Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines Testaments

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage, unter welchen Umständen die Rücknahme einer letztwilligen Verfügung aus amtlicher Verwahrung angefochten und der dadurch erfolgte Widerruf einer letztwilligen Verfügung benötigt werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 2078, 2256-2257

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 17.07.1989; Aktenzeichen 13 T 4370/89)

AG Nürnberg (Aktenzeichen VI 1132/89)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Juli 1989 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat die den Beteiligten zu 5, 6 und 10 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird auf 900.000 DM festgesetzt. Der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Juli 1989 wird in Nr. II dahin abgeändert, daß der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens 900.000 DM beträgt.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser ist im Alter von 74 Jahren verstorben. Der Nachlaß umfaßt Grundbesitz, Wertpapiere und Guthaben. Der Erblasser war verwitwet und hatte keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter der vorverstorbenen Ehefrau. Sie führte seinen Haushalt. Die Beteiligten zu 2 bis 12 sind Geschwister und Abkömmlinge vorverstorbener Geschwister des Erblassers. Am 28.12.1977 hatte der Erblasser vor dem Notar ein Testament errichtet, in dem er die Beteiligte zu 1 zu seiner „alleinigen und ausschließlichen Erbin” eingesetzt und sonst nichts bestimmt hat. Das Testament wurde zum Amtsgericht in Verwahrung gegeben. Der Erblasser hat es am 18.1.1980 zurückverlangt und erhalten. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat es mit dem gestempelten und unterzeichneten Vermerk versehen, daß es durch die erfolgte Rückgabe als widerrufen gelte. Auf die dritte und letzte Seite einer Ablichtung dieses Testaments hat der Erblasser mit der Hand geschrieben:

…, den 1. Januar 1981

Vorstehendes Testament hat weiterhin unverändert Gültigkeit und schließt das erworbene Reihenhaus … ein.

… (= Erblasser)

Die Beteiligte zu 1 hat einen Alleinerbschein beantragt. Das Nachlaßgericht hat am 14.4.1989 beschlossen, bei entsprechendem Antrag einen Erbschein zu erteilen, der von der gesetzlichen Erbfolge ausgeht, falls gegen diesen Vorbescheid binnen vier Wochen ab Zustellung keine Beschwerde eingelegt werde. Dagegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Das Nachlaßgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 17.7.1989 (unter Nr. II) zurückgewiesen und den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 60.000 DM festgesetzt.

Das Nachlaßgericht hat die gesetzlichen Erben ermittelt und am 2.4.1990 einen Erbschein bewilligt, demzufolge der Erblasser kraft Gesetzes von den Beteiligten zu 5, 6 und 9 bis 12 beerbt worden sei. Die Beteiligten zu 2, 3, 4 und 8 hatten die Erbschaft ausgeschlagen. Eine Erbfolge der Beteiligten zu 7, deren Vater von einem Bruder des Erblassers vor dem Zweiten Weltkrieg adoptiert worden war, hat das Nachlaßgericht verneint.

Die Beteiligte zu 1 hat am 26.4.1990 weitere Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und das Nachlaßgericht anzuweisen, der Beteiligten zu 1 den beantragten Alleinerbschein zu erteilen. Die Beteiligten zu 5, 6 und 10 haben beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß die Beteiligte zu 1 mit der weiteren Beschwerde nicht die Einziehung des vom Nachlaßgericht am 2.4.1990 bewilligten Erbscheins erstrebt, sondern die Anweisung an das Nachlaßgericht, ihr den beantragten Alleinerbschein zu erteilen. Beschlüsse, durch die ein Erbschein bewilligt wird, und Vorbescheide, durch welche die Erteilung eines bestimmten Erbscheins angekündigt wird, können zwar nur noch mit dem Ziel angefochten werden, den Erbschein einzuziehen, wenn er inzwischen erteilt wurde (allg.M.; Keidel/Winkler FGG 12. Aufl. Rn. 2 und 3 m.w.Nachw.; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 5. Aufl. Anm. I 3 d, bb. jeweils zu § 84). Hier liegt der Fall aber anders. Der Erbschein ist auf Grund des Beschlusses vom 2.4.1990 erteilt worden. Dieser ist nicht angefochten, sondern der Beschluß vom 14.4.1989, den das Nachlaßgericht zwar als Vorbescheid bezeichnet hat, den aber das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zutreffend als Zurückweisung des von der Beteiligten zu 1 gestellten Erbscheinsantrags erkannt hat. Ein solcher Beschluß kann auch mit dem Antrag angefochten werden, dem zurückgewiesenen Erbscheinsantrag stattzugeben. Erweist sich in solchen Fällen das Rechtsmittel als begründet, wird allerdings die Anweisung, gemäß § 2353 BGB einen Erbschein zu erteilen, davon abhängig gemacht werden müssen, daß der erteilte, nunmehr als unrichtig erkannte Erbschein gemäß § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB vorher eingezogen oder gemäß § 2361 Abs. 2 Satz 1 BGB für kraftlos erklärt wird (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 49. Aufl. § 2361 Anm. 3 e...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?