Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält eine letztwillige Verfügung eine Zuwendung an den Erbvertragspartner oder an einen diesem nahestehenden, insbesondere mit ihm verwandten Dritten, so ist sie in aller Regel bindend und daher vertragsmäßig gewollt (vgl. BGH NJW 1961, 120). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erblasser oder der andere Vertragsteil ein Interesse an der Bindung gehabt haben kann.

2. Es ist durchaus denkbar, daß letztwillig verfügende Ehegatten auch dann, wenn sie einander für die Zeit nach dem Tod des einen von ihnen freie Hand lassen wollen, für die Zeit vorher darauf Wert gelegt haben, von einer Änderung der Verfügung durch den anderen unterrichtet zu werden, so wie das Gesetz es vorsieht.

 

Normenkette

BGB §§ 2278, 2289, 2293

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 01.02.1988; Aktenzeichen 4 T 1036/87)

AG Memmingen (Aktenzeichen VI 960/84)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 8 gegen den Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 1. Februar 1988 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 1. Februar 1988 wird dahin ergänzt, daß die Beteiligten zu 2 und 8 die dem Beteiligten zu 4 im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten haben.

III. Der Beteiligte zu 8 hat die dem Beteiligten zu 4 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

… 1984 verstarb der zuletzt in … wohnhafte … Erblasser im Alter von fast 84 Jahren. Seine erste, im Jahr 1935 geschiedene Ehe ist kinderlos geblieben. Aus seiner zweiten, ebenfalls geschiedenen Ehe sind die Beteiligten zu 2 bis 7 sowie zwei weitere im Kindesalter verstorbene Geschwister hervorgegangen. … 1970 wurde auch die dritte Ehe des Erblassers mit A. … geschieden, aus deren erster Ehe der Beteiligte zu 8 stammt. Nachdem die Ehegatten am 26.10.1971 ein zweites Mal geheiratet hatten, verstarb die Ehefrau am 25.11.1971. Kinder sind aus dieser Ehe nicht hervorgegangen. Auch die … 1973 geschlossene Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 1 ist kinderlos geblieben.

Am 5.11.1971 schloß der Erblasser mit seiner dritten (und zugleich vierten) Ehefrau einen notariell beurkundeten Erbvertrag, in dem die Ehefrau den Erblasser zu ihrem Alleinerben und die Beteiligten zu 2 und 8 als Ersatzerben einsetzte (§ 2). Der Erblasser setzte seine Ehefrau als nicht befreite Vorerbin und die Beteiligten zu 2 und 8 als Nacherben sowie als Ersatzerben ein (§ 3). § 6 des Vertrages lautet wie folgt:

Über die durch diesen Erbvertrag eintretenden Bindungen wurden wir belehrt. Frau A. … behält sich kein Rücktrittsrecht von diesem Erbvertrage vor. Herr … (= Erblasser) ist befugt, nach dem Tode seiner Ehefrau beliebige andere Verfügungen von Todes wegen zu errichten, ohne daß seine Erbeinsetzung gemäß § 2 dieses Vertrages hierdurch berührt wird.

Die Beteiligten zu 3, 4, 6 und 7 hatten bereits am 30.11.1966 in notarieller Form auf ihr „gesetzliches Pflichtteilsrecht” am Nachlaß ihres Vaters verzichtet.

Am 18.2.1981 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, dessen Nr. II wie folgt lautet:

Ich setze hiermit meine Ehefrau … (= Bet. zu 1)

zu meiner alleinigen Erbin ein.

Ein Ersatzerbe wird vorerst nicht bestimmt.

Nachdem das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Memmingen am 22.5.1984 für den Erblasser Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet und diese Maßnahme am 28.5.1984 wieder aufgehoben hatte, verfaßte dieser am 12.6.1984 ein eigenhändiges Testament mit folgendem Wortlaut:

Hiermit setze ich meine Ehefrau, … (= Bet. zu 1) … auf den Pflichtteil. Sie soll nicht Erbin sein.

Die Beteiligten zu 2 und 8 beantragten beim Amtsgericht Memmingen am 29.11. und 31.12.1984 einen Erbschein, demzufolge der Erblasser von ihnen je zur Hälfte beerbt worden sei. Die Beteiligten zu 4, 5 und 7 vertraten die Meinung, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei und beantragten deshalb ebenfalls einen Erbschein.

Das Nachlaßgericht hörte die Beteiligten an und vernahm den früheren Rechtsanwalt des Erblassers als Zeugen. Mit Beschluß vom 11.6.1987 kündigte es einen Erbschein an, der die Beteiligten zu 2 bis 7 als Miterben zu je 1/6 ausweist.

Hiergegen legten die Beteiligten zu 2 und 8 Beschwerde ein. Der Beteiligte zu 4 beantragte, die Rechtsmittel zurückzuweisen; die übrigen Beteiligten äußerten sich nicht. Mit Beschluß vom 1.2.1988 wies das Landgericht „die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 8)” zurück.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 8, mit der er seinen Erbscheinsantrag weiterverfolgt. Der Beteiligte zu 4 beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen. Der Beteiligte zu 2 hält das Rechtsmittel für begründet. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat, wie sich aus den Gründen des Beschlusses vom 1.2.1988 ergibt, die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 8 zurückgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung folgendes ausgeführt:

Der Erblasser habe ...

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