Leitsatz (amtlich)
Bei der Verschmelzung von Genossenschaften ist der Antrag eines Mitglieds der übertragenden Genossenschaft auf Durchführung eines Spruchverfahrens nach dem Spruchverfahrensgesetz wegen § 85 Abs. 2 UmwG unzulässig, wenn sein Geschäftsguthaben in der übernehmenden Genossenschaft nicht niedriger ist als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 1 HK O 7642/21) |
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. November 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Eine Erstattung der dem Beschwerdeführer erwachsenen außergerichtlichen Kosten wird nicht angeordnet.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: Antragsteller) begehrt Kompensation eines behaupteten Wertverlusts von Genossenschaftsanteilen infolge der Verschmelzung von eingetragenen Genossenschaften.
1. Im Jahr 2021 verschmolzen die eingetragenen Genossenschaften ... eG in ... (im Folgenden auch: übertragende Genossenschaft) und die ... eG im Wege der Aufnahme auf die ... eG.
Der Antragsteller war neben ... weiteren Mitliedern einfaches Mitglied der übertragenden Genossenschaft und hielt an ihr zwei Geschäftsanteile zu je 125,00 EUR. Die Vertreterversammlung der übertragenden Genossenschaft stimmte am ... mit einer Dreiviertelmehrheit für die Verschmelzung auf die ... eG. An der Verschmelzung nahm als weitere übertragende Genossenschaft die ... teil. Die Eintragung der Verschmelzung erfolgte beim Amtsgericht ... am .... Parallel wurde die Löschung der ... veröffentlicht. Der Antragsteller gehörte der Vertreterversammlung nicht an. Nach Namensänderung firmiert die verbleibende Genossenschaft unter dem Namen der Beschwerdegegnerin (im Folgenden auch: Antragsgegnerin). Im Verschmelzungsvertrag wurden als wirtschaftlicher Sitz ... und als juristischer Sitz ... vereinbart. Die künftige Höhe des einzelnen Geschäftsanteils wurde auf 25,00 EUR festgesetzt (§ 4 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags). Der Verschmelzungsvertrag enthält unter § 3 Abs. 2 die Regelung: "Jedes Mitglied der ... eG und der ... eG ist mit mindestens einem und im Übrigen mit so vielen Geschäftsanteilen bei der ... eG beteiligt, wie durch Anrechnung ihrer Geschäftsguthaben bei der ... eG und der ... eG als voll eingezahlt anzusehen sind, zusätzlich einem weiteren Geschäftsanteil für ein etwa verbleibendes Geschäftsguthaben. Für die Feststellung des Geschäftsguthabens ist die Schlussbilanz der übertragenden Genossenschaft maßgebend." Im Zuge der Verschmelzung wurden die beiden vom Antragsteller voll einbezahlten Geschäftsguthaben von insgesamt 250,00 EUR umgetauscht in je zehn Geschäftsanteile der ... eG bzw. der Antragsgegnerin zu je 25,00 EUR (also insgesamt ebenfalls 250,00 EUR).
2. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2021 stellte der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth "Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Spruchgesetzverfahren" und beantragte, "dass der Antragsgegner an den Antragsteller zur Kompensation des durch die Fusion entstandenen Wertverlustes seiner beiden Genossenschaftsanteile einen Betrag in Höhe von 1.063,00 EUR zahlt".
Im Wesentlichen vertrat er die Auffassung, dass Mitglieder einer übertragenden Genossenschaft für den Wertverlust ihrer Anteile infolge der Verschmelzung eine Kompensation erhalten müssten. Der Umtausch seiner beiden Geschäftsanteile sei im Verhältnis 1:1 erfolgt, eine weitergehende Beteiligung am Vermögen der durch die Fusion aufgelösten ... eG habe nicht stattgefunden. Bei der Verschmelzung habe der "innere Wert" seiner beiden Geschäftsanteile 2.662,00 EUR betragen, nach der Verschmelzung nur noch 1.599,00 EUR. Der innere Wert der Anteile sei bei der Fusion zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Hilfsweise begehrte der Antragsteller den Betrag von 1.063,00 EUR als Schadensersatz.
Die Antragsgegnerin vertrat dagegen insbesondere die Ansicht, § 85 Abs. 1 UmwG schließe de lege lata eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses aus, wenn das Geschäftsguthaben bei den Genossenschaften vor und nach der Verschmelzung identisch sei, wie es beim Antragsteller der Fall sei. Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Anspruch auf bare Zuzahlung gemäß § 15 UmwG, der im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 des Gesetzes über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz - SpruchG) geltend gemacht werden könne, durch die Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG erheblich eingeschränkt sei und hier nicht bestehe. Selbst bei einer - nicht gegebenen - Anwendbarkeit der Regelungen der § 85 Abs. 1, § 15 UmwG bestehe allenfalls ein Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen den beiden Geschäftsguthaben. Eine analoge Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes komme vorliegend nicht in Betracht.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth bestellte am 31. Januar 2022 einen gemeinsamen Ver...