Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschiebend bedingte Nacherbschaft
Leitsatz (amtlich)
Auslegung der Zuwendung eines Hausanwesens "unter der Bedingung, dass die Begünstigte das Haus mit ihrer Familie als ständigen Wohnsitz bewohnt und bewirtschaftet", als bis zum Tod der Begünstigten aufschiebend bedingte Nacherbschaft.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 09.01.2004; Aktenzeichen 4 T 3330/03) |
AG Traunstein (Beschluss vom 16.06.2003; Aktenzeichen 7 VI 0312/03) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) werden der Beschluss des LG Traunstein vom 9.1.2004 in Ziff. I und II und der Beschluss des AG Traunstein vom 16.6.2003 aufgehoben.
II. Die Sache wird an das AG Traunstein - Nachlassgericht - zu neuer Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Gründe
I. Die im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Die Beteiligte zu 1) ist eine Schwester der Erblasserin, die Beteiligten zu 2) und 3) sind Kinder einer Nichte der Erblasserin.
Die Erblasserin bewohnte ein in ihrem Eigentum stehendes Anwesen im Wert von ca. 320.000 Euro. Mit drei Zimmern in diesem Anwesen führte sie einen Pensionsbetrieb.
Am 3.5.1999 errichtete die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Wortlaut:
"Testament
im Falle meines Todes soll mein Anwesen in das Eigentum von A. (Beteiligte zu 2) übergehen, unter der Bedingung, dass sie das Haus mit ihrer Familie als ständigen Wohnsitz bewohnt und bewirtschaftet und ein zum Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenes Haustier übernimmt und versorgt.
Sollte dies aus welchem Grund auch immer nicht möglich sein, muss das Anwesen verkauft werden.
Der Nettoerlös aus dem Verkauf ist dann zu je einem Drittel auszuzahlen an
1) B. meine Schwester (Beteiligte zu 1)
2) A. (Beteiligte zu 2)
3) C. (Beteiligter zu 3)
Zum Zeitpunkt des Erbfalles vorhandene Barmittel auf Girokonto und Sparbuch Nr. ... sollen für Frau D. verfügbar sein, um hiervon anfallende Kosten für Beerdigung, Grabpflege usw. zu bestreiten."
Der Aktivnachlass der Erblasserin umfasst neben dem im Testament genannten von der Erblasserin bewohnten Anwesen noch Vermögen im Gesamtwert von ca. 15.000 Euro.
Die Beteiligte zu 2) beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin der Erblasserin ausweisen sollte. Die Beteiligte zu 1) ist diesem Antrag mit dem Vorbringen entgegengetreten, die von der Erblasserin an die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) geknüpfte Bedingung sei nicht eingetreten; selbst im Falle eines Bedingungseintritts sei die Beteiligte zu 2) nicht Vollerbin, sondern lediglich Vorerbin.
Nach Anhörung der Beteiligten erließ das AG - Nachlassgericht - mit Beschluss vom 16.6.2003 einen Vorbescheid, in dem es die Erteilung eines Erbscheins ankündigte, der die Beteiligte zu 2) als Alleinerbin ausweist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG nach mündlicher Anhörung der Beteiligten und Vernehmung von Zeugen mit Beschluss vom 9.1.2004 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer weiteren Beschwerde.
II. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen des LG und des AG in dem angegriffenen Umfang sowie zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt, das Testament vom 3.5.1999 enthalte unter Berücksichtigung dessen, dass das Hausgrundstück den wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin ausmache, eine Einsetzung der Beteiligten zu 2) zur Alleinerbin. Diese Erbeinsetzung sei mit der auflösenden Bedingung verknüpft, dass die Beteiligte zu 2) nur dann Erbin werden solle, wenn sie das Haus "bewohnt und bewirtschaftet". Bei der Auslegung dieser Testamentsbedingung seien nicht nur der Inhalt der Testamentsurkunde selbst, sondern auch alle Nebenumstände außerhalb des Testaments heranzuziehen, die dazu geeignet seien, den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erkennen zu lassen. Ziel der Testamentsauslegung sei es nämlich, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen, den er bei Errichtung des Testaments hatte und im Testament zum Ausdruck bringen wollte. Dabei könnten Umstände vor und nach der Testamentserrichtung herangezogen werden, sofern sie Aufschluss über den realen Willen des Erblassers bei Testamentserrichtung gäben. Spätere Umstände seien dagegen insoweit irrelevant, als sie einen nach der Testamentserrichtung liegenden Sinneswandel des Erblassers dokumentierten, der aber keinen Niederschlag in einem neuen Testament gefunden habe.
Im vorliegenden Fall stehe zur Überzeugung des LG auf Grund der Zeugenaussagen fest, dass die Erblasserin bei Testamentserrichtung die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) lediglich mit der Bedingung habe verknüpfen wollen, dass die Beteiligte zu 2) mit ihrer Familie selbst in das Anwesen ziehe und dort dauerhaft und nicht nur an Wochenenden und in den Ferien wohne. Eine Fortführung des Anwesens als Frühstückspension sei dagegen nicht Bedingung für die Erbeinsetzung gewesen. Die...