Leitsatz (amtlich)
1. Aufhebung eines noch nicht vollzogenen Beschlusses, durch den ein Erbschein bewilligt wird, dessen Inhalt keinem der gestellten Erbscheinsanträge entspricht.
2. Zum Umfang der Ermittlungen der Tatsacheninstanz, wenn eine Erbschaftsausschlagung wegen eines möglicherweise beachtlichen Inhaltsirrtums angefochten wird.
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 01.07.2003; Aktenzeichen 3 T 593/03) |
AG Würzburg (Beschluss vom 22.02.2003; Aktenzeichen 3-VI 1547/02) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) werden die Beschlüsse des LG Würzburg vom 1.7.2003 und des AG Würzburg vom 22.2.2003 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das AG Würzburg zurückverwiesen.
Gründe
I. Die im Alter von 72 Jahren verstorbene Erblasserin war geschieden. Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind ihre Kinder; der Beteiligte zu 4) ist einer ihrer Enkel.
Mit Schreiben vom 1.12.2002 teilte der Beteiligte zu 1) dem Nachlassgericht mit, dass er das Erbe ausschlage. Die gleiche Erklärung gab er am 9.12.2002 nach Belehrung über die Wirkung und Unwiderruflichkeit der Erbschaftsausschlagung persönlich zu Protokoll des Rechtspflegers des Nachlassgerichts ab. Der Beteiligte zu 1) hat zwei volljährige Söhne, den Beteiligten zu 4) und M.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 9.12.2002 focht der Beteiligte zu 1) die Ausschlagung der Erbschaft wegen Irrtums an. Er habe irrig angenommen, seine Ausschlagungserklärung führe zum unmittelbaren Übergang seines Erbrechts auf seine Geschwister. Die Erklärung des Nachlassgerichts, seine Söhne würden an seine Stelle treten, habe er dahin verstanden, dass der Verzicht auch für seine Söhne gelten würde, diese also nichts erben würden. In einer weiteren Anfechtungserklärung vom 2.1.2003 mit notariell beglaubigter Unterschrift wies der Beteiligte zu 1) zusätzlich auf eine vom Versorgungsamt festgestellte intellektuelle Minderbegabung hin. Aus dem Bescheid des Versorgungsamts vom 6.4.1999 ergibt sich langjähriger Alkoholmissbrauch.
In der Verhandlung vor dem Nachlassrechtspfleger am 30.12.2002 versicherten die erschienenen Beteiligten zu 1) bis 4), dass eine Verfügung von Todes wegen nicht vorhanden sei. Die Beteiligten zu 2) bis 4) beantragten einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, unter Berücksichtigung der Ausschlagung der Erbschaft durch den Beteiligten zu 1) dahingehend, dass die Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/3 und die zwei Söhne des Beteiligten zu 1) zu je 1/6 Erben geworden seien. Mit Anwaltsschriftsatz vom 8.1.2003 beantragte der Beteiligte zu 1) einen Erbschein, der ihn als Miterbe zu 1/3 ausweisen soll. Gleichzeitig trug er vor, er sei zu dem Zeitpunkt, als er die Erbschaft ausschlug, geschäftsunfähig gewesen.
Am 17.2.2003 schlug der kinderlose Sohn M. des Beteiligten zu 1) die Erbschaft aus.
Mit Beschluss vom 22.2.2003 bewilligte das AG die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 2), 3) und 4) zu je 1/3 als Erben ausweist. Hiergegen legte der Beteiligte zu 1) Beschwerde ein. Während des Beschwerdeverfahrens lieferte der Beteiligte zu 1) beim Nachlassgericht ein Schriftstück ab, von dem er behauptete, es sei eine eigenhändig geschriebene letztwillige Verfügung der Erblasserin, durch die ihm ein Vermächtnis eingeräumt werde. Das Schriftstück hat folgenden Wortlaut:
„Nach meinem Tod gehörte das Haus … (Beteiligter zu 1).
(Unterschrift)
Ich habe das Wohnrecht für immer.
30.7.2001
(Unterschrift)”
Der Rechtspfleger stellte Auffälligkeiten im Schriftbild fest. Der Beteiligte zu 3) hält das Schriftstück für eine Manipulation.
Mit Beschluss vom 1.7.2003 wies das LG, das von dem vorgenannten Schriftstück keine Kenntnis erlangt hatte, die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurück. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner weiteren Beschwerde.
II. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beschwerde sei mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins zulässig, aber nicht begründet. Der Erbschein sei richtig. Der Beteiligte zu 1) habe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Es sei nicht nachgewiesen, dass er bei Abgabe der Ausschlagungserklärung vor dem Rechtspfleger geschäftsunfähig gewesen sei. Die Anfechtung wegen Irrtums greife nicht durch. Der Irrtum darüber, wem der ausgeschlagene Erbteil zufalle, stelle einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. Die Behauptung des Beteiligten zu 1, er habe bei der Ausschlagung die Vorstellung einer Erbteilsübertragung auf seine Geschwister gehabt, sei nicht erwiesen.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Der – entgegen der Meinung des LG noch nicht vollzogene – Bewilligungsbeschluss vom 22.2.2003 kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil der dort bewilligte Erbschein seinem Inhalt nach keinem der gestellten Erbscheinsanträge entspricht.
a) Das LG ist davon ausgegangen, dass der mit Beschluss des AG vom 22.2...