Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungssache. Vergütung. Mittellosigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreute gilt als mittellos, wenn sein monatliches Einkommen zwar die Schongrenze übersteigt, der Anspruch des Betreuers auf Aufwendungsersatz oder Vergütung in Anbetracht der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Betreuten aber gleichwohl nicht in angemessener Zeit erfüllt werden kann.
2. Der Vergütungsanspruch des Betreuers wird dadurch, daß die Betreuung entgegen § 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB zu lange aufrecht erhalten wurde, nicht berührt.
3. Der Betreuer, dem die Sorge für das Vermögen eines überschuldeten Betreuten übertragen wurde, ist nicht verpflichtet, zur Sicherung seines vom Vormundschaftsgericht erst noch festzusetzenden Vergütungsanspruchs Rücklagen zu bilden.
Normenkette
BGB § 1835 Abs. 4 S. 1, § 1836 Abs. 2 S. 4, § 1908d Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 03.04.1997; Aktenzeichen 13 T 2635/97) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 0970/95) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3. April 1997 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit Beschlüssen vom 17.8. und 11.10.1995 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen eine Berufsbetreuerin. Als deren Aufgabenkreis bestimmte es am 17.8.1995 die Sorge für die Gesundheit, für die Wohnungsangelegenheiten und für das Vermögen des Betroffenen und am 11.10.1995 die Vermögenssorge und die Vertretung bei Ämtern und Behörden. Am 18.7.1996 wurde die Betreuung aufgehoben.
Am 5.3.1997 bewilligte das Amtsgericht (Rechtspfleger) der Betreuerin auf deren Anträge vom 1.7. und 8.10.1996 aus der Staatskasse eine Vergütung von 19.550 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) und Aufwendungsersatz in Höhe von 590,50 DM.
Die gegen die Inanspruchnahme der Staatskasse gerichtete, als Beschwerde geltende Erinnerung des Bezirksrevisors hat das Landgericht mit Beschluß vom 3.4.1997 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit der weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist insbesondere nicht durch § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 4 Satz 2, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB, § 16 Abs. 2 ZSEG ausgeschlossen (vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1160; BGH NJW 1997, 58).
Die weitere Beschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Betroffene sei ausweislich seiner aus den Akten ersichtlichen Vermögensverhältnisse mittellos. Er sei bei der Betreuerbestellung erheblich überschuldet gewesen und sei dies auch jetzt noch. Der Einwand des Bezirksrevisors, die Betreuerin habe nur Rechnungen begleichen dürfen, für die Beihilfe- und Kassenleistungen eingegangen seien, vor der Befriedigung anderer Gläubiger jedoch aus den sonst zur Verfügung stehenden Mitteln zur Sicherstellung ihrer Auslagen und ihrer Vergütung entsprechende Beträge zurückbehalten müssen, gehe fehl. Das Betreuungsrecht ergebe keine solche Verpflichtung.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Macht der Betreuer zum Zwecke der Führung der Betreuung Aufwendungen, kann er von dem Betreuten nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB Ersatz verlangen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist der Betreuer – wie hier – Berufsbetreuer, hat er ferner einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit (§ 1836 Abs. 2 Satz 1 BGB). Bei Mittellosigkeit des Betreuten richten sich die Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Vergütung gegen die Staatskasse (§ 1835 Abs. 4 Satz 1, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB).
b) Der Betreute ist mittellos, soweit ihm bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen des Betreuers zu tragen bzw. für dessen Vergütung aufzukommen. Dem Betreuten ist ungeachtet der Betreuung weiterhin eine angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen. Bis zu dieser Grenze hat er durch die Betreuerbestellung bedingte Einschränkungen in der bisherigen Lebensführung jedoch hinzunehmen. Der entsprechende Selbstbehalt ist nach Maßgabe der Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1997, 82/83; vgl. auch § 115 ZPO). Danach ist ein Betreuter grundsätzlich mittellos, wenn sein Vermögen 8.000 DM (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Verordnung vom 11.2.1988 zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes – BGBl I S. 150) bzw. sein monatliches Einkommen 1.520 DM (vgl. § 81 Abs. 1 Nr. 5, § 82 BSHG) nicht übersteigt (vgl. BayObLG a.a.O.).
c) Ausweislich der vom Landgericht in Bezug genommenen Schlußabrechnung der Betreuerin verfügt der Betroffene lediglich über ein Bankguthaben von 1.481,53 DM. Dagegen übersteigt das monatliche Einkommen des Betroffenen mit 2.960,82 DM die Schongrenze um 1.440,82 DM. Gleichwohl gilt der Betroffene im Sinne des § 1835 Abs. 4 Satz 1 BGB bzw. des § 1836 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 1835 Abs. 4 Satz 1 BGB als mittellos.
(1) Der Gesetzgeber hat bei der Normierung des Betreuungsrechts davon abgesehen, den Rechtsbegriff der „Mittellosigkeit” zu definieren.
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