Leitsatz (amtlich)

Die Rücknahme eines notariellen Testaments aus der amtlichen Verwahrung ist auch Verfügung von Todes wegen. Ihre Wirksamkeit setzt Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Rücknahme voraus. Die Rücknahme unterliegt ferner der Anfechtung nach § 2078 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 2078, 2229, 2256

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 17.09.2004; Aktenzeichen 7 T 3541/04)

AG Fürth (Bayern) (Aktenzeichen VI 1127/03)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 17.9.2004 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die am 16.7.2003 verstorbene Erblasserin hinterließ zwei leibliche Abkömmlinge, die Beteiligte zu 1) und den Beteiligten zu 2. Mit notariellem Testament vom 21.10.1983 setzte die Erblasserin ihre Tochter, die Beteiligte zu 1), als Alleinerbin ein. Dieses Testament nahm die Erblasserin am 1.12.1992 aus der amtlichen Verwahrung zurück. Die Beteiligte zu 1) beantragte mit Schreiben vom 26.11.2003 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Als Begründung hierfür gab sie an, dass die Widerrufswirkung der Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung nicht eingetreten sei, weil die Erblasserin zum Zeitpunkt der Rücknahme nicht testierfähig gewesen sei und sie unter psychischem Druck des Beteiligten zu 2) gehandelt habe. Ergänzend focht die Beteiligte zu 1) den Widerruf des Testaments durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung wegen Irrtums und Drohung an. Der Beteiligte zu 2) beantragt die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge, wonach als Erben die beiden Beteiligten je zur Hälfte berufen sind.

Für die Erblasserin war mit Beschl. v. 5.2.1993 die Beteiligte zu 1) als Betreuerin für die Aufgabenkreise Vermögenssorge sowie für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Altersversorgung, Sozialhilfe, Unterhalt und Krankenversorgung bestellt worden. Die Betreuung bestand bis zu ihrem Ableben.

Mit Beschl. v. 21.1.2004 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins an, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1) und 2) je zur Hälfte beerbt worden ist. Die Beteiligte zu 1) hat den amtsgerichtlichen Beschluss angefochten. Das LG hat ohne Beweisaufnahme das Rechtsmittel mit Beschl. v. 17.9.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), mit dem sie ihren Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin weiterverfolgt.

II. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das LG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Erblasserin habe das notarielle Testament vom 21.10.1983 durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung wirksam widerrufen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt testierfähig gewesen. Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bilde, sei die Erblasserin bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig anzusehen. Dies gelte auch, wenn für den Erblasser ein Betreuer bestellt werde. Zwar habe das VormG für die Erblasserin eine Betreuerin bestellt; nach den im Betreuungsverfahren getroffenen Feststellungen sei sie aber in der Zeit der Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung nicht, auch nicht partiell, geschäftsunfähig gewesen. Ferner habe die Beteiligte zu 1) die Rücknahme des Testaments nicht wirksam angefochten. Für einen Inhalts- oder Erklärungsirrtum der Erblasserin habe die Beteiligte zu 1) keine Anhaltspunkte vorgetragen. Gleiches gelte für das Vorbringen der Beteiligten zu 1) zu dem Anfechtungsgrund der behaupteten Drohungen durch den Beteiligten zu 2) ggü. seiner Mutter, um sie zu einer Testamentsänderung zu veranlassen. Insoweit fehle es an zureichendem Sachverhalt für die Annahme, dass Drohungen zur Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung geführt haben.

2. Die Entscheidung des LG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Ein vor einem Notar errichtetes Testament gilt als widerrufen, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser übergeben wird (§ 2256 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Rücknahme eines notariellen Testaments aus amtlicher Verwahrung ist nach der Rechtsprechung des Senats und überwiegender Meinung auch eine Verfügung von Todes wegen (BGHZ 23, 207 [211]; BayObLGZ 1973, 35 [36]; Erman/Schmidt, BGB, 11. Aufl., § 2256 Rz. 1; Hagena in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 2256 Rz. 6; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2256 Rz. 3; a.A.: Soergel/J. Mayer, BGB, 13. Aufl., § 2256 Rz. 7). Diese Rechtshandlung setzt zur Begründung ihrer Wirksamkeit folglich Testierfähigkeit voraus (BayObLZ 1973, 35 [36]; Erman/Schmidt, BGB, 11. Aufl., § 2256 Rz. 1; Hagena in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 2256 Rz. 6; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2256 Rz. 3

Das LG war nicht gehalten, zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin bei der Rücknahme des notariellen Testaments aus der amtlichen Verwahrung ergänzend...

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