Entscheidungsstichwort (Thema)

Enterbung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Enterbung eines Verwandten der ersten drei Ordnungen erstreckt sich im Zweifel nicht auf deren Abkömmlinge.

2. Um formgültig im Sinn des § 2247 BGB und damit wirksam gemäß § 125 BGB erklärt zu sein, muss der Wille des Erblassers in der letztwilligen Verfügung irgendwie zum Ausdruck kommen, wenn auch nur versteckt oder andeutungsweise. Wenn der wirkliche Wille des Erblassers nicht eine auch noch so geringe Grundlage in einer formgerechten letztwilligen Verfügung gefunden hat, kann ihm keine Geltung verschafft werden.

 

Normenkette

BGB §§ 1938, 2247, 125

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 29.08.1988; Aktenzeichen 4 T 1009/88)

AG Günzburg (Aktenzeichen VI 958/87)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 29. August 1988 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 183.573,65 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der im Alter von 72 Jahren verstorbene … Erblasser war geschieden und kinderlos. Die Beteiligte zu 1 ist seine Schwester. Eine weitere Schwester des Erblassers ist im Jahr 1978 verstorben. Deren einziger Sohn H. ist der Vater der … 1961 geborenen Beteiligten zu 2. Nach dem Tod des Erblassers wurden zwei handgeschriebene letztwillige Verfügungen mit im wesentlichen gleichem Inhalt aufgefunden. Das eine der beiden Blätter (Bl. 3 der Akten) hat Rechtsanwalt J., der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1, als einen von seiner Hand stammenden Entwurf bezeichnet, den er für den Erblasser erstellt habe. Die zweite Urkunde (Bl. 4 der Akten) unterscheidet sich hiervon nur durch die Ortsangabe … Ihr Text lautet:

Testament

Hiermit schließe ich – …

Herrn H.

von der gesetzlichen Erbfolge aus. … den 17. Oktober 1980

Auf Grund dieses Testaments hat die Beteiligte zu 2 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie neben der Beteiligten zu 1 als Miterbin zur Hälfte ausweisen sollte. Die Beteiligte zu 1 ist diesem Antrag entgegengetreten und hat einen Erbschein als Alleinerbin beantragt. Das Nachlaßgericht hat durch Vorbescheid vom 8.6.1988 einen Erbschein gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1 angekündigt.

Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt und ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 29.8.1988 den Vorbescheid aufgehoben und das Nachlaßgericht angewiesen, einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß der Erblasser von der Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 als Miterbinnen zu je zur Hälfte beerbt worden sei. Das Nachlaßgericht hat diesen Erbschein am 29.9.1988 bewilligt und Ausfertigungen an beide Beteiligte hinausgegeben. Die Beteiligte zu 1 hat durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts eingelegt. Die Beteiligte zu 2 tritt dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins (§ 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB) zulässig (BayObLGZ 1982, 236/239 m.w.Nachw.). Sie ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beteiligten zu 1 und 2 seien Miterbinnen je zur Hälfte geworden, weil der wirksame Ausschluß des Vaters der Beteiligten zu 2 von der gesetzlichen Erbfolge sich nicht auf dessen Abkömmlinge erstreckt habe. Das Testament vom 17.10.1980 sei vom Erblasser wirksam errichtet worden. Nach seinem eindeutigen Wortlaut erschöpfe es sich darin, H. von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, ohne die an seiner Stelle zum Zug kommenden Erbberechtigten zu benennen. Ein Ausschluß des „Stammvaters” von der gesetzlichen Erbfolge erstrecke sich im Zweifel nicht auf dessen Abkömmlinge. Eine über dessen Enterbung hinausgehende Enterbung der Abkömmlinge könne nur im Weg der Testamentsauslegung ermittelt werden. Anhaltspunkte für einen dahingehenden Willen des Erblassers seien hier nicht vorhanden. Die eindeutigen und nach anwaltlicher Beratung gewählten Formulierungen des Erblassers im Testament selbst verböten eine solche Auslegung. Auch eine ergänzende Testamentsauslegung führe zu keiner anderen Betrachtung. Rechtsanwalt J. habe unmißverständlich vorgetragen, daß der Erblasser ihn aufgesucht und erklärt habe, er wolle ein Testament errichten, durch welches H. von der Erbfolge ausgeschlossen werde, und daß mit Sicherheit nicht darüber gesprochen worden sei, ob jemand anderer an seine Stelle treten solle. Der nicht näher beschriebene Eindruck des Rechtsanwalts J., der Erblasser habe „wohl” mit der ganzen Seite des H. nichts mehr zu tun haben wollen, könne nicht als Grundlage für eine Auslegung dienen, daß der Erblasser im Ärger über seinen Neffen auch dessen Nachkommen habe enterben wollen. Das gleiche gelte für mögliche Äußerungen des Erblassers gegenüber der Beteiligten zu 1 sowie deren Sohn und deren ...

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