Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Prüfung der Auslegung von Beschlüssen durch Rechtsbeschwerdegericht sowie Auslegung nach objektivem Erklärungswert sowie Verfahrensbeteiligung aller Wohnungseigentümer bei Schadensersatzansprüchen eines Eigentümers gegen den Verwalter
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Entscheidung vom 27.05.1991; Aktenzeichen T 70/89) |
AG Viechtach (Entscheidung vom 13.04.1989; Aktenzeichen UR II 77/88) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 27. Mai 1991 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4 715,02 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragstellerin gehören mehrere Wohnungseigentumsrechte in einer Wohnanlage; die Antragsgegnerin ist die Verwalterin.
Die Niederschrift über die Eigentümerversammlung vom 26.6.1987 lautet zu Tagesordnungspunkt 3 wie folgt:
Die Versammlung beschließt einstimmig zur Mehrwertsteuer zu optieren. Die Verwaltung verweist jedoch darauf, daß es Schwierigkeiten machen würde für Miteigentümer, die nicht zur Mehrwertsteuer optiert haben, die summarisch ausgewiesene Vorsteuer aus den einzelnen Positionen herauszuziehen, um die effektiven Belastungen der Mieter zu ermitteln.
Die Verwaltung wird sich bemühen, eine entsprechende Programmänderung in deren EDV-Programm zu erwirken und stellt fest, daß sie dem Ersuchen auf Aufweisung der Mehrwertsteuer nur dann entsprechen könne, wenn dies nach dem der Verwaltung zustehenden Software-Programm möglich ist. Anderenfalls müsse sie die weitere Verwaltung zur Disposition stellen.
Die Verwalterin gab eine Optionserklärung für die Eigentümergemeinschaft erst für die Zeit ab dem Jahr 1987 ab.
Die Antragstellerin behauptete zunächst, ihr sei ein Schaden von 1 749,– DM dadurch entstanden, daß Vorsteuerbeträge in dieser Höhe mangels Option der Eigentümergemeinschaft für die Jahre 1984 und 1985 von ihrer Umsatzsteuerschuld nicht hätten abgezogen werden können. Sie hat beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung dieses Betrags zu verpflichten. Das Amtsgericht hat den Antrag am 13.4.1989 abgewiesen. Die Antragstellerin hat hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt und den geltend gemachten Schadensersatzbetrag sodann auf 4 715,02 DM erhöht. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 27.5.1991 dem geänderten Antrag unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben; die Gerichtskosten hat es der Antragsgegnerin auferlegt und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen. Gegen die Sachentscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin wendet sich mit der Anschlußrechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Aufhebung erfaßt auch die Kostenentscheidung des Landgerichts, so daß die Anschlußrechtsbeschwerde gegenstandslos wird.
Das Landgericht hat ebenso wie das Amtsgericht das Gesetz dadurch verletzt, daß es nicht alle Wohnungseigentümer am Verfahren beteiligt hat (§ 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO).
1. Nach § 43 Abs. 4 WEG sind grundsätzlich an allen Verfahren in Wohnungseigentumssachen (§ 43 Abs. 1 Nr. 1–4 WEG) sämtliche Wohnungseigentümer beteiligt. Wer materiell beteiligt ist, muß auch formell beteiligt, also zum Verfahren zugezogen werden. Die Notwendigkeit der Beteiligung ergibt sich auch aus § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG, wonach die Entscheidung für und gegen alle Wohnungseigentümer wirkt. Die Beteiligung ist außerdem ein Gebot des rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung nach § 12 FGG (BayObLG WuM 1988, 191; 1989, 37).
Es mag Fälle geben, in denen ausnahmsweise nicht alle Wohnungseigentümer zu beteiligen sind, z. B. dann, wenn nur einzelne Wohnungseigentümer von dem gerichtlichen Verfahren betroffen sind (s. hierzu BayObLG NJW-RR 1990, 660/661). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar macht einen Schadensersatzanspruch gegen die Verwalterin nur die Antragstellerin geltend. Entscheidend ist aber, daß Grundlage des Schadensersatzanspruchs ein Eigentümerbeschluß aller Wohnungseigentümer ist. Auch geht es im wesentlichen um die Auslegung des Umfangs dieses Eigentümerbeschlusses. Dies verbietet es, auf die Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer zu verzichten.
2. Die unterlassene Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer hat nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 550, 551 Nr. 5 ZPO zwingend die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zur Folge. Anhaltspunkte für eine stillschweigende Genehmigung des Verfahrens durch die nicht beteiligten Wohnungseigentümer liegen nicht vor. Der Verfahrensfehler ist im Rahmen des §...