Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen eines Verfahrens nach dem Opferentschädigungsgesetz muss sich ein Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens möglichst präzise mit den vorliegenden Gesundheitsstörungen und der Frage auseinandersetzen, ob und inwieweit diese auf einen vorsätzlichen und rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des auf § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zurückgehen. Die bloße Bezugnahme auf die bei den vorangegangenen Gutachten gestellten Beweisfragen reicht nicht aus.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.01.2024; Aktenzeichen B 9 V 20/23 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 15. November 2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Beschädigtengrund- und einer Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die Klägerin wurde 1968 als zweitjüngstes Kind in die nach der Geburt des jüngsten Kindes A, der Klägerin im Parallelverfahren L 15 VG 26/21, insgesamt 17 Kinder umfassende Familie der Eheleute A1 und E M geboren. Der Vater verstarb im Jahr 1971, die Mutter im Jahr 2005.

Nach dem Tod des Vaters der Klägerin zeigte sich die Mutter mit der Erziehung der zahlreichen Kinder immer stärker überfordert. So ist eine Bestrafung der Mutter durch das Amtsgericht Landshut wegen Vernachlässigung der Kinder im Jahr 1972 in den beigezogenen Akten des Kreisjugendamts aktenkundig, in einem Vermerk des Kreisjugendamts ist in Bezug auf das Jahr 1974 davon die Rede, dass der Haushalt "völlig zusammengebrochen" sei.

Um den Jahreswechsel 1973/1974 (Meldedatum: 9. Januar 1974) herum zog die Mutter mit den noch bei ihr lebenden Kindern in ein Wohnhaus in der E Straße in A um, in das im Frühjahr 1974 der beschuldigte B (Täter) einzog.

Am 21. November 1974 wurde der Mutter der Klägerin das Sorgerecht entzogen. Die Klägerin wurde zusammen mit ihrer Schwester A am 16. Dezember 1974 in das Kinderheim V in L aufgenommen. Vom 21. Dezember 1979 bis 1985 war die Klägerin ebenfalls mit ihrer Schwester A zunächst bei der Pflegefamilie J untergebracht, wobei die beiden Schwestern mit ihrer Pflegefamilie teilweise in Südafrika lebten, und im Anschluss daran in den Jahren 1986/1987 bei einer weiteren Pflegefamilie in Deutschland (Familie H). Mit Unterstützung der neuen Pflegemutter Frau H erreichte die Klägerin den Realschulabschluss. Die Klägerin absolvierte sodann erfolgreich eine Ausbildung zur Hotelfachfrau in R (Abschlusszeugnis der Staatlichen Berufsschule B1 vom 25. Juni 1990). Anschließend war sie nach einer vorübergehenden Aushilfstätigkeit im Ausbildungshotel ihrer Schwester als Verpflegungsassistentin an einer Universitätsklinik, Betriebsratsvorsitzende und zuletzt bis 2017 als Tagesmutter tätig. Sie wurde Mutter zweier mittlerweile erwachsener Söhne.

Mit Antrag vom 23. Juni 2016 begehrte die Klägerin Opferentschädigung vom Beklagten. Sie gab an, ihrer Erinnerung nach sei sie einmal nachts schlafend im Wohnzimmer gelegen. Der Täter sei zu ihr gekommen, habe sie aufgeweckt und wollte sie packen. Sie habe "nein, nein" gesagt und habe versucht, ihm die Hände weg zu schlagen. Nach einer anderen Erinnerung weine sie und sei vom Täter in seiner Kellerwohnung mit spitzen Hölzern in den Bauchnabel, die Oberarme und in die Ohren gestochen worden. Auch habe sie einmal mit ihrer Schwester P durch ein Fenster in die Kellerwohnung geblickt und dort ihren Bruder M1 nackt und gefesselt sitzend auf einem Stuhl gesehen. Der Kopf ihres Bruders sei gesenkt gewesen. Auch sei sie einmal nackt auf dem Boden gelegen und Herr B habe ihr mit einem Stock in die Scheide gestoßen. Es sei ihr etwas in den Mund geschoben worden, sie habe würgen müssen, danach sei ihr eine klebrige Masse über Kopf und Gesicht gelaufen. Eine weitere Erinnerung sei, dass sie mit ihrem Bruder R zusammen in der Kellerwohnung von Herrn B sei. Sie seien nackt gewesen und sie habe das Geschlechtsteil ihres Bruders anfassen müssen. Sie habe laut Anweisung von Herrn B die Position wechseln und in eine bestimmte Richtung schauen müssen. Es sei noch ein Mann anwesend gewesen und sie habe ein Surren gehört. Auch könne sie sich an ihren Bruder R erinnern, wie er nackt mit dem Kopf zur Wand gestanden sei und die Arme seitlich hoch befestigt waren. Die Beine seien leicht gespreizt gewesen und er sei mit einer Schnur geschlagen worden. Eine andere Erinnerung sei noch, dass sie bei dem Haus in A durch den Garten gelaufen, dann plötzlich von Herrn B mit einem Stock verfolgt worden sei, dann einen Schlag verspürt habe und hingefallen sei.

Der Beklagte zog einen Entlassungsbericht von 31. Mai 2004 des Kurhauses S Bad W bei, in dem u.a. von einem Überforderungssyndrom bedingt durch die Trennung der Partnerschaft und das Alleinerziehen der Kinder gesprochen wird. In ...

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