Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. häusliche Pflege. Entlastungsbetrag. Kostenerstattung. Maßgeblichkeit der vereinbarten Vergütungssätze nach § 36 SGB 11. keine Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten für Bezugspflegekräfte oder Investitionskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Kostenerstattungsbetrag für Betreuungsleistungen kann nur in Anspruch genommen werden, falls eines der in § 45b Abs 1 S 3 SGB XI genannten Pflege- und Betreuungsangebote wahrgenommen wird.
2. Die nach § 36 SGB XI vereinbarten Vergütungssätze sind auch für die Leistungen nach § 45b Abs 1 S 3 SGB XI maßgeblich.
Orientierungssatz
1. Weder in § 36 SGB 11 noch in § 45b SGB 11 findet sich ein Hinweis, dass zusätzlich zu den aufgezählten Tatbeständen weitere Rechnungspositionen vom Entlastungsbetrag erfasst sein könnten.
2. Die Preisvereinbarungen nach § 89 SGB 11 sehen weder Mehrkosten vor für Investitionskosten noch für sog Bezugspflegekräfte.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.11.2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird auf 451,59 € festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind abgetretene Ansprüche aus monatlichen Entlastungsbeträgen nach § 45b SGB XI in Höhe von insgesamt 451,59 €.
Die Klägerin betreibt einen zugelassenen ambulanten Pflegedienst nach §§ 71 f SGB XI. Sie bietet ihren Kunden Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V, der ambulanten Pflege nach dem SGB XI sowie Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI an. Der Leistungserbringung liegt ein Vertrag nach § 89 SGB XI in der Fassung ab 01.01.2017 zugrunde. Die Klägerin schließt mit ihren Kunden ambulante Pflege- und Dienstleistungsverträge ab, die jeweils durch die Vereinbarung einzelner Leistungen im Rahmen eines Kostenvoranschlags konkretisiert werden.
Mit dem örtlichen Sozialhilfeträger (Stadt N) hat die Klägerin eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Übernahme von Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 SGB XI abgeschlossen. Gegenstand dieser Vereinbarung sind auch Investitionsaufwendungen für Kunden der Klägerin mit Pflegegrad 2 bis 5, welche Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII erhalten. Für diese erhält die Klägerin nach dem Vertrag einen Investitionskostenanteil in Höhe von 4,28 % der den Leistungsberechtigten in Rechnung gestellten Leistungen nach dem SGB XI.
Vorliegend macht die Klägerin aus abgetretenem Recht in Rechnung gestellte Entlastungsleistungen geltend, welche sie bei ihrer Kundin Frau S im Zeitraum März bis Oktober 2017 erbracht hat. Zwischen den Beteiligten ist sowohl die Rechtmäßigkeit der Abtretung, als auch die Leistungserbringung gegenüber den Kunden der Klägerin dem Grunde nach unstreitig; diese ergeben sich zudem aus der Leistungsdokumentation.
Die Klägerin bietet ihren Kunden die Versorgung mit einer Bezugspflegekraft an. Diese besondere Leistung rechnet sie zusätzlich mit 3,93 € je angefangener Minute inklusive eines Investitionskostenanteils von 4,28% ab. Zudem stellt sie als Anfahrtspauschale/ Einsatzgebühr 5,22 € entsprechend dem im Bereich des SGB V mit der Beklagten vereinbarten Betrag in Rechnung, welcher auch einen Investitionskostenanteil enthält.
Die Beklagte kürzte die Rechnungen für die Kundin der Klägerin S vom 12.04.2017, (B. v. 24.04.2017) vom 12.05.2017 (B. v. 18.05.2017), 07.06.2017 (B v. 21.06.2017) 17.07.2017 (B. v. 27.07.2017), 07.09.2017 (B. v. 13.09.2017) 19.09.2017 (B. v. 05.10.2017), 10.10.2017 (B. v. 18.10.2017), 20.11.2017 (B. v. 06.12.2017) jeweils um den Investitionskostenanteil, auch bei der geltend gemachten Anfahrtspauschale sowie um die abgerechneten Mehrkosten für die Bezugspflegekraft; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 19 der Sozialgerichtsakte Bezug genommen.Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Abrechnung von Entlastungsleistungen maximal in Höhe der nach § 89 SGB XI vertraglich vereinbarten Entgelte erfolgen könne. Die Rechnungskürzung erfolgte direkt gegenüber der Klägerin mit jeweils einfachem Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung, welche die Rechnungen gemeinsam mit einer Abtretungserklärung bei der Beklagten zur Kostenerstattung eingereicht hatte.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben zum Sozialgericht Nürnberg und ausgeführt, dass es sich bei § 45b SGB XI um einen Kostenerstattungsanspruch handele. Ein vorheriger Antrag des Versicherten sei nicht erforderlich. Nach § 45b Abs. 4 Satz 1 SGB XI dürften keine höheren Entgelte verlangt werden, als für vergleichbare Sachleistungen. Vorliegend hätten die Entgeltsätze, welche die Klägerin ihren Kunden in Rechnung gestellt habe, den vergleichbaren Sachleistungen entsprechend der zwischen den Beteiligten nach § 89 SGB XI geschlossenen Vergütungsvereinbarung entsprochen. Hinzu trete aber noch die mit der Stadt N getroffene Vereinbarung über einen Investitionskostenanteil von 4,28%. Dieser sei Gegenstand der Leistun...