Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 1 T 21703/93) |
AG München (Aktenzeichen UR II 599/93) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 22. März 1994 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts München vom 27. September 1993 an das Landgericht München I zurückgegeben.
III. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde sind nicht zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Mit Schriftsatz vom 22.7.1993 beantragte der Antragsteller, die Beschlüsse einer Eigentümerversammlung für ungültig zu erklären.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 27.9.1993 den Anfechtungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde laut Postzustellungsurkunde am 1.10.1993 an W. N., der der Antragsteller Zustellungsvollmacht erteilt hatte, ausgehändigt. Auf dem dieser übergebenen Briefumschlag ist das Zustelldatum nicht vermerkt.
Mit Schreiben vom 9.11.1993 – eingegangen bei Gericht am gleichen Tag – hat der Antragsteller gegen den Beschluß sofortige Beschwerde eingelegt. Vorsorglich hat er am 23.11.1993 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Er hat geltend gemacht, von dem Beschluß des Amtsgerichts habe er erst am 9.11.1993 Kenntnis erhalten. An diesem Tag sei ihm von W. N. der nicht geöffnete Brief des Amtsgerichts zugegangen. Er habe sie zuvor angewiesen, für ihn bestimmte, förmlich zugestellte Postsendungen ihm innerhalb einer Woche zuzuschicken. Als Orientierungsmaßstab habe das von dem Postboten auf dem Briefumschlag vermerkte Zustellungsdatum gelten sollen. Da der Briefumschlag kein Zustelldatum ausweise, habe W. N. die Sendung nicht als innerhalb der Wochenfrist zu übersenden angesehen.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 22.3.1994 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, „vorzugsweise”, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts das Verfahren zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Beschluß des Amtsgerichts sei wirksam zugestellt. Der fehlende Vermerk des Postbeamten auf dem Briefumschlag über den Tag der Zustellung sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Mangel könne durch Akteneinsicht behoben werden. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde sei versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Beschwerdeführer nicht bewilligt werden, da er nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen sei. Mit amtsgerichtlichen Zustellungen habe er rechnen müssen. W. N. habe die Bedeutung einer förmlichen Zustellung gekannt. Sie habe ihm die Sendung wenigstens nach einer Woche zuschicken müssen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts kann keinen Bestand haben.
a) Gegen den Beschluß des Landgerichts ist gemäß § 22 Abs. 2 Satz 3 FGG die sofortige weitere Beschwerde statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt.
b) Der Beschluß des Landgerichts ist aufzuheben. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluß ist nicht versäumt; sie ist gar nicht in Lauf gesetzt worden.
Gegen Entscheidungen des Amtsgerichts in Wohnungseigentumssachen findet das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntmachung der Entscheidung einzulegen ist (§§ 22 Abs. 1, 45 Abs. 1 FGG). Die Bekanntmachung erfolgt durch die förmliche Zustellung, für die die Vorschriften der ZPO gelten (§ 16 Abs. 1, Abs. 2 FGG).
Der Beschluß des Amtsgerichts ist nicht formrichtig zugestellt worden. Der Postbedienstete hat entsprechend §§ 208, 195 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Zustellungsurkunde (§ 190 Abs. 1 ZPO) aufgenommen, die den in § 191 ZPO vorgeschriebenen Inhalt hat. Einen Vermerk über den Tag der Zustellung, wie von § 212 Abs. 1 in Verb. mit § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgeschrieben (§ 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO), hat der Postbedienstete unterlassen.
Fehlt bei einer förmlichen Zustellung nach § 16 Abs. 1 FGG der Vermerk des Postbediensteten über den Tag der Zustellung auf dem Briefumschlag, wird die Zweiwochenfrist des § 22 Abs. 1 FGG nicht in Lauf gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Zustellung nicht deshalb unwirksam, weil der Zustellungsbedienstete es unterlassen hat, eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde zu übergeben oder den Tag der Zustellung auf der...