Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer letztwilligen Verfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Abgrenzung zwischen Tatsachen- und Rechtsirrtum und der Möglichkeit der Anfechtung nach § 2078 BGB, wenn der überlebende Ehepartner irrtümlicherweise von einer nicht bindenden Verfügung von Todes wegen ausgeht.

 

Normenkette

BGB §§ 2089, 2091, 2094, 2281

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 12.09.1988; Aktenzeichen 16 I 11 766/88)

AG München (Aktenzeichen 96 VI 8829/86)

 

Tenor

I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 12. September 1988 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die den Beteiligten zu 4 bis 9 im Verfahren der weiteren Beschwerden entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerden wird auf insgesamt 300.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die … 1902 geborene Erblasserin ist … 1986 verstorben. Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 sind ihre Kinder aus der … 1926 geschlossenen Ehe mit dem … 1881 geborenen und … 1931 verstorbenen Ehemann. Die Beteiligten zu 4, 5, 6, 7, 8 und 9 sind Kinder und deren Abkömmlinge aus dessen erster Ehe. Diese war … 1910 geschlossen und durch den Tod der Ehefrau … 1925 beendet worden. Ein weiterer Sohn aus dieser Ehe ist 1944 gefallen und hat keine Abkömmlinge hinterlassen. Die 1921 geborene Beteiligte zu 10 ist ein nichteheliches Kind der Erblasserin.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann am 23.7.1930 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sie Gütergemeinschaft vereinbart und hinsichtlich der Erbfolge folgendes vereinbart haben:

㤠3

In allen Eheauflösungsfällen durch Tod soll der überlebende Ehegatte berechtigt sein, das gesamte vorhandene Vermögen um dem Schätzungswert abzüglich 1 % zu Alleineigentum zu übernehmen und die Gemeinschaftsgenossen mit Gleichstellungsgeld zu befriedigen.

§ 4

Im Falle des Überlebens der Ehefrau sollen die erstehelichen Kinder des Mannes wie eigene Abkömmlinge der Ehefrau deren Erben sein und sollen auf die erstehelichen Kinder die Bestimmungen über die Ausgleichungspflicht gemäß §§ 2050 ff BGB Anwendung finden.”

Das Ehevermögen bestand im wesentlichen aus belastetem Grundbesitz mit einem Wert von etwa 5.000 Goldmark, der dem Ehemann gehört hatte. Nach dessen Tod machte die Erblasserin durch notariellen Vertrag vom 18.9.1931 von ihrem Übernahmerecht Gebrauch und verpflichtete sich zur Zahlung des entsprechenden Gleichstellungsgeldes an die Kinder. Der Grundbesitz wurde später von ihr aufgegeben und die Erblasserin verzog mit ihren drei ehelichen Kindern … nach München. Dort erwarb sie mit erheblichen Finanzierungsbelastungen und Eigenleistungen auch ihrer Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg ein Mietshaus mit drei Wohnungen, das zum Zeitpunkt des Erbfalles einen Verkehrswert von etwa 900.000 DM hatte. In etwa dieser Höhe ist auch der Wert ihres Reinnachlasses anzunehmen.

Die Erblasserin hinterließ mehrere handschriftliche letztwillige Verfügungen, zuletzt eine eigenhändig unterschriebene vom 20.6.1985, nach der die Beteiligten zu 1, 2 und 3 ihre Erben zu je einem Drittel sein sollten. Ein weiteres Testament vom 11.7.1985 ist nicht unterschrieben.

Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 haben am 30.10.1986 beantragt, ihnen einen Erbschein zu erteilen, nach dem sie Erben auf Grund des Testaments vom 11.7.1985 geworden seien. Die Beteiligten zu 4 bis 9 beantragten am 8.7.1987 einen gemeinschaftlichen Erbschein mit dem Inhalt, daß die Beteiligten zu 1, 2 und 3 Erben zu 1/6, die Beteiligten zu 4, 5 und 6 zu je 1/24 und die Beteiligten zu 7, 8 und 9 zu je 1/8 geworden seien. Sie beriefen sich darauf, daß die Erblasserin wegen des Erbvertrages nur über die Hälfte ihres Nachlasses habe verfügen können und daß sie die Beteiligte zu 10 im Testament vom 20.6.1985 von der Erbfolge ausgeschlossen habe. Mit Erklärungen vom 22.8, und 30.10.1987 haben die Beteiligten zu 1, 2 und 3 den Ehe- und Erbvertrag vom 23.7.1930 wegen Irrtums angefochten, weil die Ehegatten bei Vertragsschluß davon ausgegangen seien, daß beim Tod der Erblasserin lediglich Vermögen vorhanden sein werde, das vom Ehemann stamme; dieses sei jedoch aufgebraucht und der nunmehrige Nachlaß sei nur durch die Erblasserin und die Beteiligten zu 1, 2 und 3 geschaffen worden. Von dem Erbvertrag hätten diese erst im Laufe des Nachlaßverfahrens Kenntnis erlangt. Auch der Erblasserin sei unbekannt gewesen, daß der Erbvertrag noch gültig sei.

Mit Beschluß vom 15.4.1988 hat das Amtsgericht die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1, 2 und 3 zurückgewiesen und angekündigt, den Beteiligten zu 4 bis 9 einen Erbschein entsprechend ihrem Antrag zu erteilen. Die dagegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 12.9.1988 zurückgewiesen, die Erstattung der dem Beteiligten zu 7 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten angeordnet und mit Beschluß vom 29.9.1988 den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 300.000 DM festgesetz...

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