gestalten, insbesondere "Termine im Zusammenhang mit Architekten frei disponieren". Er sei an keine Vorgaben zu Arbeitszeit und -ort gebunden, lediglich projektbezogene Zeitvorgaben seien einzuhalten (§ 1 Abs. 2 DV). Er sei berechtigt, nach vorheriger Anzeige eigene Mitarbeiter einzusetzen (§ 1 Abs. 3 DV). Die Vergütung sollte auf der Basis eines Stundenhonorars in Höhe von 18,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer bei monatlicher Abrechnung unter Darlegung des Zeitaufwandes erfolgen (§ 2 DV). Dem Beigeladenen sollten Reisespesen ersetzt werden. Für die Nutzung überlassener Betriebsmittel wurde eine Entschädigungsverpflichtung festgelegt (§ 3 DV). § 616 BGB wurde abbedungen (§ 5 DV). Die Klägerin erhielt ein Kündigungsrecht für den Fall dass die Vermutung des § 7 Abs. 4 SGB IV erfüllt ist (§ 6 DV). Der Beigeladene wurde verpflichtet, mitzuteilen ob und in welchem Umfang er für andere Auftraggeber tätig ist (§ 8 DV). Anhang 1 zu diesem Vertrag enthält eine Tätigkeitsbeschreibung, in der detailliert aufgelistet ist, welche konkreten Handwerkerleistungen in den jeweiligen Bauvorhaben der Klägerin zu erbringen sind.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 18.03.2011 vom Beigeladenen weitere Informationen. Dieser beantwortete das Schreiben sowie Erinnerungen nicht. Vielmehr legte die Klägerin unter anderem dar, dass der Beigeladene auf verschiedenen Baustellen im Stadtgebiet A-Stadt als Handwerker tätig sei. Er verfüge über eigene Arbeitsmittel wie Kleinwerkzeuge, Sägen, Schleifgeräte, Hämmer und Sicherheitskleidung. Er sei in seiner Zeite...

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