Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsform
Leitsatz (amtlich)
Beglaubigt der Notar lediglich die Echtheit der vor ihm vollzogenen Unterschrift des Erblassers, so handelt es sich nicht um eine vom Notar aufgenommene Niederschrift über eine Verhandlung mit dem Erblasser.
Normenkette
BGB §§ 1938, 2231 Nrn. 1-2, § 2232
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 15.01.1999; Aktenzeichen 1 T 154/98) |
AG Deggendorf (Aktenzeichen VI 335/98) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 15. Januar 1999 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und neuen Entscheidung an das Landgericht Deggendorf zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der am 27.4.1998 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Beteiligte zu 2 ist seine Tochter aus erster Ehe.
Das Nachlaßgericht hat ein von der Beteiligten zu 1 eingereichtes handschriftliches Testament des Erblassers vom 16.4.1997 eröffnet, mit dem der Erblasser die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin bestimmt und die Beteiligte zu 2 „auf den Pflichtteil gesetzt” hat. Die Beteiligte zu 1 hat dem Nachlaßgericht außerdem eine maschinengeschriebene „Erklärung” des Erblassers vom 12.8.1997 vorgelegt, in der der Erblasser seiner Vermutung Ausdruck gibt, daß er nicht der leibliche Vater der Beteiligten zu 2 sei, und dann fortfährt:
„Ich meine, daß die Tochter aus meinem Nachlaß keine Ansprüche mehr herleiten kann. Zumindest muß dies schon aus moralischen Gründen akzeptiert werden … Ich behalte mir vor, die Ehelichkeit der Tochter anzufechten. Ungeachtet dessen bestimme ich im Hinblick auf ein mögliches gesetzliches Pflichtteilsrecht, daß sämtliche Zuwendungen in voller Höhe … an die Tochter auf etwaige Pflichtteilsansprüche anzurechnen sind, soweit solche überhaupt dann noch bestehen sollten …”
Die Unterschrift des Erblassers unter dieser Erklärung ist notariell beglaubigt.
Die Beteiligte zu 1 hat die Annahme der Erbschaft erklärt und einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Zum Nachlaß gehört ein 3/4 Anteil an einer Eigentumswohnung.
Die Beteiligte zu 2 ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Nach ihrer Ansicht ist das Testament vom 16.4.1997 unwirksam, da es vom Erblasser weder eigenhändig geschrieben noch eigenhändig unterschrieben sei. Der Erblasser habe seit längerem an Morbus Parkinson gelitten, so daß seine rechte Hand stark gezittert habe. Er sei daher nicht in der Lage gewesen, einen längeren Text wie das Testament vom 16.4.1997 zu schreiben. Jedenfalls aber sei die Unterschrift unter diesem Testament nicht von ihm geschrieben. Das ergebe sich zum einen aus dem Schriftbild im Vergleich mit dem Schriftbild z.B. unter der Erklärung vom 12.8.1997 und einer notariellen „Altersvorsorgevollmacht” vom 22.4.1997. Zum anderen ergebe es sich daraus, daß der Erblasser stets mit nachgestelltem Vornamen unterschrieben habe, während bei der Unterschrift unter dem Testament vom 16.4.1997 der Vorname vorangestellt ist.
Das Nachlaßgericht erließ einen Vorbescheid, mit dem es ankündigte, einen Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin zu erteilen. Unabhängig von der Frage der Echtheit des Testaments sei jedenfalls in der „notariellen Erklärung vom 12.8.1997” eine Enterbung der Beteiligten zu 2 enthalten, so daß die Beteiligte zu 1 auch bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin wäre.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 15.1.1999 zurückgewiesen. Es führte aus, die Wirksamkeit des handschriftlichen Testaments vom 16.4.1997 könne dahinstehen. Auch wenn „die notarielle Urkunde vom 12.8.1997” nicht mit „Testament”, sondern mit „Erklärung” überschrieben sei, bestehe kein Zweifel am Testierwillen des Erblassers. Dieser habe die Beteiligte zu 2 damit von der Erbfolge ausgeschlossen. Bereits die Tatsache, daß er „die notarielle Form” für seine Erklärung gewählt habe, zeige, daß er Anordnungen über sein Vermögen nach seinem Tod habe treffen wollen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig. Sie ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft und in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG eingelegt worden. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 2 ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen, da diese auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen, und zur Zurückverweisung an das Nachlaßgericht.
1. Das Gericht der weiteren Beschwerde hat die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung der Vorinstanz zu prüfen, ohne an die Beschwerderügen gebunden zu sein (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 15).
2. Die Beteiligte zu 2 war beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG), da sie ein gesetzliches Erbrecht beansprucht, das durch einen Erbschein gemäß dem Vorbescheid beeinträchtigt w...