Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Örtlich zuständiges Familiengericht für isoliertes Sorgerechtsverfahren nach Wegzug des getrennt lebenden betreuenden Elternteils
Leitsatz (amtlich)
Bestimmung des zuständigen Gerichts für eine Entscheidung des Familiengerichts gemäß § 1671 BGB nach der Trennung der Eltern und dem Fortzug eines Elternteils in einen anderen Gerichtsbezirk.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 621 Abs. 1 Nr. 1, § 621a Abs. 1 S. 1; FGG § 64 Abs. 3 S. 2, § 43 Abs. 1, § 36 Abs. 1 S. 1; BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Wetzlar (Aktenzeichen 6 F 290/99) |
AG Viechtach (Aktenzeichen 001 F 0116) |
Tenor
Das Amtsgericht Viechtach – Familiengericht – ist zur Entscheidung über den Antrag der Beteiligten zu 1) zuständig.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 1) hat mit den Kindern A. und B. am 9.3.1999 die eheliche Wohnung in W. nach Auseinandersetzungen verlassen und Wohnung in Z. genommen. Sie ist dort zwischenzeitlich behördlich gemeldet.
Am 26.3.1999 stellte sie beim Amtsgericht Viechtach – Familiengericht – den Antrag,
ihr vorläufig für die Dauer des Getrenntlebens die elterliche Sorge über die beiden ehelichen und gemeinschaftlichen Kinder A., geb. 1993, und B., geb. 1996, zu übertragen, hilfsweise ihr für die Dauer des Getrenntlebens das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder zu übertragen.
Dieses Gericht erklärte sich mit Beschluß vom 12.4.1999 für örtlich unzuständig und gab das Verfahren an das Amtsgericht Wetzlar ab, weil eine Aufhebung des Wohnsitzes der Kinder in W. durch den Auszug der Mutter mit den minderjährigen Kindern nicht erfolgt sei.
Das Amtsgericht Wetzlar – Familiengericht – lehnte die Übernahme des Verfahrens ab. Die Eltern der Kinder lebten getrennt. Dadurch sei ein doppelter Wohnsitz der Kinder begründet worden, wovon einer im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Viechtach begründet worden sei. Als das zuerst angegangene Gericht sei dieses Gericht zuständig.
Das Amtsgericht Viechtach legte aufgrund der Verfügung vom 26.4.1999 das Verfahren zur Bestimmung des örtlich zuständigen Amtsgerichts vor.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen, da die beiden Familiengerichte in den Zuständigkeitsbereichen unterschiedlicher Oberlandesgerichte liegen und das Amtsgericht Viechtach zuerst mit der Sache befaßt war (§ 36 Abs. 2 ZPO).
2. Zuständig ist das Amtsgericht Viechtach gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 1671 BGB, § 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 64 Abs. 3 Satz 2 FGG, § 43 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Satz 1 FGG.
Da eine Ehesache noch nicht anhängig ist, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz der beiden Kinder. Diese haben nach dem Fortzug ihrer Mutter aus der ehelichen Wohnung einen Wohnsitz in Z. genommen. Damit haben die Kinder bis zu der nunmehr beantragten Entscheidung gemäß § 1671 BGB einen doppelten Wohnsitz (BGHZ 48, 234; NJW 1984, 971; NJW 1995, 1224).
Diese Rechtsprechung ist auch nicht durch die Neufassung des § 1687 BGB überholt. Vielmehr hat der Gesetzgeber in anderen Fällen farmilienrechtlicher Streitigkeiten durch die Neuregelung erweiternd konkurrierende Zuständigkeiten bei unterschiedlichen Gerichtsbezirken geschaffen (vgl. z.B. § 640 a ZPO n.F.).
Durch die wirksame Begründung eines Wohnsitzes im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Viechtach ist dieses Gericht als das zuerst befaßte Gericht örtlich zuständig zur Entscheidung über den Antrag gemäß § 1671 BGB (§ 36 Abs. 1 Satz 1 FGG).
Unterschriften
Brießmann, Kehrstephan, Hilger
Fundstellen
Haufe-Index 1076932 |
FamRZ 2000, 166 |
FuR 2000, 135 |