Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsentscheid in Mietsachen: Raumluftbelastung einer Mietwohnung mit dem Schadstoff PCP. Forderung und Feststellung
Leitsatz (amtlich)
Wird bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Schadstoffbelastung als solche einen Mangel der Mietwohnung darstellt, auf wissenschaftlich-technische Standards zum Schutz vor Gesundheitsschäden abgestellt, so sind grundsätzlich diejenigen Standards maßgeblich, die in dem Zeitpunkt gegolten haben oder gelten, der für die jeweilige Rechtsfolge maßgeblich ist.
Normenkette
BGB §§ 536-537, 538 Abs. 1; ZPO § 541
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines Einfamilienhauses, dessen Holzinnendecken bei Errichtung mit einem Pentachlorphenol (PCP) enthaltendem Holzschutzmittel gestrichen wurden. Nachdem der Kläger mit seiner Familie das Haus vier Jahre bewohnt hatte, vermietete er es an die Beklagte zu 1, die es zusammen mit ihrem Ehemann (Beklagter zu 2) von 1979 bis Juni 1992 bewohnte. Seit ihrem Auszug zahlte die Beklagte zu 1 keine Miete mehr mit der Begründung, das Haus sei erheblich mit Schadstoffen wie PCP belastet. Mit Schreiben vom 24.2.1993 kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und erhob am 17.6.1993 gegen die Beklagten Klage auf Räumung sowie gegen die Beklagte zu 1 auf Zahlung rückständigen Mietzinses seit Juni 1992 in Höhe von DM 11.700,--. Die Beklagten, die die Wohnung am 30.8.1993 endgültig geräumt haben, beantragten hinsichtlich der Mietzinsforderung Klageabweisung und erhoben Widerklage auf Mietzinsminderung (35 % ab 15.10.1979, 100 % ab Juni 1992) in Höhe von insgesamt DM 44.835,--. Die Beklagten begehrten weiterhin die Feststellung, daß der Kläger ihnen zum Ersatz materiellen Schadens für erlittene Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge schadstoffbelasteter Raumluft verpflichtet sei.
Das Amtsgericht gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Während der Zeit, für die der Kläger Mietnachzahlung verlange, sei die Mietsache nicht mangelhaft gewesen. In dem von den Beklagten angestrengten selbständigen Beweisverfahren habe der Gutachter für ein Zimmer eine maximale Raumluftkonzentration von PCP in Höhe von 1,14 Mikrogramm/m(3), für die übrigen Räume von jeweils unter 1 Mikrogramm/m(3) ermittelt. Andere Schadstoffe seien in der Raumluft nicht nachweisbar gewesen. Die ermittelten Konzentrationen seien anhand der Empfehlungen des Bundesgesundheitsamts zu bewerten, die seit 1989 einen Grenzwert von 1 Mikrogramm/m(3) enthielten. Da dieser Wert nur in einem Zimmer geringfügig überschritten werde, sei die Gebrauchstauglichkeit des Hauses im fraglichen Zeitraum nicht gemindert gewesen.
Der mit der Widerklage geltend gemachte Bereicherungsanspruch scheitere daran, daß die Mietsache auch zur Zeit des Vertragsschlusses mangelfrei gewesen sei. Die vom Sachverständigen für das Jahr 1979 errechnete PCP-Raumluftkonzentration habe 4,5 Mikrogramm/m(3) betragen und damit den damals und noch bis 1989 geltenden Richtwert des Bundesgesundheitsamts von 60 Mikrogramm/m(3) erheblich unterschritten. Daß die Schadstoffkonzentration ab 1989 über dem abgesenkten Wert gelegen habe, hätten die Beklagten nicht behauptet. Da die Mietwohnung während der gesamten Zeit mangelfrei gewesen sei, könne auch der Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.
Die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Beweisantritt eine Schadstoffkonzentration für die Zeit ab 1989 über dem abgesenkten Wert des Bundesgesundheitsamtes behauptet hatten, wies das Landgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzielle Urteil zurück. Ergänzend führte es aus: Für die Mangelhaftigkeit eines Mietobjektes sei maßgeblich auf die Verhältnisse und Anschauungen zur Zeit des Vertragsschlusses abzustellen. Diese würden im vorliegenden Zusammenhang durch die Richtwerte des Bundesgesundheitsamts konkretisiert, die als anerkannte Regeln der Technik und Wissenschaft zu betrachten seien. Angesichts des bei Vertragsschluß bestehenden Richtwertes scheide deshalb ein Mangel aus. Das Mietobjekt habe sich seither nicht verschlechtert und werde auch nicht durch die Absenkung des Richtwertes mangelhaft, selbst wenn dieser während des weiteren Mietzeitraums überschritten gewesen sein sollte. Vertragsgegenstand sei während der gesamten Mietzeit der Zustand des Mietobjekts nach den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorherrschenden Erkenntnissen.
Dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 4.8.1998 auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten aufgehoben, weil es Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes verletze. Das Landgericht sei seiner Vorlagepflicht gemäß § 541 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO nicht nachgekommen. Diese habe sich auf die Frage bezogen,
ob bei einer Verschärfung der zum Schutz vor Gesundheitsschäden einschlägigen wissenschaftlich-technischen Standards der Mangel einer gesundheitsgefährdenden Schadstoffbelastung der Mietsache erstens für die Zeit bis zur Änder...