Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Duldungspflicht einer Bepflanzung
Verfahrensgang
LG Kempten (Entscheidung vom 07.04.1986; Aktenzeichen 4 T 37/86) |
AG Lindau (Bodensee) (Entscheidung vom 16.12.1985; Aktenzeichen UR II 390/84) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin werden der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 7. April 1986 mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung und der Beschluß des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) vom 16. Dezember 1985 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Antragsgegnerin zur Beseitigung einer Birke verpflichtet wurde.
II. Der Antrag des Antragstellers wird auch hinsichtlich der rund 10 m hohen Birke abgewiesen.
III. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten sämtlicher Rechtszüge zu tragen.
Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird für sämtliche Rechtszüge abgesehen.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1 500 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage mit Garten. im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung lautet:
Dem jeweiligen Eigentümer der Eigentumswohnung Nr. 6 und Nr. 2 steht das Sondernutzungsrecht an den Gartenteilen zu, die von der Hauswand bis zur Grundstücksgrenze reichen, jeweils senkrecht zur Hauswand gemessen. Sie haben diese Gartenteile auch allein und auf ihre Kosten zu unterhalten.
Die Antragsgegnerin pflanzte vor Jahren in dem ihr zugewiesenen Teil des Gartens zwei Birken.
Der Antragsteller hat im ersten Rechtszug die Beseitigung der Birken verlangt, weil sie auf seine Terrasse und Fenster nachmittags Schatten würfen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 16.12.1985 den Antrag hinsichtlich der Birke, die rund 10 m hoch ist und zur Grenze des Gartenteils des Antragstellers rund 3 m entfernt steht, stattgegeben; hinsichtlich der zweiten Birke hat es den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Beschluß vom 7.4.1986 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Antragsgegnerin sei gemäß § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Meise Gebrauch zu machen, daß dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse. Ein solcher Nachteil sei im vorliegenden Fall deswegen gegeben, weil die schnell wachsende Birke mit einer Höhe von bereits 10 m sowohl den Gartenanteil des Antragstellers als auch seine Terrasse durch Schattenwurf erheblich beeinträchtige. Dies habe das Amtsgericht auf Grund eines Sachverständigengutachtens sowie der vorgelegten Lichtbilder und einer Skizze zutreffend festgestellt. Die Einnahme eines Augenscheins sei nicht erforderlich.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.
Im vorliegenden Fall ist durch § 5 Buchst. e der Gemeinschaftsordnung, die die Wirkung einer Vereinbarung hat (§ 8 Abs. 2, § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2 WEG), der Gebrauch des gemeinschaftlichen Gartens geregelt (§ 15 Abs. 1 WEG).
Die Frage, ob der Antragsteller die Beseitigung der 10 m hohen Birke, um die allein es im Rechtsbeschwerdeverfahren geht, gemäß § 15 Abs. 3 WEG verlangen kann, ist deshalb danach zu beantworten, zu welchem Gebrauch des ihr zugewiesenen Gartenteils die Antragsgegnerin durch die Gemeinschaftsordnung berechtigt ist. Dies ist nach dem Inhalt der in Rede stehenden Bestimmung der Gemeinschaftsordnung zu beurteilen. Deshalb bedarf es der Auslegung des in der Gemeinschaftsordnung verwendeten Begriffs „Sondernutzungsrecht an den Gartenteilen”.
b) Die Gemeinschaftsordnung unterliegt wie alle Grundbucheintragungen der selbständigen Auslegung durch das Rechtsbeschwerdegericht (BGHZ 37, 147/148 f.; 59, 205/208 f.; BayObLGZ 1977, 226/230; 1982, 69/73; BayObLG ZMR 1986, 247; KG OLGZ 1982, 131/134; Bärmann/Pick/Merle WEG 5. Aufl. § 10 RdNr. 53; Augustin WEG § 10 RdNr. 36). Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (BGHZ 88, 302/306; 92, 18/21; BayObLG aaO; Augustin aaO).
c) Der Senat gelangt unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zu folgendem Ergebnis:
Die Einräumung eines Sondernutzungsrechts bedeutet zunächst allgemein, daß dem Berechtigten die betroffene Fläche unter Ausschluß der übrigen Wohnungseigentümer zur alleinigen Nutzung zustehen soll. Dabei soll der begünstigte Sondernutzungsberechtigte in seinem Nutzungsrecht weitgehend einem Sondereigentümer gleichgestellt werden, mit der Einschränkung, daß die v...