Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsausschlagung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Unwirksamkeit einer Ausschlagungserklärung wegen Verstoßes gegen die Regeln des Beurkundungsgesetzes.

 

Normenkette

BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 2; BGB § 1945 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hof (Beschluss vom 19.01.1999; Aktenzeichen 2 T 114/98)

AG Wunsiedel (Aktenzeichen VI 696/97)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Hof vom 19. Januar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Hof zurückverwiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 1.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der im August 1997 im Alter von 46 Jahren verstorbene Erblasser war mit der Beteiligten zu 2, einer tunesischen Staatsangehörigen, in zweiter kinderloser Ehe verheiratet. Aus seiner ersten geschiedenen Ehe ist der am 25.4.1982 geborene Beteiligte zu 1 hervorgegangen. Zum Nachlaß gehört ein bebautes Grundstück, in dem sich die ehemals vom Erblasser betriebene Krankengymnastik-Praxis befindet.

Der Erblasser hat am 26.8.1997 ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament errichtet, in dem er unter anderem bestimmte, im Fall einer Vermietung der Praxis sollten der Beteiligte zu 1 4/10 und die Beteiligte zu 2 6/10 aus dem Nettoerlös, letztere zudem ein lebenslanges Wohnrecht für die untere Etage erhalten; verbleibende Gelder aus den Lebensversicherungen seien jeweils zu 50 % an die Beteiligten zu 1 und 2 auszubezahlen.

Der Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein als Miterbe zu 1/2 beantragt sowie hilfsweise, für den Fall, daß die Beteiligte zu 2 – wie angekündigt – die Erbschaft ausschlage, einen Alleinerbschein. Die Beteiligte zu 2 erschien am 14.10.1997 mit einem „Übersetzungshelfer” beim Nachlaßgericht und erklärte zur Niederschrift des Rechtspflegers, sie schlage die Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus. Die Niederschrift über diese Erklärung lautet wie folgt:

„Ich bin der deutschen Sprache ausreichend mächtig. Aufgrund eigenhändigen Testaments meines verstorbenen Ehemannes bin ich als Erbin zur Hälfte berufen. Nach Belehrung über die Unwiderruflichkeit meiner Erklärung schlage ich die Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus, so daß … (Beteiligter zu 1) Alleinerbe wird. Meiner Meinung nach ist die Erbschaft überschuldet. Da ich mittellos bin, bitte ich von der Erhebung von Gebühren abzusehen.

Über mein Pflichtteilsrecht bin ich belehrt.

Als Übersetzungshelfer war mit anwesend P.,

vorgelesen, genehmigt und unterschrieben.”

Es folgen die Unterschriften der Beteiligten zu 1, von P. sowie des Rechtspflegers.

Das Nachlaßgericht hat am 15.10.1997 dem Beteiligten zu 1 einen Alleinerbschein erteilt.

Mit Schriftsatz vom 15., beim Nachlaßgericht eingegangen am 16.6.1998, hat die Beteiligte zu 2 ihre Ausschlagungserklärung wegen Irrtums und Täuschung angefochten. Hierzu hat sie eine in deutscher Sprache abgefaßte und von ihr in deutscher sowie arabischer Schrift unterzeichnete – notariell beglaubigte – Anfechtungserklärung samt Übersetzung in die arabische Sprache vorgelegt. Darin ist zur Begründung ausgeführt, die Beteiligte zu 2 habe die Erklärung vom 14.10.1997 weder sprachlich noch inhaltlich verstanden, da sie damals erst etwa ein Jahr in Deutschland und der deutschen Sprache nicht kundig gewesen sei. Der bei der Niederschrift vor dem Nachlaßgericht mit anwesende P. sei kein Dolmetscher, insbesondere auch der arabischen Sprache nicht mächtig, und habe ihr deshalb nichts übersetzen können. Seine Funktion habe lediglich darin bestanden, sie an den ihr unbekannten Ort des Gerichts zu bringen. Sie habe keinen Überblick über Bestand und Schulden des Nachlasses gehabt. Von dritter Seite sei ihr erklärt worden, der Erblasser sei hochverschuldet; deshalb sei es für sie geboten, Deutschland so schell wie möglich zu verlassen, weil sie sonst von Gläubigern in Anspruch genommen werde. Erstmals am 7.5.1998 habe ihr ein Rechtsanwalt die Bedeutung und Tragweite ihrer Ausschlagungserklärung erläutert.

Der Beteiligte zu 1 hält die Anfechtungserklärung sowohl wegen Fristversäumung als auch inhaltlich für unwirksam. Die Kenntnis der Beteiligten zu 2 über die angeblichen Anfechtunsgründe habe bereits zu einem wesentlich vor dem 7.5.1998 liegenden Zeitpunkt bestanden. Er bestreitet, daß die Beteiligte zu 2 der deutschen Sprache nicht kundig und nicht in der Lage gewesen sei, den Inhalt der vor dem Amtsgericht abgegebenen Erklärung zu verstehen. Unter Angabe von Zeugen behauptet er, die Beteiligte zu 2 besitze angemessene Deutschkenntnisse. Auch der Bestand des Nachlasses und der Schulden seien ihr bekannt gewesen. Es liege weder eine Täuschung noch ein zur Anfechtung berechtigender Eigenschaftsirrtum vor. Eine angeblich von dritter Seite erfolgte Täuschung müsse sich die Beteiligte zu 2 zurechnen lassen. Diese ist dem entgegengetreten und hat ihrerseits Zeugen für ihre Behauptungen benannt.

Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 5.8.1998 den Erbschei...

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